Vor ein paar Wochen habe ich über Claudia von Werlhof, eine Professorin an der Universität Innsbruck berichtet, die meinte, das Erdbeben in Haiti wäre von den Amerikanern künstlich mittels der HAARP-Anlage ausgelöst worden um in Haiti einmarschieren zu können.
Über diesen verschwörungstheoretischen Unsinn haben sich natürlich auch andere Leute aufgeregt – unter anderem Ulrich von “Kritisch Gedacht“. In seinem Artikel zum Thema hat sich dann schließlich sogar ein Verantwortlicher von der Uni Innsbruck gemeldet. Der Leiter des Instituts für Politikwissenschaft (an dem auch Frau von Werlhof arbeitet) Prof. Ferdinand Karlhofer meinte:
“Als Leiter jenes Instituts, an dem Frau v. Werlhof eine Professur innehat (sie wird demnächst emeritieren), kann ich zu diesem Interview – speziell zur Aussage, das Erdbeben in Haiti könnte künstlich von den USA verursacht worden sein, um besser an vermutete Ölreserven heranzukommen – nur mein größtes Bedauern bekunden. Ich halte ausdrücklich fest: In diesem Interview spiegelt sich nicht das Wissenschaftsverständnis unseres Instituts wider!
Nachdem ich (wie wohl auch Kollegin Werlhof) außerstande bin, über die Tesla-Technologie fachkundig zu urteilen, bin ich für jede kompetente Stellungnahme bzw. Richtigstellung dankbar. Den Schaden für den Ruf des Instituts wird das, fürchte ich, leider nicht mindern.”
Dieser Kommentar hat Frau von Werlhof dazu veranlasst, sich selbst nochmal zu Wort zu melden. In einem offenen Brief verteidigt sie ihre Aussage.
Nach der Lektüre des Briefes wird leider klar, dass Frau von Werlhof anscheinend überhaupt nicht verstanden hat, was das Problem an ihrer Aussage war. Sie schreibt:
“Herr K. „bedauert” diese Aussage und „bekundet” auch allgemein: „In diesem Interview spiegelt sich nicht das Wissenschaftsverständnis des Instituts wider”. Leider konkretisiert er nicht, was ihm sonst noch an dem Interview nicht zugesagt hat. Das scheint im Vergleich zu der Haiti-These nicht von Interesse gewesen zu sein. Dabei habe ich nichts Geringeres als die theoretisch, ja paradigmatisch völlig neue Sicht der in Innsbruck in über 20 Jahren entstandenen „Kritischen Patriarchatstheorie” auf die Neuzeit und Moderne als „kapitalistisches Patriarchat” und historisch tief verankertes Projekt einer „Schöpfung aus Zerstörung” vertreten, die es inzwischen objektiv nötig macht, der – an ihre dadurch nun auftretenden Grenzen geratenen – westlichen Zivilisation eine Alternative entgegen zu setzen.”
Ich bin nur Astronom und kann über eine “kritische Patriarchatstheorie” nichts sagen. Aber das ist auch völlig unerheblich – denn die Entstehung von Erdbeben wird von der Geophysik erforscht. Und der sind “kapitalistisches Patriarchat” und ähnliches völlig egal. Da kann die USA noch so böse sein und patriarchalisch und kapitalistisch und ausbeuterisch und was auch immer: das alles wird ihr nicht dabei helfen, Erdbeben zu erzeugen. Die Geophysiker wissen heute sehr gut, wie Erdbeben entstehen und wie sie nicht entstehen. Zum Beispiel können sie definitiv nicht durch Atmosphärenforschung entstehen, wie sie in der HAARP-Anlage von Alaska stattfindet.
Das muss eine Politikwissenschaftlerin natürlich nicht wissen. Aber wenn sie sich dazu entschließt, so eine Behauptung im Rahmen einer Erklärung ihrer “kritischen Patriarchatstheorie” in einem öffentlichen Interview aufzustellen, dann sollte man schon erwarten, dass sie sich hier auch über die naturwissenschaftliche Seite informiert und nicht einfach nur irgendwas nacherzählt, was sie in der Verschwörerszene gehört hat. DAS ist das Problem mit dem Wissenschaftsverständnis, dass Frau von Werlhof nicht wahrhaben will:
“Was hat die „Haiti-These” überhaupt mit (m)einem „Wissenschaftsverständnis” zu tun? Und worum geht es Herrn K. bei der unvermittelten und unbegründeten Ablehnung dieser These? Und geht es vielleicht um etwas anderes als ein ernst zu nehmendes „Wissenschaftsverständnis”?”
