Wenn wir etwas in die Luft werfen, dann fällt es wieder herunter. Je schneller man es wirft, desto weiter nach oben fliegt es und werfen wir es schnell genug, dann fällt es nicht mehr hinunter sondern um die Erde herum – es ist in einem Orbit. Und wenn wir das Ding noch schneller machen, dann kann es nichtmal mehr von der Erde gehalten werden und es entfernt sich von der Erde. Aber wie weit reicht denn nun eigentlich der Einfluss der Erde? Es gibt ja auch noch andere Himmelskörper, die Gravitationskraft ausüben. Zum Beispiel die Sonne. Die ist immerhin mehr als dreihunderttausend Mal schwerer als die Erde – trotzdem umkreisen Satelliten, Space-Shuttles, Astronauten, die Raumstation und der Mond die Erde und nicht direkt die Sonne. Das liegt daran, dass sie näher an der Erde sind als an der Sonne und die geringere Distanz die kleinere Masse ausgleicht. Das Zusammenspiel von Abstand und Masse und dessen Auswirkung auf die Gravitationskraft hat Ende des 19. Jahrhunderts der amerikanische Mathematiker George William Hill untersucht. Das Ergebnis seiner Arbeit nennen wir deswegen heute “Hill-Sphäre”.

Diese Hill-Sphäre eines Himmelskörpers ist der Raum, in dem seine Gravitatiationskraft stärker ist also die Gravitationskraft eines anderen, schwereren Körper den er umkreist. Es ist also der Bereich, in dem sich Monde und Satelliten befinden können. Um die äußere Grenze der Hill-Sphäre zu berechnen, muss man die Gravitationskräfte der beiden Himmelskörper und die Zentrifugalkraft berücksichtigen. Die exakte Ableitung ist kompliziert – und wirklich “exakt” kann die Formel auch nicht sein solange man nicht auch die nichtgravitativen Kräfte (z.B. den Jarkowski-Effekt) berücksichtigt. Aber in guter Näherung lässt sich der Hill-Radius so beschreiben:

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Hier ist a die große Halbachse der Bahn des kleineren Körpers um den größeren – also der mittlere Abstand zwischen ihnen. m ist die Masse des kleineren Objekts und M die Masse des größeren. Hier ein Beispiel: Die Erde hat eine Masse von etwa m = 6 ·1024 und die Sonne von M = 2 ·1030 kg. Die große Halbachse der Erdbahn ist 150 ·109 m lang. Damit erhält man einen Wert für den Radius der Hill-Sphäre von 1,5 Millionen Kilometern. Unser Mond befindet sich also weit innerhalb des Hill-Radius – er ist ja nur knapp 400000 Kilometer von der entfernt.

Ein anderes nettes Beispiel das in diesem Zusammenhang oft gebracht wird, ist der Astronaut, der das Space-Shuttle umkreist. Oder auch nicht – denn man kann sich leicht ausrechnen, dass sowas nicht klappt. Ein Shuttle wiegt in etwa 100000 kg; es befindet sich in seinem Orbit etwa 6700 Kilometer vom Erdmittelpunkt entfernt – sein Hill-Radius beträgt dann nur 1,2 Meter. Ein Astronaut der sich außerhalb des Shuttles aufhält ist also immer auch außerhalb der Hill-Sphäre des Shuttles. Er wird also das Shuttle nicht umkreisen sondern gemeinsam mit dem Shuttle die Erde weil deren Anziehungskraft stärker ist. Aber vielleicht klappt es mit dem Mond? Der hat ja weniger Masse als die Erde… Aber auch hier klappts nicht. Hier wird der Hill-Radius auch nicht wirklich größer denn man befindet sich ja auch näher am Massenzentrum des Mondes. Würde das Shuttle allerdings nicht zum Mond fliegen sondern einfach nur so knapp 400000 Kilometer ins leere All, dann wäre die Kraft der Erde schwach genug; der Hill-Radius beträgt nun etwa 70 Meter und ein Astronaut könnte tatsächlich sein Shuttle umkreisen.

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Astronaut im Orbit um die Erde (nicht ums Shuttle)

Wer selbst ein wenig herumspielen will: hier gibt es einen netten Onlinerechner. Man kann zum Beispiel nachsehen, wie nahe das Erde-Mond-System der Sonne kommen kann, ohne das es auseinander gerissen wird. Würde die große Halbachse der Erdbahn nicht eine Astronomische Einheit (150 Millionen Kilometer) lang sondern nur 0.25 AE (damit wäre sie näher an der Sonne als Merkur), dann wäre der Hill-Radius der Erde nur noch 370000 Kilometer groß und der Mond läge außerhalb davon. Er würde dann nicht mehr die Erde umkreisen.


