Vier Jahre ist es her, als Pluto durch einen Beschluß der Internationalen Astronomischen Union (IAU) seinen Status als Planet verloren hat. Seitdem ist er “nur” noch ein Zwergplanet. Diese Entscheidung beschäftigt die Leute allerdings heute noch. Jedesmal wenn ich Pluto erwähne gibt es Diskussionen darüber, ob man Pluto zu Recht degradiert hat oder nicht. Ich möchte daher noch einmal zusammenfassen, warum Pluto kein Planet ist, warum das gut so ist und was Pluto nun eigentlich ist.
Auf der Suche nach neuen Himmelskörpern
Hier sind erstmal die Fakten: Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts haben sich amerikanische Astronomen auf die Suche nach “Planet X” gemacht. Der sollte die Sonne außerhalb der Neptunbahn umkreisen und besonders Percival Lowell war fest entschlossen, ihn zu finden. Aber er hatte keinen Erfolg. Sein Nachfolger, Clyde Tombaugh hatte 1930 mehr Glück: er entdecket tatsächlich einen neuen Himmelskörper der sich weiter von der Sonne entfernt befand als alle bisher bekannten Planeten. Und auch wenn Pluto mit 2390 km Durchmesser kleiner war als alle anderen Planeten; sogar kleiner als unser Mond wurde er fortan als neunter Planet geführt.
Und warum auch nicht? Pluto ist zwar klein – aber warum sollen Planeten nicht klein sein dürfen? Merkur hat auch nur 4880 Kilometer Durchmesser und war trotzdem schon seit der Antike als Planet bekannt. Warum soll es weiter draußen im Sonnensystem nicht auch noch kleinere Planeten geben? Soweit war damals noch alles in Ordnung. Pluto war zwar winzig – aber ein Planet; sogar mit eigenem Mond (Charon, der 1978 entdeckt wurde). Seine Bahn war zwar auch etwas seltsam; viel stärker geneigt als die der anderen Planeten und auch bei weitem nicht so kreisförmig. Aber jede Familie braucht einen Außenseiter.
Die Situation änderte sich 1992. Da wurde der Asteroid 1992 QB1 entdeckt. Der war 120 km groß und äußerst außergewöhnlich! Denn im Gegensatz zu den anderen Asteroiden, die sich fast alle im inneren Sonnensystem befanden umkreist dieses Objekt die Sonne in einem Abstand von 43 astronomischen Einheiten – weiter entfernt als Pluto! Gab es da draußen als noch einen Planeten? Aber 120 Kilometer Durchmesser ist für einen Planeten dann doch sehr wenig. So ein kleiner Felsbrocken ist definitiv ein Asteroid und kein Planet! Und außerhalb der Neptunbahn hatte man auch schon lange einen weiteren Asteroidengürtel vermutet – den Kuipergürtel. Mit 1992 QB1 kannte man nun dessen erstes Mitglied.
Wirklich? Was ist mit Pluto? Im Laufe der Jahre fand man immer mehr Asteroiden des Kuipergürtels und so wie es aussah zog Pluto nicht allein seine Bahn um die Sonne sondern inmitten eines Schwarms von kleineren Asteroiden. Und die blieben nicht lange klein. Immer größer wurden die Objekte im Kuipergürtel und immer mehr Astronomen meinten, das Pluto eigentlich auch nur ein Kuipergürtelasteroid ist, wenn auch ein sehr großer. Die IAU hat aber immer beteuert, dass Pluto ein Planet ist. Ok, seine Bahn und seine Dynamik ähnelt den der anderen Asteroiden. Er teilt sich seine Bahn mit anderen Asteroiden. Aber (hauptsächlich aus historischen Gründen) wird Pluto weiter ein Planet bleiben.
Planet oder nicht?
Diese Entscheidung war nie unumstritten – und 2003 bzw. 2005 wurde sie unhaltbar. Da nämlich hatte man die Bestätigung, dass der Asteroid 2003 UB313 mit einem Durchmesser von 2400 km größer als Pluto war. Da gab es also nun außerhalb der Neptunbahn einen großen Gürtel voller Asteroiden. Und mittendrin ein “Planet”, Pluto, der noch nichtmal das größte Objekt war. Irgendwas musste geschehen. Entweder man macht Pluto zum Asteroiden – oder man ernennt 2003 UB313 ebenfalls zum Planeten. Aber warum nur 2003 UB313? Warum nicht auch die Asteroiden Makemake, Haumea oder Sedna, die ebenfalls nicht viel kleiner sind als Pluto? Warum nicht auch Cerea, den größten Asteroiden im Hauptgürtel zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter? Was ist ein Planet?
