Wer die Universitätssternwarte in Jena schon einmal besucht hat, der wird sich vielleicht über die seltsame Plattform mittem im Sternwartegarten gewundert haben. Viele haben das Ding ja tatsächlich für einen Hubschrauberlandeplatz gehalten. Aber einen eigenen Diensthubschrauber können sich Astronomen leider selten leisten.
Nein, hinter, bzw. besser gesagt unter dieser Plattform steckt eine viel interessantere Geschichte. Denn aus dem Loch, dass von der Plattform bedeckt wird, wollte man früher einmal die Sterne beobachten…
Im Jahr 1900 wurde Otto Knopf der Nachfolger des bisherigen Sternwartendirektors Ernst Abbe. Abbe hat sich aber weiter am astronomischen Leben in Jena beteiligt und ein Projekt vorgestellt, bei dem man mit einem Zenitfernrohr die Schwankungen der Erdachse bestimmt.
Wie der Name schon sagt beobachtet man mit einem Zenitteleskop Sterne, die im Zenit – das ist der Punkt genau über dem Beobachter – stehen. Die Lotrichtung lässt sich durch solche Messungen sehr genau bestimmen. Und man kann feststellen, wenn die Lotrichtung im Laufe der Zeit schwankt – denn genau das passiert, wenn die Erdachse ihre Position ändert. Das sie das tut, war bekannt. Schon in der Antike wusste man beispielsweise um die Präzessionsbewegung der Erdachse; eine Schwankung mit einer Periode von 26000 Jahren. Aber es gibt noch andere Einflüsse die Schwankungen auf kürzeren Zeitskalen hervorrufen: zum Beispiel die durch den Mond verursachte Nutation die eine Periode von etwa 19 Jahren hat.
Um diese Thematik genauer zu untersuchen, wollte Abbe nun ein Zenitteleskop aufstellen. Und zwar in einem tiefen Loch. Warum denn das, könnte man nun fragen. Normalerweise bemühen sich die Astronomen, ihre Teleskop irgendwo auf hohen Bergen aufzubauen – und dann kommt Abbe und will das Ding in ein Loch stellen? Was bringt das?
Nun, erstmal hat die ganze Geschichte nicht mit dem Mythos zu tun, man könne vom Grund eines Brunnens aus auch am Tag Sterne sehen. Das ist Unsinn. Der Grund ist hier ein geologischer. Um die Veränderung der Lotrichtung und damit die Schwankungen der Erdachse so genau wie möglich messen zu können, sollte das Teleskop natürlich selbst nicht wackeln. Selbst kleinste Ungenauigkeiten könnten hier bei der Messung Schwierigkeiten machen. Es ist also enorm wichtig, ein möglichst stabiles Fundament zu finden. Und das gab es glücklicherweise; nur ein paar Meter unter der Erdoberfläche. Dort verläuft eine große Sandsteinplatte; einige hundert Meter dick: die sogenannte Saale-Ilm-Platte. Also ein Fundament das ein paar hundert Meter dick ist und sich über ganz Thüringen erstreckt. Recht viel stabiler kanns kaum mehr werden…
Also grub man ein 10 Meter tiefes Loch; unten mit einem Durchmesser von fünf Metern. Der Schacht bekam einen Zugang vom Keller des Instituts und man baute ein Zenitfernrohr mit 30cm Öffnung auf. Und dann hätten die Beobachtungen losgehen können; eigentlich. Die ersten Versuche zeigten allerdings, dass die Luftturbulenzen im Schacht viel zu groß waren um vernünftig beobachten zu können. Man musste also einen Ventilator einbauen der die Luft im Schacht auf gleicher Temperatur hielt. Und dann brauchte man einen Beobachter, der gut genug war um die heiklen Messungen vornehmen zu können. Damals musste ja alles noch mit freiem Auge gemacht werden; die Fotografie hatte noch nicht wirklich Einzug in die Astronomie gehalten. Und dann war da ja immer noch das Loch. Dort war es kalt; die Luftfeuchtigkeit war hoch; man musste 62 Stufen hinabsteigen um erstmal am Teleskop anzukommen – und jedesmal, wenn man wieder zurück zum Institut wollte um etwas zu holen oder einfach nur mal schnell nachsehen wollte, ob vielleicht Wolken im Anmarsch sind: dann musste man die Stufen auch wieder nach oben. Also ziemlich unangenehme Arbeitsbedingungen – die dann auch der Grund dafür waren, dass das Projekt nie vollendet wurde. Denn erste vernünftige Ergebnisse hätte es ja frühestens nach 19 Jahren gegeben, wenn eine Periode der Nutation vollendet gewesen wäre.
Irgendwann später hat man das Loch wieder aufgefüllt und die Plattform als Deckel oben drauf gesetzt. Die Astronomen aus Jena haben sie dann noch mit einem netten Stern verziert (wer genau schaut, erkennt auch einen Planeten – GQ Lupi b 😉 ). Im September 2007 hatte die Uni sich dann wieder mal überlegt, was man mit so einem großen Loch anfängt. Es besteht ja auch die Gefahr, dass irgendwann alles zusammenkracht. Also hat man den Deckel mal aufgebrochen und ein bisschen reingekuckt.
Aber irgendwie konnte man sich zu keiner Entscheidung durchringen und das Loch ist immer noch da. Naja – zumindest hat man immer eine nette Geschichte, die man Besuchern erzählen kann 😉
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