Wenn man heute die Bewegung von Himmelskörpern simulieren will dann geht das relativ einfach. Ob man nun die Dynamik von extrasolaren Planeten untersucht oder die von Asteroiden – ein normaler PC und ein paar simple Programme reichen aus, um gute Ergebnisse zu bekommen. Das war nicht immer so…
Ich selbst habe für meine Diplomarbeit noch an großen DEC-Rechnern gearbeitet und tatsächlich VMS gelernt und bin sogar noch mit Mosaic im Internet gesurft – und das ist gerade erst mal 13 Jahre her. Davor gab es noch größere und schlechter zu bedienende Rechner und ich kenne noch genug Leute, die mit Lochkarten programmiert haben. Und es ist noch gar nicht so lange her, dass Wissenschaftler überhaupt keine Computer benutzen konnten. Trotzdem wollten sie Probleme lösen, ohne Unmengen an Rechnungen per Hand durchführen zu müssen.
Eines dieser Probleme ist die gravitative Wechselwirkung von Galaxien. Wenn zwei Galaxien sich annähern und miteinander kollidieren: was passiert dann? Um das herauszufinden, muss man jede Menge Sterne und deren wechselseitige gravitative Anziehung berechnen. Und selbst wenn man in jeder Galaxie nur 100 Sterne hat, dann sind das schon 40000 Kräfte, die man ausrechnen muss – für jeden einzelnen Zeitschritt! In der Realität sind in einer Galaxie aber viel mehr Sterne…
Heute ist es einfach, solche Galaxienkollisionen zu berechnen (obwohl es natürlich immer noch nicht trivial ist, solche Rechnungen tatsächlich durchzuführen – wer möchte, kann sich hier ein entsprechendes Programm ansehen und runterladen). Ich habe sowas damals in einem Praktikum während des Studiums gemacht. Aber wie simuliert man die Interaktion von Galaxien, wenn man keine Computer hat? Der schwedische Astronom Erik Bertil Holmberg hatte sich 1941 genau diese Frage gestellt. Und eine äußerst geniale Lösung gefunden!
Holmberg benutzte jeweils 37 Glühbirnen um die Konfiguration von Sternen in einer Galaxie zu darzustellen. Die Lichtstärke der Birnen wurde so gewählt, dass sie die proportional zum Gravitationspotential der Galaxie sind. Und anstatt jetzt mühsam für jeden Zeitschritt die gravitativen Kräfte auszurechnen, hat Holmberg einfach gemessen! Mit einem Photometer – denn auch die Intensität des Lichts fällt mit dem Quadrat des Abstands; genauso wie die Gravitation. Holmberg konnte also in seinem Modell die Lichtintensität messen und daraus bestimmen, welche gravitative Beschleunigung an einem bestimmten Punkt wirkt und die Glühbirnen entsprechend bewegen. Sein Modell war natürlich äußerst simpel und funktionierte nur in zwei Dimensionen – aber er war trotzdem der erste, der untersuchen konnte, wie Galaxien wechselwirken.
Seine Ergebnisse sahen zum Beispiel so aus:
Links sieht man die beiden Glühbirnengalaxien in der Ausgangskonfiguration und rechts das, was sich bei der Kollision der Galaxien ergibt. Man erkennt deutlich, dass sich Spiralarme herausgebildet haben – die aber eigentlich keine echten Spiralarme sind sondern Auswirkungen der Gezeitenkräfte zwischen den Galaxien. Holmberg selbst dachte damals allerdings, dass es sich tatsächlich um Spiralarme handelt, die gerade entstehen. Er dachte außerdem, dass er mit seinen Simulationen zeigen konnte, dass Galaxien sich auf diese Weise zu Galaxienhaufen zusammenfinden können; dass also Galaxien, die sich auf die richtige Arte und Weise treffen einander umkreisen. Erst Jahrzehnte später konnten Holmbergs Arbeiten auf modernen Computern wiederholt werden und seine Ergebnisse bestätigt bzw. korrigiert werden. Heute wissen wir z.B. dass die Galaxienhaufen eher nicht durch gravitativen Einfang von Galaxien entstehen. Aber um das herauszufinden, braucht es eben viel mehr Simulationen als Holmberg damals durchführen konnte.
Numerische Simulationen von Galaxien mit 74 Massepunkten erscheinen aus heutiger Sicht natürlich lächerlich. Aber in einer Zeit, in der Computer noch nicht wirklich existierten haben, Holmberg eine äußerst geniale und absolut nicht lächerliche Lösung für ein astronomisches Problem gefunden!
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