Diese Frage ist schwieriger zu beantworten als es zuerst klingt. Will man Planeten nach oben hin abgrenzen, ist das nicht allzu schwer. Hier gibt es eine natürliche physikalische Grenze: Ist ein Objekt irgendwann so schwer geworden, dass in seinem Inneren Kernfusion einsetzen kann, dann ist es kein Planet mehr, sondern ein Stern (bzw. ein brauner Zwerg). Das heisst, ein Planet kann höchsten ca. 13 mal schwerer als Jupiter werden. Aber nach unten hin ist die Grenze nicht so leicht zu definieren. Wie man im Kuipergürtel gesehen hat, sind hier die Grenzen fliessend. Soll man einfach eine willkürlich Grenze setzen und alles was größer ist, ist ein Planet? Wo soll die Grenze liegen? So, dass Pluto ein Planet ist? Warum?
Die Astronomen machten sich lange Gedanken und bei der Generallversammlung der IAU wurde schließlich beschlossen, dass ein Planet auf jeden Fall so groß sein muss, dass er sich unter seiner eigenen Schwerkraft in eine runde Form bringt (bzw. im “hydrostatischen Gleichgewicht” ist). Demnach wäre Pluto auf jeden Fall ein Planet. Aber auch 2003 UB313 (der mittlerweile den Namen “Eris” trägt) und auch Ceres aus dem Hauptgürtel. Und in den nächsten Jahren wären vermutlich auch noch dutzende weitere “Planeten” dazugekommen. Viele Astronomen waren mit der extrem Aufweichung des Planetenbegriffs nicht zufrieden. Mit diesem Wort wären dann Gasriesen wie Jupiter und kleine Felsbrocken von einigen hundert Kilometern gleichzeitig bezeichnet worden und mittelfristig hätten wir in einem Sonnensystem mit ein paar hundert “Planeten” gewohnt.
Man entschloss sich daher eine weitere Klausel einzufügen. Ein Planet muss auch seine Umgebung “säubern”. Er muss also während der Planetenentstehung schnell genug gewachsen sein um die ganzen restlichen Planetesimale durch seine Gravitationskraft entweder anzuzuiehen und sich einverleiben oder aus dem System rausschmeissen. Wenn ein Himmelskörper das nicht geschafft hat und heute immer noch mitten in einem Schwarm von anderen Asteroiden sitzt, dann ist er kein Planet. So wie Pluto… Nach dieser Definition hat unser Sonnensystem nun nur noch acht Planeten: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun.
Pluto muss etwas Besonders bleiben!
Und dabei hätte es eigentlich bleiben können. Auch wenn die Definition der IAU in vielen Details noch verbesserungswürdig war hatte man nun doch eine halbwegs vernünftige und physikalisch begründete Vorstellung davon, was ein Planet ist und was nicht. Und warum sollen Asteroiden nicht auch groß sein dürfen? Im Hauptgürtel kennen wir immerhin schon seit über 200 Jahren einen Asteroiden – Ceres – der knapp 1000 Kilometer durchmisst. Warum soll es dann im Kuipergürtel nicht auch Asteroiden mit einem Durchmesser von 2000 Kilometern geben? Aber Pluto hatte immer noch viele Fürsprecher und die wollten nicht so schnell aufgeben. Besonders unter den Amerikanern wollten viele nicht zusehen, wie Pluto seinen besonderen Status verlor. Immerhin war es der einzige Planet, der von einem Amerikaner entdeckt worden war! Und auch in der Öffentlichkeit gab es viele, die Pluto weiter als Planet sehen wollten. So wurde also eine neue Gruppe von Himmelskörpern geschaffen: die Zwergplaneten. So wie die echten Planeten müssen auch sie groß genug sein, um rund zu sein. Aber sie brauchen ihre Umgebung nicht frei zu räumen; sie dürfen auch mitten unter Asteroiden ihre Bahn ziehen. Pluto, und mit ihm Ceres, Eris, Haumea und Makemake, bildeten nun also die neue Gruppe der Zwergplaneten.
Natürlich haben die Diskussionen seitdem nicht aufgehört. In Amerika werden Resolutionen verabschiedet, die Pluto wieder zum Planeten machen, es gab Demonstrationen um Pluto wieder zum Planetenstatus zu verhelfen und es wurden Bücher geschrieben um Plutos Sache zu unterstützen.
