Im Gegensatz zur Mehrheit der Sterne da draußen ist unsere Sonne alleine unterwegs (zumindest nach unserem aktuellen Wissensstand). Die meisten anderen Sterne sind in Doppel- oder Mehrfachsystemen organisiert. Aber trotzdem müssen irgendwo in der Galaxis jede Menge Geschwister der Sonne existieren.

Denn aus der Gaswolke, aus der unser Zentralstern vor knapp 5 Milliarden Jahren entstanden ist, müssen auch noch jede Menge andere Sterne entstanden sein. Und nach denen hat man sich nun auf die Suche gemacht.

Wenn die aktuellen Erkenntnisse zur Sternentstehung als Grundlage nehmen, dann muss die Gaswolke, aus der unsere Sonne hervorgegangen ist auch noch etwa 1000 andere Sterne produziert haben die alle in etwa das gleiche Alter und die gleiche Zusammensetzung wie unsere Sonne haben.

Mehr über diese Geschwister der Sonne herauszufinden, wäre interessant. Wenn wir sie identifizieren könnte, dann könnte man daraus ableiten, wie sich die Sonne im Laufe der letzten 5 Milliarden Jahre durch die Milchstrasse bewegt hat. Wir könnten daraus Rückschlüsse auf die klimatische Vergangenheit der Erde ziehen – denn die ist ja den gleichen Weg gegangen und die Reise durch die verschiedenen Regionen der Milchstrasse könnten das Klima verschieden beeinflusst haben. Solche Daten wären eine wichtige Ergänzung zu den bisherigen Resultaten die ja nur auf dem basieren was wir von der Erde selbst gelernt haben. Außerdem könnte eine Untersuchung der Sonnengeschwister helfen zu erklären, warum die Sonne mehr Metalle (damit sind in der Astronomie alle Elemente gemeint die schwerer als Wasserstoff und Helium sind) besitzt als man von ihrer aktuellen Position in der Galaxis erwarten würde.

Aber wie findet man diese Sterne? Denn im Laufe der Zeit haben die sich in der Milchstrasse verteilt und mit den andern Sternen vermischt. Anthony Brown, Simon Portegies Zwart und Jennifer Bean von der Sternwarte Leiden und der Missouri State University haben probiert, dieses Problem zu lösen. Ihre Ergebnisse kann man in dem kürzlich erschienen Artikel “The Quest for the Sun’s Siblings: an Exploratory Search in the Hipparcos Catalogue” nachlesen.

Die Sache ist auf jeden Fall nicht einfach. Erste Schätzungen zeigen, dass in einem Abstand von einem Kiloparsec (das sind etwa 3200 Lichtjahre) zwischen 100 und 1000 Geschwister zu finden sind. Insgesamt befinden sich in diesem Bereich aber etwa 100 Millionen Sterne! Wie also die finden, die gemeinsam mit der Sonne entstanden sind?

Dazu haben Brown und seine Kollegen erstmal numerische Simulationen durchgeführt. Aus der heute bekannten Position und Geschwindigkeit der Sonne haben sie zurück gerechnet, wo in etwa sie enstanden ist. Und von diesem Punkt aus haben sie simuliert, wie sich die gemeinsam mit der Sonne entstandenen Sterne im Lauf der Zeit über die Milchstrasse verteilt haben könnten. Natürlich gibt es viele Paramater, die man nicht exakt kennt. Wie waren die Sterne damals bei der Entstehung verteilt? Wie stark haben sich ihre jeweiligen Geschwindigkeiten unterschieden. Nichtmal bei der aktuellen Geschwindigkeit der Sonne kann man definitive Werte voraussetzen. Brown und Kollegen haben also jede Menge verschiedenen Simulationen durchgeführt – und so sieht das dann aus:

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Auf der x-Achse ist hier die Parallaxe der Sterne aufgetragen – ein Maß für ihre Entfernung; auf der y-Achse ihre Eigengeschwindigkeit. Die Konturlinien in den Plots geben die Sterndichte an, die man aus dem Hipparcos-Katalog abgeleitet hat. Bei den linken Bildern wurde in der Simulation eine hohe Geschwindigkeitsdispersion im ursprünglichen Sternhaufen gewählt; bei den rechten eine geringe. Die Ergebnisse in der oberen Reihe basieren auf einer hohen gegenwärtigen Geschwindigkeit der Sonne, die unteren Bilder auf einer geringeren.