Frau von Werlhof scheint schon die nächste Verschwörungstheorie zu konstruieren. Und viele ihrer Argumente erinnern erschreckend an das, was man von den Esoterikern, Verschwörungstheoretiker und Pseudowissenschaftern immer zu hören bekommt. Hier ist eine schöne Variation des “über den Tellerrand schauens”:
“Genau das ist Wissenschaft, Politikwissenschaft, wie ich sie verstehe: den Dingen nachzugehen, anstatt irgendetwas zu glauben, den Vogel Strauß zu spielen oder/und die wirkliche Politik zu vertuschen. Und dazu beizutragen möchte ich alle auffordern!”
Warum hat Frau von Werlhof das dann nicht getan? Warum hat sie nicht mal einen Physiker (davon gibts an der Uni Innsbruck sehr gute!) gefragt, ob die These mit dem menschengemachten Erdbeben überhaupt physikalisch plausibel ist, bevor sie sie übernommen hat? Wenn man ihr nun sagt, dass das Unsinn ist, dann wird hier nichts “vertuscht”.
Aber man wird doch noch mal fragen dürfen, oder?
“Wie, wenn es stimmt, wenn Haiti tatsächlich nicht durch ein natürliches Beben zerstört worden wäre? Diesen furchtbaren Verdacht, der mir die Haare zu Berge stehen lässt, kann man doch nicht im Raume stehen lassen. Und wer kann ihn ausschließen? Wer weiß, was wirklich passiert ist? Dem muss doch nachgeforscht werden!”
Ja – und was wenn die USA morgen den Mond mit HAARP beschießen und er auf die Erde fällt! DAS wär erst ein furchtbarer Verdacht der einem die Haar zu Berge stehen lassen kann! Dem muss man doch nachgehen! Wer kann das ausschließen? Wer weiß, was wirklich passiert.
Tja – Physiker wissen sowas, Frau von Werlhof! Geophysiker wissen, was beim Beben in Haiti “wirklich passiert ist”. Und Physiker können ihren furchtbaren Verdacht auch ausschließen. Sie hätten nur ein bisschen nachforschen müssen “anstatt irgendwas zu glauben”. Auch wenn sie Haiti so gern haben nutzt es nichts, einfach irgendwas nachzuplappern was man gehört hat weil es so schön zur eigenen Theorie passt:
“Deswegen habe ich die Haiti-These aufgegriffen: Eben weil ich will, dass die HaitianerInnen nachforschen, eben weil ich weiß, dass niemand dieses heiße Eisen anfassen würde, eben weil ich mich ihnen verbunden und mich dafür verantwortlich fühle, dass diese These nicht unter den Tisch fällt – ich habe nicht umsonst fast 5 Jahre in Mittelamerika und Venezuela, meiner „2. Heimat”, gelebt und wahrlich an den grass- roots in Stadt und Land geforscht, und ich kenne auch Haiti. Wie sollte ich diese Menschen da im Stich lassen, indem ich den Mund halte über etwas, das ich erfahren habe und das zumindest andere für möglich halten, über das ich schon seit Wochen recherchiere, und das für sie buchstäblich lebenswichtig sein könnte…?”
Ich weiß es ja nicht genau: aber den Menschen in Haiti einzureden, sie wären vielleicht absichtlich von den USA mit einer Erdbebenwaffe angegriffen worden wenn gleichzeitig klar ist das so etwas physikalisch nicht möglich ist – sowas finde ich dann nicht unbedingt nett und auch nicht sonderlich nützlich für die Haitianer. Aber Hauptsache, Frau von Werlhof fühlt sich gut dabei und hat alles richtig gemacht:
“Doch trägt die These über Haiti auf diese Weise ihre ersten Früchte. Man blickt vielleicht anders und mit größerer Aufmerksamkeit auf die Insel, mit der die Kolonisierung Amerikas begann, und das nicht – das ist die Ironie der Geschichte – weil ich die Haiti-These öffentlich in Betracht gezogen habe, sondern gerade weil so eine schnelle Abwehr erfolgte. Denn die macht misstrauisch. So war es also ganz richtig, dass ich sie öffentlich gemacht habe, und wer weiß, was sie noch alles bewirkt – hoffentlich nur Gutes – für die Menschen in Haiti! Da kann mann mich ruhig beschimpfen, soviel man und sie wollen!”
Bitte reden sie mit Physikern, Frau von Werlhof! Die Linie O fährt von ihrem Institiut bis zur Technikerstrasse. In nichtmal einer halben Stunde sind sie dort und ihre Kollegen erklären ihnen sicher warum die Sache mit dem HAARP-Erdbeben Unsinn ist – und die “schnelle Abwehr” sie nicht “mißtrauisch” machen muss.
Nachtrag: Auch Gunnar (Geophysiker) hat einen lesenswerten Text über Frau von Werlhofs offenen Brief geschrieben.
P.S. Auch der ORF berichtet schon darüber.
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