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Kommentare (10)

  1. #1 Philipp
    18. August 2010

    Vielen Dank für den Link auf den Onlinerechner. Der Unterschied zwischen meiner Vorstellung von so einem Rechner, bevor ich auf den Link geklickt habe und dem tatsächlichen Rechner hat mir doch ganz eindeutig klar gemacht, dass mein Kenntnisstand mir nahe legt, lieber alles da kreisen zu lassen, wo es ist, und ich die experimentelle Kosmologie doch lieber den Experten überlassen sollte 😉

  2. #2 JerseyRyan
    18. August 2010

    Moment… ein Astronaut kann ab 400.000 km einen Orbit um sein Shuttle fliegen. Komplett mit Apo- und Perigäum? Würde das nicht bedeuten, dass bei ausreichend niedriger Geschwindigkeit des Astronauten (relativ zum Shuttle) das Perigäum so niedrig ist, dass er auf sein Shuttle “abstürzt”?

    Das würde doch bedeuten, dass wenn ein Astronaut bei einer EVA stillsteht, er von dem Shutlle angezogen wird, er also auf der Oberfläche des Shutlles mit sehr geringer Schwerkraft laufen könnte, ja vielleicht sogar minimale Sprünge absolvieren könnte, oder nicht? Während ein Sprung von der Shuttleoberfläche im Erdorbit also dazu führen würde, dass er ins All treibt, würde ein Sprung in 400.000 km Entfernung dazu führen, dass er wieder zum Shuttle zurückkehrt. Vermutlich dürfte er zum Springen aber nur seinen großen Zeh verwenden…

    Wie sieht dann eigentlich die Gravitation im inneren des Shuttles aus?

    Oder ist mein Post großer Bullshit? Helft mir mal, ich hab keine Ahnung von Astronomie… :-S

  3. #3 Lichtecho
    18. August 2010

    Schöner Beitrag! Ich finde nur den Halbsatz “… trotzdem umkreisen Satelliten, Space-Shuttles, Astronauten, die Raumstation und der Mond die Erde und nicht die Sonne.” etwas missverständlich, denn natürlich umkreist alles was die Erde umkreist auch die Sonne.

    Es ist echt witzig sich vorzustellen, dass der Hill-Radius mit wachsender Erdentfernung wächst und so nur ein interplanetarisches Raumschiff ein echtes Gravitationszentrum sein kann. Bei Stanislaw Lem gibt es ja auch so eine schöne Ijon Tichy-Geschichte, in der mit der Zeit immer mehr Zeugs um das Raumschiff kreist. Ein Eindruck vermittelt schon die Startseite zur Fernsehserie: https://www.ijontichy.de/

  4. #4 Florian Freistetter
    18. August 2010

    @jerseyryan: “Das würde doch bedeuten, dass wenn ein Astronaut bei einer EVA stillsteht, er von dem Shutlle angezogen wird, er also auf der Oberfläche des Shutlles mit sehr geringer Schwerkraft laufen könnte,”

    Naja – fürs laufen wird die Schwerkraft wohl nicht reichen.

    “Während ein Sprung von der Shuttleoberfläche im Erdorbit also dazu führen würde, dass er ins All treibt, würde ein Sprung in 400.000 km Entfernung dazu führen, dass er wieder zum Shuttle zurückkehrt.”

    @Lichtecho: Hmm, ja, das war nicht ganz sauber formuliert. Hab noch ein Wort zur Klärung eingefügt.

    Müsste man erst nachrechnen, aber ich denke, die Fluchtgeschwindigkeit des Shuttles ist so minimal das man sie mit einem Sprung locker erreicht – man würde nach einem Sprung also nicht zurückkehren.

  5. #5 JerseyRyan
    18. August 2010

    Okay, hab mal n bissl rumgerechnet. Eher schlecht als recht. Korregiert mich, wenn ich falsch rechne. Hab einfach mal versucht ne theoretische Umlaufgeschwindigkeit zu ermitteln. Mit…

    v = sqrt((G * M(Shuttle)) / r)

    Dabei hab ich M(Shuttle) = 100.000 kg und r = 30 m gesetzt.