Aber Pluto ist zu Recht kein Planet mehr. Hätte man Pluto z.B. erst 2003 entdeckt und nicht 1930, dann hätten wir uns den ganzen Ärger sparen können; dann wäre Pluto vermutlich nie als Planet eingestuft worden. Denn außer seiner Größe unterscheidet er sich nicht wirklich von den Asteroiden in seiner Umgebung. Es gibt sogar eine eigene Gruppe von Asteroiden, die nach ihm benannt sind: die Plutinos. Hier sind sie:
Auf der horizontalen Achse ist die Entfernung von der Sonne aufgetragen; auf der vertikalen Achse ist die Neigung der Bahn gegenüber der Erdbahn angezeigt. Die Größe der Kreise gibt die Größe der Asteroiden an und die Striche links und rechts zeigen, wie stark elliptisch die Bahn ist; also wie nahe der Asteroid der Sonne kommt und wie weit er sich von ihr entfernt. Man sieht sofort, das Pluto kein einzigartiges Objekt ist sondern Teil einer ganzen Asteroidengruppe mit ähnlichen Bahneigenschaften. Man sieht auch, dass all diese Asteroiden sich annähernd im gleichen Abstand von der Sonne befinden; bei knapp 39 Astronomischen Einheiten. Das ist kein Zufall; dass ist die Position der 2:3 Resonanz mit Neptun (d.h. dass sie die Sonne zweimal umrunden während Neptun 3 Umkreisungen macht). Pluto ist also das größte Objekt einer Gruppe von Himmelskörpern mit gleichen Eigenschaften. Bis auf die Masse unterscheidet er sich kaum von ihnen. Nun kann man darüber streiten, ob man eine eigene Klasse für “große Asteroiden” definieren muss und ob man die dann “Zwergplaneten” nennen will. Wissenschaftlich gesehen macht das – zumindest meiner Meinung nach – nicht allzuviel Sinn. Natürlich ist es interessant zu wissen, welche der Asteroiden groß genug sind, um rund zu sein und insofern ist eine eigene Gruppe durchaus gerechtfertigt. Aber sie dann auch noch offiziell “Zwergplaneten” ist dann eher wieder verwirrend weil dadurch indirekt der Planetenbegriff wieder aufgeweicht wird (Auf die noch viel unsinnigere Klasse der Plutoiden will ich hier gar nicht mehr eingehen).
Pluto bleibt spannend!
Aber was ist mit den Gefühlen der Öffentlichkeit? Es muss ja nicht immer alles so streng wissenschaftlich zugehen; wenn die Menschen sich schon so an Pluto den Planeten gewöhnt haben, dann muss man ihnen das ja nicht wegnehmen, oder? Naja… hier sind zwei Dinge wichtig. Wissenschaft kann sich nicht nur nach den Vorlieben der Gesellschaft richten. Wenn jetzt plötzlich die Menschen wollten, dass wir Jupiter nicht mehr als Planet sondern als kleinen Stern bezeichnen (wir haben ja alle “2010” gesehen 😉 ), sollen die Astronomen dann ihre Definition von “Stern” ändern? Wissenschaft ist halt nicht statisch; neue Erkenntnisse bringen Änderungen. Als 1801 der Asteroid Ceres entdeckt wurde, hat man ihn auch zuerst jahrelang als neuen Planeten bezeichnet und es gab große Streitereien bis man sich dann, nach der Entdeckung von vielen neuen Hauptgürtelasteroiden, entschlossen hat, ihn nicht mehr als Planeten zu führen.
Und dann werden Pluto und seine kleinen Kollegen ja um nichts weniger interessant, wenn sie nicht mehr “Planet” heissen sondern anders. Im Moment sind zwei Raumsonden unterwegs, die sich explizit der Erforschung der Zwerplaneten verschrieben haben: 2015 wird Dawn den Asteroiden/Zwergplaneten Ceres erreichen und ebenfalls 2015 fliegt New Horizon an Pluto vorbei und wir werden das erste Mal detaillierte Bilder von ihm erhalten. Und auch jetzt wird Pluto nicht vernachlässigt – wir lernen immer wieder Neues über den Zwergplaneten und er ist faszinierend wie nie zuvor.
Für die Astronomen ist es egal, welches Label Pluto nun trägt. Wir wollen einfach so viel möglich über ihn herausfinden. Als wir ihn noch “Planet” nannten, war er interessant und das ist er auch jetzt noch, als Zwergplanet bzw. als großer Asteroid. Es gibt keinen Grund, sich über Plutos “Degradierung” zu ärgern. Er wurde nicht “herabgestuft”. Wenn man es genau nimmt, ist er nun, als einer der größten Zwergplaneten bzw. Asteroiden besser dran als früher, als er noch der kleinste Planet war 😉
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