Es ist zum verrückt werden! Ehrlich! Noch am Dienstag hatten wir uns alle wahnsinnig gefreut. Endlich hatte es am Teilchenbeschleuniger LHC des europäischen Kernforschungszentrums CERN die ersten Kollisionen bei hohen Energien gegeben. Damit wäre alles bereit gewesen für den Beginn der echten physikalischen Forschung. Das war das, worauf alle schon so lange gewartet haben. Eigentlich hätte es ja schon im September 2008 losgehen sollen. Doch auch da gab es nur wenige Tage nach dem Start einen technischen Defekt und der Beschleuniger musste ein Jahr lang repariert werden.
Ende 2009 ging es dann wieder los, langsam erhöhte man die Energie der Teilchenstrahlen, man hat getestet und getestet und nochmal getestet und sich dann am Dienstag endlich daran gewagt Teilchen bei so hohen Energien wie nie zuvor zur Kollision zu bringen. Es hat geklappt und alle haben gefeiert. Es wurden schon die ersten wissenschaftlichen Resultate – die “Wiederentdeckung” des Pions – bekannt gegeben. Und jetzt? Kurz vor dem Schlafengehen will ich nochmal schauen, was es am LHC so neues gibt und vielleicht schon wieder ein paar neue Experimente gemacht worden sind. Aber nichts! Der LHC wurde wieder deaktiviert!
Warum denn das schon wieder? Was ist denn jetzt schon wieder kaputt?
Gar nichts – der Beschleuniger ist ok. Aber man hat wohl zuviel und zulange getestet. Und am Dienstag war man wohl etwas zu euphorisch, was die ersten Kollisionen angeht. Via Twitter hat man der Welt stolz vom Erfolg erzählt:
Experiments have half million events! More than three hours of stable and colliding beams. WOW!
Tja – das war wohl etwas zuviel. Man hat die Strahlen zu lange laufen lassen (und in den Monaten davor viel zu viele Testläufe gemacht). Nun sind die Protonen alle und der LHC hat kein Material mehr, dass er zur Kollision bringen kann.
Denn bekanntlich werden im großen Teilchenbeschleuniger ja Protonen (das sind die geladenen Komponenten in einem Atomkern) zur Kollision gebracht. Die Protonen des LHC stammen aus dieser kleinen Flasche:
Aber bis man mit diesen Protonen arbeiten kann ist es ein langer Weg. Denn immerhin müssen sie einiges aushalten. Sie müssen später ja mit annähernd Lichtgeschwindigkeit durch den 27 Kilometer langen Tunnel rasen; viele Male im Kreis im Bruchteil einer Sekunde bevor sie schließlich mit anderen Protonen aus der Gegenrichtung kollidieren. Damit sie es bis in diesen Hauptbeschleunigerring schaffen müssen sie erstmal eine Reihe von Vorbeschleunigern durchlaufen. Die heissen RQF, PS oder SPS und es handelt sich dabei sowohl um Linear- als auch um ringförmige Teilchenbeschleuniger und die Protonen müssen durch alle durch. Wegen der Effekte der speziellen Relativitätstheorie wächst die Masse dieser Protonen je näher sie sich der Lichtgeschwindigkeit annähern und am Ende erreichen die immerhin 99,9999991 % der Lichtgeschwindigkeit! Man kann sich also vorstellen, was diese Protonen alles aushalten müssen und dass man für die Experimente am LHC nicht einfach irgendwelche Protonen hernehmen kann. Die müssen aus Tritiumkernen gewonnen werden damit die Protonen leicht genug werden damit sie später durch den relativistischen Massenzuwachs nicht zu schwer werden.
Wie gesagt – die Protonen für den LHC stammen alle aus der kleinen Flasche im Bild oben. Ok – so ein Proton ist selbst ziemlich klein und in die Flasche passen schon ne ganze Menge rein 😉 Aber bei den Experimenten werden auch jede Menge Protonen verbraucht! Hier ist ein Bild des LHC-Statusmonitors das eine typische Versuchsvorbereitung zeigt (anklicken zum Vergrößern):
Wichtig sind hier die Werte die bei I(B1) und I(B2) angegeben sind. Das ist die Anzahl der Protonen in den beiden Strahlen. Und diese Zahl ist groß! “1.94e+10” und “1.91e+10” steht dort – das ist quasi eine 2 mit zehn Nullen oder 20 Milliarden Protonen! Pro Strahl! Und das bei jedem Versuch; bei jedem Experiment; bei jedem Test in den letzten Monaten.
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