    Heraus kommt dabei etwa 0,47 mm/s… nicht gerade ne Rekordgeschwindigkeit. Der Astronaut müsste also etwas Geduld mitbringen^^

    Unter den Gesichtspunkten seh ich ein, dass das mit dem Laufen eher nix wird. Und springen… naja, wie gesagt, so lange der Astronaut einen Anzug anhat, der es ihm erlaubt sich nur mit dem großen Zeh abzustoßen, könnte es vielleicht funktionieren.

    Jay! Space Shuttles mit Schwerkraft! Von den Möglichkeiten wird mir ja ganz schwindelig 😀

  6. #6 rauskucker
    18. August 2010

    @ Lichtecho, @ Florian
    Ja, an Tichys Schraubenschlüssel habe ich auch gleich gedacht 🙂

    Und ja, auch der Mond umkreist die Sonne, und zwar auf einer jederzeit nach innen gekrümmten (konkaven) Bahn. Die Bewegung um die Erde bringt nicht etwa Schleifen hervor, sondern nur leichte Dellen (von außen betrachtet.)

    Kann es nicht sein, daß es mit dem Astronauten am Shuttle sich genauso verhält? Er sich also eben doch allmählich um dieses dreht und beide zusammen um die Erde? Ich vermute, daß dieses aber auch von der Reibung in der Restatmosphäre in 400 km Höhe verhindert würde. Wenn er näher an der Erde ist, wird er stärker abgebremst und stürzt irgendwann runter.

    Abgesehen davon: Gedenkminute für den Astronauten, der sich für das Experiment zur Verfügung stellte.

  7. #7 Jeuner
    19. August 2010

    Danke, für den interessanten Artikel. Wie groß müsste denn die Masse eines Raumschiffs sein, dass man drauf spazieren gehen könnte, bei 150kg Körpergewicht?

  8. #8 ares
    19. August 2010

    issja witzig, kannte ich noch gar nicht.

    mal wieder etwas dazugelernt. *schick*

    danke:)

  9. #9 tek
    19. August 2010

    @rauskucker: “Abgesehen davon: Gedenkminute für den Astronauten, der sich für das Experiment zur Verfügung stellte.”

    Welcher Astronaut und vorallem, welches Experiment?
    Habe etwas gesucht, aber konnte nichts finden.

  10. #10 Michael Khan
    26. August 2010

    Ein anderes nettes Beispiel das in diesem Zusammenhang oft gebracht wird, ist der Astronaut, der das Space-Shuttle umkreist. Oder auch nicht – denn man kann sich leicht ausrechnen, dass sowas nicht klappt.

    Moment mal. Ein Astronaut kann sehr wohl ein Shuttle “umkreisen” oder genauer gesagt, umfliegen – eine echte Kreisbewegung wird es nicht sein. Ebenso wie das Shuttle auch die ISS “umfliegen” kann, aka Station Flyaround, siehe auch hier:

    Gut, das ist keine Keplerbahn, es handelt sich nicht um eine durch die Massenanziehungskraft zwischen ISS und Shuttle bzw. zwischen Shuttle und Astronaut bestimmte Bahn. Beide Objekte sind dabei nach wie von auf (annähernd Kepler-)Bahnen um die Erde.

    Eine solche scheinbare Umkreisung lässt sich erzielen, wenn der eine Körper (Shuttle) sich auf einer Kreisbahn um die Erde, der andere (ISS) sich auf einer leicht exzentrischen Bahn gleicher Periode befindet. Wichtig ist, dass das Perigäum der leicht exzentrischen Bahn etwas unterhalb, das Apogäum sich oberhalb der Bahnhöhe des anderen Körpers liegt.

    Im Fall von Shuttle und ISS wäre die Situation im Perigäum so, dass der Shuttle in seinem Perigäum schneller fliegt als die ISS und deswegen die ISS “auf der Innenbahn”, also etwas tiefer, überholt. Dann bewegt sich der Shuttle vom Perigäum weg und wird dabei langsamer. Wenn er die ISS-Bahn kreuzt, sind die Bahngeschwindigekeiten beider Körper gleich. Dann erreicht der Shuttle das Aopgäum und ist dabei langsamer als die ISS, die ihn nun wiederum auf der Innenbahn überholt.

    So kommt tatsächlich eine scheinbare Umkreisung zustande, die im Falle von ISS und Shuttle genau eine Bahnperiode dauert – also etwas mehr als anderthalb Stunden. Es gibt keinen Grund, warum das nicht auch mit Shuttle und ISS ginge, denn die Anziehungskraft zwischen beiden Körpern ist für das Manöver unerheblich.

    Faszinierend, oder? Was sich nicht alles mit der Bahnmechanik anstellen lässt.