Ein Beispiel: wenn ich hier und jetzt behaupte, ich hätte heute nachmittag ein Flugzeug in der Luft fliegen sehen, dann ist diese Behauptung so trivial, dass sie mir jeder ohne Beleg glauben wird. Das Flugzeuge am Himmel fliegen, ist völlig normal, das braucht keine gesonderten Beweise. Wenn ich behaupte, ich hätte ein Flugzeug der Lufthansa gesehen, auf dem in großen Buchstaben außen “Guido Westerwelle ist doof!” geschrieben steht, dann ist das prinzipiell auch möglich. Vielleicht haben sich ein paar Mitarbeiter einen Karnevalsscherz erlaubt? Kann ja durchaus sein. Aber damit man mir das glaubt, sollte ich wohl zumindest ein Foto des Flugzeugs vorweisen können. Wenn ich nun aber behaupte, ich hätte kein Flugzeug gesehen, sondern eine fliegende Unterasse, die im Wald gelandet ist und aus der dann zwanzig Westerwelle-Klone ausgestiegen sind und die Internationale gesungen haben bevor sie wieder davon flogen, dann werden die Leser von mir wohl zu Recht sehr, sehr gute Belege verlangen, bevor sie das glauben (obwohl nichts an der Geschichte prinzipiell unmöglich ist!).
Außergewöhnliche Behauptungen brauchen also außergewöhnlich gute Belege! Aber welche können das sein?
Gruslige Vorstellung! (Bild: @Naturalismus)
Ich kann die Geschichte meiner Westerwelle-Klone detailliert aufschreiben. Aber das alleine reicht wohl nicht. Würdet ihr die Geschichte glauben, wenn ich noch fünf Freunde anbringe, die meine Story bestätigen? Zehn Freunde? Zwanzig? Im Prinzip ist es egal – Anekdoten oder Zeugenaussagen sind als Beweis für außergewöhnliche Behauptungen nicht gut genug. Anekdoten sind keine Daten!. Egal wie überzeugend meine Story ist – ohne weitere Belege gibt es keine Möglichkeit, wie man sie unabhängig überprüfen könnte. Man müsste mir einfach glauben und das reicht nicht.
Würde es helfen, wenn ihr hört, dass die Geschichte mit den geklonten Westerwelles von einem Doktor der Astronomie stammt? Einem Universitätsprofessor? Einem Spitzenpolitiker? Einem Nobelpreisträger? Auch das ist allerdings irrelevant. Auch Authorität macht eine Behauptung nicht gültig. Kein Mensch ist unfehlbar – und auch Nobelpreisträger reden manchmal großen Unsinn. Jede Behauptung muss für sich selbst geprüft werden ohne dabei auf die Titel und Vorleistungen desjenigen zu schauen, der sie geäußert hat. Ganz nebenbei: das ist auch ein gutes Indiz, um Pseudowissenschaft zu erkennen. Sieht man irgendwo eine Schwemme von akademischen Titeln, sollte man vorsichtig sein. In echten wissenschaftlichen Publikationen werden normalerweise keine Titel aufgeführt.
Würdet ihr an die Westerwelle-Klone aus dem All glauben, wenn die Nachricht nicht hier in meinem Blog oder einem Internetforum steht, sondern einer Zeitung? Im Böblinger Boten? Der BILD-Zeitung? Der FAZ?
Schreib deinen Kram auf…
Hier kommen wir der Sache schon näher. Wenn die Geschichte sich von einer von mir selbst erzählten Anekdote zu einer Story in einer Zeitung gewandelt hat, dann hat es irgendwo dazwischen (hoffentlich) zumindest den Ansatz einer Qualitätskontrolle gegeben. Irgendjemand muss meine Westerwelle-Geschichte gehört haben, darüber nachgedacht haben, vielleicht auch recherchiert haben und hat sich dann entschieden, sie weiterzuverbreiten. Wenn das alles kompletter Unsinn wäre, dann würde das ja wohl nicht passieren, oder?
Oder doch? Glauben wir der BILD-Zeitung, wenn sie berichtet dass ein Schaf mit Menschengesicht geboren wurde? Kann nicht selbst ein FAZ-Redakteur mal einen Fehler machen? Niemand kann Experte für alles sein und alles richtig einschätzen. Zeitungen sind daher auch nicht wirklich verläßlich – zumindest nicht dann, wenn es um außergewöhnliche Behauptungen geht.
Wie steht es mit Büchern? Da gibt es doch einen Verlag, einen Lektor – usw. Da wird doch auch geprüft? Theoretisch schon. Aber so wie es Zeitungen mit unterschiedlichen Qualitätskritierien gibt, gibt es auch Verlage, die unterschiedliche Ansprüche stellen. Manche interessiert es nicht wirklich, ob das, was sie veröffentlichen etwas mit der Realtität zu tun hat oder nicht – Hauptsache es verkauft sich gut. Andere Verlage haben größeren Anspruch und manche überhaupt keinen. Mittlerweile ist es ja kein Problem mehr, meine Bücher im Selbstverlag zu veröffentlichen bzw. bei einem Pseudoverlag, der alles druckt, solange man nur dafür bezahlt.
Kommentare (378)