Wer mein Blog regelmäßig verfolgt, der weiß dass ich nicht nur ein großer Fan wissenschaftlicher Öffentlichkeitsarbeit bin sondern besonders stark dafür eintrete, Kinder mit Wissenschaft in Kontakt zu bringen. Deswegen finde ich Aktionen wie die Kinderuni in Wien sehr gut. Seit gestern kümmern sich hunderte Wissenschaftler der Uni Wien darum, dass die Kinder in den nächsten Wochen an der Universität ein interessantes Programm erleben und aus erster Hand erfahren können, wie cool und spannend Wissenschaft ist. Wie gesagt – ich finde sowas toll. Weniger toll ist es dann allerdings, wenn man den Kindern dort statt Wissenschaft pseudomedizinischen Unsinn vorsetzt…
Gerade wenn es um die Medizin geht, ist Pseudowissenschaft mittlerweile schon fast unverrückbar fest in der Gesellschaft verankert. 84 (!) Prozent der Deutschen benutzen Homöopathie oder können sich vorstellen sie in Zukunft zu benutzen – das ist erschreckend; auch wenn die meisten davon wohl nicht wissen, was Homöopathie wirklich ist und den Kram für “sanfte Pflanzenmedizin” halten.. Und warum auch nicht – das Zeug hat ja sogar schon die Universitäten und Krankenkassen erobert. Ok – in den letzten Tagen hat sich zumindest ein bisschen was bewegt und Politiker und Medien trauen sich, ein wenig Kritik zu üben. Aber bei all der Unterstützung die Homöopathie in der Gesellschaft findet war es leider nicht verwunderlich, dass es 2008 auch Vorlesungen über Homöopathie an der Kinderuni gab. Klar – mit der Propaganda kann man nie früh genug anfangen…
Homöopathie fndet man im Programm der Kinderuni diesmal netterweise nicht. Dafür wird den Kleinen alles über die “Traditionelle Chinesische Medizin” erzählt:
“Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) ist mit einer fast 5.000-jährigen Geschichte eines der ältesten medizinischen Systeme der Welt. Krankheiten werden im Gegensatz zur westlichen Medizin nach einem ganzheitlichen Prinzip diagnostiziert und behandelt. Wie das funktioniert, erfährst du in diesem Seminar!”
Schade das ich nicht in Wien bin. Mich würde nämlich wirklich mal interessieren, was es mit dieser “Ganzheitlichkeit” auf sich hat. Was genau ist denn nun bei TCM (oder Homöopathie oder wo immer sonst dieses Wort noch verwendet wird) so wahnsinnig “ganzheitlich”? Und was ist an der “westlichen Medizin” nicht ganzheitlich? Ernsthaft – das verstehe ich nicht. Die schlimme Schulmedizin aus dem Westen kennt den Körper und seine Organe mittlerweile bis ins letzte Detail. Man hat den Körper untersucht; seine Bestandteile, man weiß, wie sie kaputtgehen können und man weiß sehr oft, wie man sie wieder repariert. Man weiß, wie die einzelnen Teile zusammenarbeiten; sich aufeinander auswirken; man weiß was die verschiedenen Prozesse im Körper zu tun haben und man weiß, wie sich geistige Prozesse auf den Körper auswirken. Man weiß, was passiert, wenn man dem Körper verschiedenste Stoffe zuführt und… man weiß einfach enorm viel. Man kennt den Körper und sein Funktionieren in allen Detauls und in seiner Gesamtheit. Recht viel “ganzheitlicher” als die moderne Medizin kann man kaum sein. Ist es “ganzheitlich” wenn man alle Vorgänge im Inneren des Körpers ignoriert und einfach nur Symptome abfragt so wie in der Homöopathie? Ist es “ganzheitlich” wenn man Jahrzehnte medizinischer Forschung ignoriert und sich stattdessen auf nichtvorhanden Phänomene wie “Meridiane” oder “Qi” beruft wie in der TCM? Ehrlich – was ist “ganzheitlich” an der “Alternativmedizin”?
Aber was reg ich mich auf – so wie Homöopthie lohnt es sich ja auch fast nicht mehr, die TCM zu kritisieren. Immerhin wird die ja auch an der medizinischen Uni in Wien hochoffiziell gelehrt:
“Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) erfreut sich neben der klassischen Schulmedizin großer Beliebtheit bei den ÖsterreicherInnen. Die MedUni Wien reagiert auf diesen Trend und bietet als erste österreichische Universität ab dem Wintersemester 2010/11 einen postgraduellen Lehrgang in TCM.”
Genau! Ich werd meinen Kollegen von der Unisternwarte in Wien mal Bescheid sagen. Astrologie erfreut sich ja auch großer Beliebtheit bei den ÖsterreicherInnen. Da sollten es mindestens auch einen postgraduellen Astrologie-Lehrgang geben! Oder sollte man die Lehr- und Forschungsgebiete einer Universität vielleicht doch nach ihrer Wissenschaftlichkeit aussuchen und nicht nach dem, was grade in Mode ist? (TCM an der Uni gibts übrigens auch in Hamburg)
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