Der “Monsterstern” macht gerade die Runde durch die Medien. Die Schlagzeile der dpa-Meldung – “Monsterstern ist millionenfach heller als Sonne” – war wohl zu verlockend um nicht von den meisten Zeitungen (mitsamt der Meldung) einfach abgeschrieben zu werden. Aber der “Monsterstern” ist nicht nur für reißerische Schlagzeilen gut. Dahinter steckt auch jede Menge spannende Wissenschaft.
Auch wenn uns unsere Sonne recht groß vorkommt – im Vergleich mit ihren kosmischen Kollegen ist sie relativ klein (und wird offiziell auch als “gelber Zwergstern” klassifiziert). Über die große Vielfalt an Sternen, die es da draußen so gibt, habe ich erst kürzlich einen Artikel geschrieben. Dazu gehören auch viele, sehr große bzw. sehr schwere Sterne. Je schwerer aber ein Stern ist, desto heißer ist er auch. Und je heißer er ist, desto schneller verbrennt er das Material aus dem er besteht. Während unsere Sonne einige Milliarden Jahre leben wird schaffen es die großen Stern gerade einmal ein paar Millionen Jahre (oder noch weniger) – und sind daher auch sehr schwer zu entdecken.
In der Hinsicht haben die Astronomen aber in letzter Zeit eine Glückssträhne. Erst letzte Woche hat man tolle Bilder von einem Riesenstern gemacht, der gerade in seiner Entstehungsphase ist. Und nun fand man einen Stern, der so schwer ist, wie keiner zuvor! So schwer, wie man eigentlich dachte, dass Sterne gar nicht werden können…
Entdeckt haben den neuen Rekordhalter Astronomen aus England, Deutschland, Japan und Malaysien, unter der Führung von Paul Crowther von der Uni Sheffield. Ihr Artikel, der in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society veröffentlicht wurde trägt den Titel: “The R136 star cluster hosts several stars whose individual masses greatly exceed the accepted 150 M⊙ stellar mass limit” und darin sind die wichtigsten Infos eigentlich schon enthalten. Es wurde der Sternhaufen “R136” untersucht. Der liegt außerhalb unserer Milchstrasse; in der “Großen Magellanschen Wolke”; etwa 165000 Lichtjahre entfernt. Dort fand man einige Sterne, die vermutlich deutlich schwerer sind als 150 Sonnenmassen. Und da man bisher dachte, dass Sterne eigentlich nicht wirklich viel schwerer werden können als 150 Sonnenmassen ist das doch eine recht spannenden und überraschende Entdeckung!
Denn wie gesagt: je schwerer ein Stern desto heißer. Und je heißer, desto stärker ist auch der Druck der Strahlung, die in ihm entsteht. Irgendwann ist dieser Druck so groß, dass die Gravitation dem nichts mehr entgegenzusetzen hat und der Stern auseinandergerissen wird. Aber was wirklich in so großen Sternen vorgeht, ist noch relativ unklar. Sie sind ja auch äußerst kurzlebig und man hat noch nicht wirklich viele davon gefunden um ausreichend Daten zu haben. Vielleicht gibt es ja auch schwerer Sterne aber weil sie so kurz nach ihrer Entstehung schon wieder ausgebrannt sind haben wir einfach noch keinen entdeckt? Und nicht überall in den Sternentstehungsgebieten sind die Bedingungen so, dass so ein großer Stern überhaupt entstehen könnte. Wenn, dann ist das sowas nur in den jüngsten, kompaktesten, massivsten Sternhaufen möglich. Um herauszufinden, ob die Obergrenzen von 150 Sonnenmassen nun eine physikalische ist oder nur eine statistische haben Crowther und seine Kollegen genau solche Sternhaufen untersucht.
