Wozu werden die menschlichen Schwachstellen dann überhaupt gebraucht? Wenn was schiefgeht braucht man jemanden vor Ort, der sich das Problem aus nächster Nähe anschaun kann. Und warum reicht dann nicht eine Person pro Teleskop? Aus Sicherheitsgründen müssen sich mindestens 2 Personen in Kontrollraum befinden. Niemand ist vor der Höhenkrankheit gefeit, wie oft auch immer man schon am Berg war. Das Auftreten der Symptome ist nicht vorhersehbar und auch nicht unbedingt mit der Fitness der Person verbunden. Das gefährliche Leben der Astronomen.

Aber es wird noch gefährlicher. “We have a Tsunami warning” sagt plötzlich unser Operator. Ein verheerendes Erdbeben der Stärke 8.8 nach Richter erschüttert Chile. Die Stärke des Bebens ist beinahe vergleichbar mit der des Bebens, das den Tsunami 1960 auslöste, dessen 10 Meter hohe Wellen das Zentrum von Hilo verwüsteten. Damals starben 61 Menschen. Waikiki Beach wird evakuiert, Küstenbewohnern wird empfohlen sich in höheren Regionen in Sicherheit zu bringen. Im Laufe der Nacht kommen etwas weniger apokalyptische Vorhersagen herein: ein Tsunami mit maximal 1-2 Metern Höhe wird erwartet (was sich im Nachhinein als korrekt herausstellen soll, in Hawaii wird niemand wird verletzt).

6 Uhr morgens, wir haben das schlimmste überstanden und ich fühl mich wie nach einer durchzechten Nacht, der Kater des Sauerstoffmangels. Der kleine Bildschirm im Kontrollraum zeigt uns die Aussenwelt, ein helles Band am Horizont. Wir machen das Teleskop dicht, packen unsere Sachen ein und machen uns auf den Weg nach draussen. Und dann öffne ich die Tür…. Ja, das ist es. Dunkelrosa-rot-orange breitet sich der nahende Sonnenaufgang über dem Wolkenmeer aus, das uns umgibt, die weissen Kuppeln der Teleskope heben sich majestätisch vom spektakulären Himmel ab. Es ist komplett still. I’m on the top of the world.

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Bild: Kate Rowlands

Warum sind Sonnenaufgänge immer besser als Sonnenuntergänge?

Ich kann nur hoffen, dass die aufgehende Sonne den Menschen in Concepcion nicht nur Verwüstung und Verzweiflung bringt.

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Kommentare (17)

  1. #1 Florian Freistetter
    28. Februar 2010

    Cooler Bericht! Spannend zu lesen!

    Und jetzt sagt bitte alle der Ruth, dass sie gefälligst anfangen soll ein Blog zu schreiben 😉

  2. #2 tcb
    28. Februar 2010

    Ein Blog? Ich wäre ja eher für ein Buch. Der Schreibstil ist wirklich toll und animiert zum (weiter)lesen. Irgend etwas belletristisches wäre sicherlich passend. Ganz egal ob es nun ein Blog oder ein Buch wird, ich würde mich so oder so freuen in naher Zukunft mal wieder was von Ruth zu lesen.

  3. #3 GeMa
    28. Februar 2010

    Schreib gefälligst ein Blog, Ruth. Los. ;-))

  4. #4 ArthurG
    28. Februar 2010

    Ich bin auch dafür, die Erfahrungen der netten Dame in einem Blog mitverfolgen zu können! Sehr spannender Bericht!
    Danke für’s reinstellen. 🙂

  5. #5 cydonia
    28. Februar 2010

    Ein blog? Vielleicht. Noch besser fände ich es, sie würde eine Radiosendung konzipieren. “Die lange Nacht über Astronomie” bei Deutschlandfunk z.B.
    Da würde ich doch sehr gerne zuhören.

  6. #6 pal
    28. Februar 2010

    schöner bericht, vielen dank und weiter so! ; )

  7. #7 Bettina
    28. Februar 2010

    Super Bericht! Und immer wieder diese Stimme in mir: “Mach doch noch die Diss fertig…!” (neidig sei)
    Muss wohl doch morgen nach Ried düsen und den HAKlern die Newtonschen Axiome beibringen…

  8. #8 Stef
    28. Februar 2010

    Den Teleskopen der ESO scheint nichts passiert zu sein
    https://www.eso.org/public/events/announcements/ann1010/index.html

  9. #9 Karol Babioch
    1. März 2010

    Liest sich gut, wäre schön mehr davon zu erfahren ;).

  10. #10 Ronny
    1. März 2010

    Vor Ort Berichte sind immer die besten, denn da bekommt man die Stimmung mit die da so läuft. Ich kann mich noch an ein Buch über die Voyagersonden erinnern welches jemand schrieb, der tatsächlich dabei war. Man konnte die Spannung die herrschte so richtig mitvollziehen.

    Vielen Dank für die Mühe.

  11. #11 Bullet
    1. März 2010

    ähm … *räusper* …
    RUTH! SCHREIB! EIN! BLOG!

  12. #12 ruth
    1. März 2010

    und das auf viereinhalbtausend metern, stellt euch vor wie ich erst auf Meeresniveau schreibe! 😀
    vielen dank fuer die lorbeeren, aber ich muss euch leider enttaeuschen. Ich kann kein blog schreiben, denn ich wuerde die ganzen verrueckten nicht aushalten, die absurde kommentare schreiben.
    das mit dem buch ueberleg ich mir noch…

  13. #13 Florian Freistetter
    1. März 2010

    @ruth: “Ich kann kein blog schreiben, denn ich wuerde die ganzen verrueckten nicht aushalten, die absurde kommentare schreiben”

    Ach komm – wenn dus seit Jahren mit den Freaks in der Astronomie aushälst, dann schaffst du das auch mit dein paar absurden Kommentatoren. Und du musst das ja nicht so wie ich machen – du kannst ja dein Blog ganz diktatorisch führen und wild Kommentare löschen. Das macht auch Spaß 😉

  14. #14 Bullet
    1. März 2010

    ach komm. Du kannst auch viele nette Kommentare einsacken. Um die Verrückten kümmern wir uns schon. ^^

    Außerdem dürsten wir hier doch nach fachlich fundiertem Material.

  15. #15 Bullet
    1. März 2010

    Oha. Florian, es war echt nicht meine Absicht, dich zu kopieren. Das hat sich wohl überschnitten. 🙂

  16. #16 Flüge
    16. März 2010

    Hey,
    schliesse mich an: Ein toller Bericht.

    Dass der Staat einen Homeland-Security Mitarbeiter schickt um zu überwachen, dass keine Spionagevorrichtungen beschädigt werden ist unglaublich, aber typisch 🙂
    musste echt schmunzeln, als ich es gelesen habe 🙂

  17. #17 Bullet
    13. Oktober 2021

    ruth schrieb:

    das mit dem buch ueberleg ich mir noch…

    Hmjaa. Zählt:
    https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2021/10/13/per-lastenrad-durch-die-galaxis-ein-roadtrip-ans-ende-des-universum/

    Das Internet vergißt nicht.