Nun weiß man also, wie die Geschwister der Sonne in der Milchstrasse theoretisch verteilt sein müssten. Jetzt muss man “nur” noch schauen, ob man in den Sternkatalogen auch passende Objekte findet. Das klingt einfach – ist es aber nicht. Jede Menge Eigenschaften müssen da überprüft werden und die Daten aus den Simulationen von oben können da nur eine erste Einschränkung geben. Mit den daraus gewonnen Schranken kann man aus dem Hipparcos-Katalog aber immerhin schonmal alle Sterne bis auf 87 streichen. Die wurden nun weiter untersucht:

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In diesem Diagramm sind Sternhelligkeiten aufgetragen. Auf der x-Achse der Farbindex (B-V) – also die Differenz der Helligkeiten in verschiedenen Wellenlängenbereichen. Auf der y-Achse ist die visuelle Helligkeit der Sterne aufgetragen. Das Resultat ist Farben-Helligkeits-Diagramm; ein äußerst wichtiges Werkzeug in der Astronomie aus dem sich jede Menge Eigenschaften der Sterne ablesen lassen. Die Linien, die in das Bild eingezeichnet sind sogenannte Isochronen. Das sind Linien, die Sterne mit gleichen Alter verbinden und die aus anderen Modellrechnungen gewonnen werden. In diesem Fall zeigen sie Sterne an, die so alt sind wie die Sonne. Aus diesem Diagramm hat man die potentiellen Kandidaten nochmal weiter eingeschränkt auf 6 Sterne die in etwa das gleiche Alter und die gleiche Metallizität wie die Sonne besitzen (die dicken schwarzen Punkte im Bild).

Die hat man nun nochmal untersucht (zum Beispiel anhand ihre Radialgeschwindigkeiten) – und dabei sind nochmal 5 Stück rausgefallen. Am Ende der Suche steht als ein einziger Stern der den Namen HIP 21158 trägt. Aber selbst der passt nicht so richtig und Brown und seine Kollegen müssen am Ende der Suche folgenden Schluß ziehen:

“This means we have not found a single convincing solar sibling within 100 pc from the Sun.”

Innerhalb von 100 Parsec Entfernung von der Sonne lassen sich also mit den aktuellen Daten keine überzeugenden Kandidaten für die Sonnengeschwister finden. Das ist schade – aber kein Grund, die Sache aufzugeben. Was man braucht sind bessere Simulationen und bessere Daten. Auf genauere Sternkataloge muss man aber noch ein Weilchen warten. Die wird erst die GAIA-Mission liefern und der Satellit startet erst Ende nächsten Jahres. In der Zwischenzeit kann man aber schonmal genauere Simulationen durchführen und sich bemühen, die Entstehung der Sterne und ihre Wanderung durch die Milchstrasse besser zu verstehen. Und vielleicht können wir ja dann in ein paar Jahren wirklich die Geschwister der Sonne finden…

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Der Stern HIP 21158 – eine Schwester der Sonne? (Bild: Simbad)


Anthony G.A. Brown, Simon F. Portegies Zwart, & Jennifer Bean (2010). The Quest for the Sun’s Siblings: an Exploratory Search in the Hipparcos Catalogue MNRAS

Kommentare (16)

  1. #1 Maxim
    29. April 2010

    Ein sehr interessantes Thema!
    Dazu gab es von Zwart ein Artikel in Spektrum der Wissenschaft 03/10, in dem das Thema auch ziemlich ausführlich dargestellt wird.

