Ich schreibe ja gerne was über Kollisionen. Asteroiden, die auf Planeten stoßen; Planeten die mit anderen Planeten zusammenprallen; kollidierende Galaxienhaufen – das alles hab ich hier schon behandelt. Aber was ist mit Sternen? Können auch Sterne mit anderen Sternen zusammenstoßen?
Klar – möglich ist das. Aber sehr unwahrscheinlich. Sieht man mal von den dichten Regionen im Zentrum der Galaxie ab, dann ist zwischen den Sternen sehr viel Platz. Wirklich viel. Sterne sind zwar sehr groß, wenn man sie mit der Erde vergleicht – aber winzig, wenn man die Abstände zwischen ihnen betrachtet. Und auch wenn sie sich bewegen ist es äußerst unwahrscheinlich, dass einmal tatsächlich zwei Sterne aufeinanderprallen.
Aber auch wenn es keine Kollision gibt – schon eine nahe Begegnung kann unangenehme Folgen haben…
Wenn wir vom Sonnensystem sprechen, dann meinen wir meistens den Bereich, der von den Planeten “bewohnt” wird. Der erstreckt sich bis zur Bahn des Neptun; knapp 30 Astronomische Einheiten (also die 30fache Entfernung zwischen Erde und Sonne). Aber dort hört das Sonnensystem noch lange nicht auf. Außerhalb der Bahn des Neptun erstreckt sich ein großer Asteroidengürtel – der Kuipergürtel. Und danach kommt die Oortsche Wolke. Die umgibt das Sonnensystem kugelförmig und ist voll von Asteroiden und Kometen. Die innere Grenze der Wolke liegt bei etwa 1000 Astronomischen Einheiten – die äußere vermutet man bei etwa 100000 Astronomischen Einheiten. Das sind immerhin 1.6 Lichtjahre!
Ein anderer Stern muss also nicht unbedingt der Sonne extrem nahe kommen, um die äußeren Bereiche des Sonnensystem durcheinander zu bringen. Aber selbst ein kleiner Stern, der mit seiner Gravitationskraft die Objekte in der Oortsche Wolken stört kann das innere Sonnensystem (und die Erde) beeinflussen. Denn die so gestörten Asteroiden und Kometen aus der Wolke, die uns normalerweise nicht gefährlich werden können, können dadurch auf Kollisionsbahnen mit der Erde gebracht werden. Manche Astronomen vermuten sogar, dass die Sonne einen bis jetzt noch nicht entdeckten kleinen Begleistern hat – Nemesis – der regelmäßig die Oortsche Wolke stört und so alle 26 Millionen Jahre verstärkt Asteroiden auf die Erde regnen lässt und Massensterben verursacht.
Nahe Begegnungen zwischen der Sonne und anderen Sternen können also unangenehm werden. Müssen wir mit sowas rechnen? Diese Frage hat Vadim Bobylev vom russischen Pulkovo-Observatorium untersucht. Seine Ergebnisse sind vor kurzem in einer Arbeit mit dem Titel “Searching for Stars Closely Encountering with the Solar System”.
Man hat dieses Problem natürlich schon vorher analysiert. Um zu wissen, ob der Sonne eine Begegnung mit einem anderen Stern bevorsteht, muss man wissen, wo sich die ganzen anderen Sterne befinden und wie schnell sie sich in welche Richtungen bewegen. Dann kann man ihre zukünftigen Positionen berechnen. Mit den Daten der Hipparcos-Mission, die Anfang der 1990er jede Menge hochgenaue Positions- und Geschwindigkeitsmessungen durchführte konnte man die Sache untersuchen. Es zeigte sich, dass es innerhalb eines Abstands von 50 Parsec 156 Sterne gibt, die der Sonne in den letzten 10 Millionen näher als 5 Parsec gekommen sind bzw. in den nächsten 10 Millionen Jahren näher als 5 Parsec kommen werden. Nahe Begegnungen (mit einem Abstand von weniger als einem Parsec) gibt es statistisch gesehen etwa elf Mal in einer Million Jahre.
Vor ein paar Jahren – 2007 – wurden die Hipparcos-Daten aber überarbeitet und verbessert. Bobylev hat nun nachgesehen, ob sich dadurch etwas verändert hat was die nahen Begegnungen mit der Sonne angeht. Er hat die Positionen von 35000 Sternen aus dem Hipparcos Katalog untersucht und nachgesehen, wie sie sich in den letzten 2 Millionen Jahren bzw. in den nächsten 2 Millionen Jahren verändern werden. Im großen und ganzen bestätigt sich das frühere Bild; außerdem fand Bobylev 9 weitere Sterne, die in Zukunft unserer Sonne nahe kommen.
Besonders interessant war aber der Stern HIP 89825. Das ist ein kleiner oranger Zwergstern; etwa halb so schwer wie unsere Sonne. Und das der der Sonne auch sehr nahe kommen kann, wusste man schon vorher. Bobylev hat diese Rechnungen aber nochmal präzisiert und auch eine Wahrscheinlichkeit für diese nahe Begegnung berechnet. Demnach besteht eine Chance von 86 Prozent, dass HIP 89825 sich der Sonne bis auf 0,48 Parsec nähert. Das ist genau der Bereich der Oortschen Wolke und ein Stern mit einer halben Sonnenmasse würde dort einiges durcheinanderbringen. In einigen wenigen Fällen der Simulation kam der Stern der Sonne sogar auf 0,005 Parsec nahe! Das ist die innere Grenze der Oortschen Wolke; nur 1000 Astronomischen Einheiten von der Sonne entfernt. Die Wahrscheinlichkeit für dieses Szenario beträgt aber nur 0,000094 Prozent.
Dieses Bild zeigt die Ergebnisse der verschiedenen Simulationen:
Abgesehen davon dass Bobylev wohl vergessen hat, die Beschriftung der Grafik zu übersetzen sieht man hier wie sich HIP 89825 aus Sicht der Sonne nähert und wieder entfernt. Die verschiedenen Linien stellen die verschiedenen Simulationen dar; die x-Achse zeigt die Zeit (in Einheiten von tausend Jahren); die y-Achse den Abstand (in Parsec). Der grau hinterlegte Bereich zeigt an, wo sich die Oortsche Wolke befindet.
Hier sieht man auch gleich, dass es keinen Grund gibt, in Weltuntergangsstimmung zu verfallen. Wenn uns HIP 89825 tatsächlich nahe kommt, dann passiert das erst in etwa 1,5 Millionen Jahren! Es besteht also kein Grund, sich Sorgen zu machen! Wenn dann allerdings noch Menschen auf der Erde leben, sollten sie sich darauf gefasst machen, dass sie ein paar größere Brocken abbekommen….
Vadim V. Bobylev (2010). Searching for Stars Closely Encountering with the Solar System Astronomy Letters, 2010 Vol. 36, No. 3 arXiv: 1003.2160v1
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