Einmal war das NGC 3603; ein offener Sternhaufen in unserer Milchstrasse; 22000 Lichtjahre entfernt. Und dann hat man auch im schon oben erwähnten Haufen R136 in der großen Magellanschen Wolke gesucht. Damit man die Sterne auch in ausreichender Genauigkeit analysieren konnte, verwendete man das Very Large Telescope der europäischen Südsternwarte ESO. Damit hat man auch die Spektren der Sterne untersucht – denn wenn man nachsieht, wieviel Licht ein Stern in einem bestimmten Wellenbereich aussendet, kann man damit auf seinen Spektraltyp schließen, daraus auf seine Temperatur und schließlich, mit der Hilfe von theoretischen Sternentstehungsmodellen, auf seine Masse, Größe und Leuchtkraft.
In NGC 3603 haben die Forscher ein Doppelsternsystem neu untersucht und die bisher schon hohe Masse dieser Sterne nochmal nach oben korrigiert: sie sind offensichtlich schon mit 150 Sonnenmassen entstanden; also genau an der bisherigen Obergrenze. Bei R136 fand man nun sogar Sterne, die deutlich mehr als 150 Sonnenmassen haben. Der Rekordhalter ist R136a1 der 265 Sonnenmassen auf die Waage bringt. Das ist allerdings das aktuelle Gewicht – und im Gegensatz zu Menschen werden Sterne im Laufe ihres Lebens immer leichter. Und da schwere Sterne so heiß brennen schaffen sie es enorm schnell enorm viel Gewicht zu verlieren (da der Stern so heiß brennt, gibt es dort extrem starke Sternwinde, die Material ins All blasen). Bei seiner Geburt hatte R136a1 vermutlich 320 Sonnenmassen – er hat also in den wenigen Millionen Jahren seiner Existenz schon ein Fünftel seiner Masse verbrannt verloren!
Theoretisch würde auch die Möglichkeit bestehen, dass es sich bei diesen überschweren Sternen nicht um einzelne Objekte handelt sondern um sehr enge Doppelsterne, die man im Teleskop nicht trennen konnte. Dann wären die Doppelsternkomponenten leichter und noch innerhalb der bisherigen Grenzen. Aber auch diese Möglichkeit haben die Forscher um Crawther untersucht und sind zu dem Schluß gekommen, dass man das weitesgehend ausschließen kann. In weiteren Simulationen haben sie auch probiert herauszufinden, wie schwer nun Sterne in solchen speziellen Sternentstehungsgebieten tatsächlich werden können – es liegt in der Nähe von 300 Sonnenmassen – R136a1 scheint also wirklich das schwerste zu sein, was man so finden konnte.
Und nun wird es langsam Zeit, dass wir uns den “Monsterstern” einmal ansehen. Hier ist ein Größenvergleich:
Das ist wirklich ein ordentlich großer Stern! Würde man unsere Sonne durch R136a1 ersetzen, dann, würde dessen Schwerkraft die Bewegung der Erde so stark beschleunigen, dass wir statt einem Jahr nur noch 3 Wochen für eine Umkreisung brauchen. Außerdem wäre die Strahlung so stark, dass auf der Erdoberfläche kein Leben mehr möglich wäre – der Stern würde auch bis fast an die Erdbahn heranreichen.
Übrigens: auch wenn R136a1 der schwerste Stern ist; ist er nicht der größte. Den Rekord hält immer noch VY Canis Majoris der zwar nur 30 bis 40 Sonnenmassen hat, aber einen Radius hat, der 2000 Mal größer ist als die der Sonne (das liegt daran, dass VY im Gegensatz zu R136a1 kein stabiler, “lebendiger” Stern mehr ist sondern schon zu einem roten Riesn wurde und sich dabei extrem stark ausgedehnt hat).
Paul A Crowther, Olivier Schnurr, Raphael Hirschi, Norhasliza Yusof, Richard J Parker, Simon P Goodwin, & Hasan Abu Kassim (2010). The R136 star cluster hosts several stars whose individual masses
greatly exceed the accepted 150 Msun stellar mass limit MNRAS arXiv: 1007.3284v1
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