  2. #2 fred
    29. April 2010

    da musste wohl mal noch ein quoten-astronomie-blog her heute vor dem späten feierabend, was? ;D

    aber interessant, wusste garnicht das soetwas wie geschwister unserer sonne existiert und da aktiv geforscht wird. lassen sich natürlich allerlei hirngespinnste…äh…spinnen damit: wenn unsere sonne leben hervorgebracht hat, haben das ihre geschwister evtl auch geschafft? klar, das hängt noch von ziemlich genau 126520,34 anderen faktoren ab, aber faszinierend ist der gedanke allemal…man stelle sich nur mal vor, es wird tatsächlich mal eine schwestersonne gefunden und bis dahin sind wir auch in der lage erdähnliche exoplaneten zu finden und dort tut man das dann auch noch…huiuiui…jaja ich weiß, ganz schönes kopfkino grad ^^

  3. #3 buch
    30. April 2010

    Gibt es bei den Geschwistern eigentlich eine erhöhte Chance auf Erdähnliche Planeten ?
    Wär schon cool wenn bei den 1000 Schwestern 100 dabei sind die auch ne “Erde” haben. Eventuell vielleicht sogar 2-3 mit echtem intelligenten Leben!
    (Im Gegensatz zu uns 🙂 )

  4. #4 Ronny
    30. April 2010

    Vielleicht ist ja der Grund warum man keine Schwestern (in allen anderen Sprachen Brüder) findet, die Supernovablase ist von der du einmal geschrieben hast.

    https://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2009/09/nix-los-im-all-superblasen-in-der-milchstrasse.php

    Vielleicht hats die Wolke schnell weggefegt ? oder die Geschwister der Sonne sind massiv beschleunigt worden ?

    Klingt aber wirklich nach einem interessanten Thema. Das witzigste daran ist ja, dass die richtigen Erklärungen für solche Effekte oft noch skurriler klingen als der Effekt selbst.

  5. #5 Bullet
    30. April 2010

    @Ronny:

    oder die Geschwister der Sonne sind massiv beschleunigt worden ?

    Das zumindest kann, denk ich, ausgeschlossen werden, denn das ist eins DER most intriguing Kriterien, bei denen Astronomen mißtrauisch werden. Unübliche Vektoren sind auffällig und machen neugierig. Und wenn dann auch noch klar wird, daß da 35 weit verstreute viel zu schnelle Sterne alle aus einem eng begrenzten Raumbereich kommen, dann muß wieder eine arme Flasche Moët&Chandon dran glauben.

  6. #6 Doctor Who
    30. April 2010

    “Hhmm”

    Wir als Kinder unseres Planeten, dürfen wir dann die Schwester unserer Sonne Tante nennen ?

  7. #7 klauszwingenberger
    30. April 2010

    @ Doctor Who:

    Nein, DEN Stern müsste man wohl Onkel nennen.

  8. #8 Christian
    2. Mai 2010

    Und warum soll jetzt die Wolke so groß gewesen sein dass daraus 1000 Sterne entstanden ?

    Was sind da die gründe. Kommt mir sehr beliebig vor. Warum nicht 10000, oder 5 ?

    Vielleicht wenn du da kurz die wichtigsten gedanken anreißen könntest

  9. #9 Florian Freistetter
    2. Mai 2010

    @Christian: “Und warum soll jetzt die Wolke so groß gewesen sein dass daraus 1000 Sterne entstanden ?”

    Da muss ich ehrlich sagen, dass ich von Sternentstehung zu wenig Ahnung habe um das so einfach beantworten zu können. Ich vermute mal, dass da jede Menge Modellrechnungen dahinter stecken. Man kann ja ungefähr abschätzen in welcher Region der Milchstrasse die Sonne entstanden ist, wieviel Gas da früher mal war, wieviele Masse dann durch eine nahe Supernova zu nem Kollaps gebracht werden die zu Sternen wird, usw. Außerdem kann man diverse andere Sternhaufen beobachten und daraus Schlüsse ziehen….

  10. #10 cimddwc
    2. Mai 2010

    Im erwähnten Spektrum-Artikel (von Simon Zwart) heißt’s dazu nach dem Vergleich mit anderen Sternhaufen:

    In solchen Haufen werden einige wenige
    sehr massereiche Sterne von vielen Leichtgewichten
    begleitet. Die Exemplare mit der geringsten
    Masse, etwa einem Zehntel der Sonnenmasse,
    stellen die Mehrzahl der Haufenmitglieder.
    Darüber hinaus gilt auf der
    gesamten Massenskala die Faustregel: Betrachtet
    man Sterne einer bestimmten Masse, so ist
    ihre Anzahl 20-mal höher als jene von Sternen
    der zehnfachen Masse.
    Wenn wir davon ausgehen, dass einst ein
    Stern von 15- bis 25-facher Sonnenmasse in
    der Nähe der Sonne zur Supernova wurde,
    können wir also schließen, dass der Geburtshaufen
    der Sonne rund 1500 kleinere Sterne als
    diesen enthielt, und kennen so auch seine Min-
    destmasse. Die maximale Masse ergibt sich aus
    einer weiteren Überlegung. Damit massereiche
    Sterne, die als Supernova explodieren, ihre
    kleineren Geschwister nennenswert mit Materie
    anreichern können, müssen sie sich eher
    nahe dem Haufenzentrum befinden. In einem
    größeren Haufen aber benötigen massereiche
    Sterne längere Zeit, um sich dort anzusammeln.
    Auf Basis dieser Rahmenbedingungen
    zeigen meine Simulationen, dass der Haufen
    vermutlich weniger als 3500 Sterne enthielt.

  11. #11 Maenander
    3. Mai 2010

    Auf dem Gebiet der galaktochemischen Evolution setzt man ja neuerdings auf eine radiale Durchmischung der Sterne. Falls das korrekt ist, könnte auch die Sonne eines der Opfer dieses Mechanismus sein. Dies würde die solare Metallizität erklären, aber viele Verwandte der Sonne würden sich wohl nicht mehr entdecken lassen.

    Man wird wohl abwarten müssen.

  12. #12 olsch
    7. Mai 2010

    Hallo,
    mal ne Frage die ein bischen weiter zurück geht. Die Sonne (und ihre Geschwister) sind ja aus so einer riesiegen Gaswolke entstanden, diese wiederum ist das Überbleibsel von toten Sternen einer früheren Generation, aber tote Sterne sind ja nicht weg, sondern hinterlassen “Leichen” in Form von Neutronensternen, weißen Zwergen oder schwarzen Löchern.
    Gibt es eine Möglichkeit das man vieleicht auch mal die “Leichen” der Sterne findet, aus denen die Gaswolke ntstanden ist? Also sozusagen die “Eltern” der Sonne?

  13. #13 Florian Freistetter
    7. Mai 2010

    @olsch: Prinzipiell könnte man die Sterne vielleicht finden, wenn noch was übrig sein sollte. Praktisch ist es fast unmöglich sie zu finden und vor allem zu identifizieren.

  14. #14 olsch
    7. Mai 2010

    Dachte ich mir schon, dass das nicht gehen würde, aber interesant wärs.
    Und was meinst du mit “wenn noch was übrig sein sollte” ? Bleibt nicht immer ein Rest-Stern zurück, der sich finden lassen könnte?

  15. #15 perk
    8. Mai 2010

    der reststern ist bei so ner großen supernova n schwarzes loch.. und wenn das grad in einem gebiet mit wenig gas rumfliegt ist es vor allem eins: ruhig und schwarz

  16. #16 SSRMKK
    Hanau/MKK
    30. Januar 2016

    Hallo Florian,
    Insgesamt befinden sich in diesem Bereich [bis 3200 ly] aber etwa 100 Millionen Sterne.
    Gibt es eine einfache Formel, die die Anzahl der Sterne in einem gegebenen Radius um die Erde beschreibt? Ich hätte ja einen kubischen Zusammenhang vermutet, aber zu den Daten, die ich aus dem Web gefischt habe, passt eher ein quadratischer. (Hier die Daten (Radius in ly, Anzahl): {{12.5, 33}, {50, 2000}, {250, 260000}, {3200, 100000000}, {5000,
    600000000}})