Ich halte ja Öffentlichkeitsarbeit für einen äußerst wichtigen und integralen Bestandteil der Wissenschaft: man muss nicht nur neue Dinge herausfinden, man muss den Menschen dann auch von dieser Forschung erzählen. An vielen Universitäten und Forschungseinrichtungen ist Öffentlichkeitsarbeit aber eher Nebensache. Das machen dann die, die grad Lust dazu oder nichts Besseres vor haben. Aber manche Institute geben sich hier wirklich vorbildhaft Mühe. Zum Beispiel das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). In den DLR-Blogs schreiben die Wissenschaftler über die aktuellen Forschungsprojekte; hinter dem Twitter-Account sitzen Leute, die wirklich Ahnung davon haben, wie man dieses Medium richtig einsetzt; es gibt einen tollen Podcast und die Kinder- und Jugendplattform DLR_next hab ich ja hier schon mal extra erwähnt.
Um ein paar Details zur DLR Öffentlichkeitsarbeit gerade auch mit Blick auf jugendliche Zielgruppen zu erfahren, habe ich Dr. Volker Kratzenberg-Annies, den Vorstandbeauftragten für Nachwuchsförderung bei der DLR, gebeten, einen kleinen Gastbeitrag über seine Arbeit zu schreiben. Hier ist er:
Die Einladung von Florian Freistetter zu einem Gast-Blog lasse ich mir natürlich nicht entgehen. Auch wenn sich gerade einiges auf meinem Schreibtisch im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln stapelt. Womit wir schon mitten im Thema wären. Denn einer der Stapel, der sich da bedrohlich à la Pisa – gemeint ist der Turm und nicht die Studie – zu neigen beginnt, besteht aus Fragebögen. Die hatten wir in unseren DLR_School_Labs, den Schülerlaboren des DLR, an Jugendliche verteilt. In guter alter Papierform – doch, das gibt’s noch! Es musste eben alles schnell gehen … Wir wollten von den jungen Leuten wissen, wie ihnen DLR_next gefällt – unser neues Jugendportal. Design, Inhalte, Navigation und auch überhaupt der Gesamteindruck konnten mit Schulnoten bewertet werden. Die Kreuze sind mal wackelig und mal gerade, mit Bleistift, Kuli oder Filzschreiber gemacht, mal im Unterricht, im Schulbus oder zu Hause am Schreibtisch. Sie stammen von Jungen und Mädchen, manche 15, manche 18 Jahre alt, irgendwo zwischen Hamburg und Oberpfaffenhofen, Neustrelitz und Dortmund. Doch eines haben die Kreuze gemeinsam: Sie sitzen so gut wie immer ganz links, wo die Kästchen mit den Noten „eins” oder „zwei” stehen. Lediglich einige Kleinigkeiten werden da bemängelt, die wir nun noch abstellen werden. Viel Mühe haben sich die Vertreter der „next generation” gegeben – und interessante Wünsche, was sie in Zukunft gerne auch noch auf DLR_next lesen wollen. Auch daran arbeiten wir inzwischen …
Auch auf anderen Wegen meldet sich die Zielgruppe ziemlich euphorisch: „Ihr habt schönstes Sonnensystem der Welt!”, schrieb kürzlich ein Jugendlicher per Mail zu jenem Multimedia-Feature auf DLR_next, bei dem man per Klick virtuell zu fernen Planeten und Monden reisen kann. „Ich kann mich gar nicht sattlesen”, twittert ein anderer in dem Mikro-Blog, auf dem DLR_next natürlich auch vertreten ist.
Die Idee zu DLR_next lag auf der Hand: Wer junge Leute für Forschung und Technik begeistern will, muss im Web – ihrem Medium erster Wahl – altersgerecht präsent sein. Geradezu sträflich, wer solch attraktive Inhalte wie Luft- und Raumfahrt zu bieten hat und das nicht nutzen würde. Vor allem die Raumfahrt mit ihren multidisziplinären Bezügen gleich zu mehreren Naturwissenschaften – von Astrophysik über Exo-Biologie und Raumfahrtmedizin bis zu Materialwissenschaften und Robotik – eignet sich aller Erfahrung nach besonders gut als „Eisbrecher”, um ganz generell für Forschung zu werben.
Dabei geht es uns primär gar nicht um „werben” im eigentlichen Sinn. „To open their hearts and minds”, hatte mal ein früherer NASA-Chef das Ziel dortiger Education- und Outreach-Bemühungen formuliert, und das trifft es schon eher: Begeisterung wollen wir wecken, etwas von der „Faszination Forschung” vermitteln. Neben dem jungen Internet-Angebot tun wir das seit Jahren in unseren bereits erwähnten DLR_School_Labs. Weit über 100.000 Schülerinnen und Schüler haben hier schon an den verschiedenen Mitmach-Experimenten aktuelle Forschungsthemen des DLR kennengelernt. Nicht passiv zuhörend, sondern eben selbstständig und aktiv: in der Kölner Zentrifugenhalle, mit Mars-Rovern in Oberpfaffenhofen oder an und in Göttinger Windkanälen. Raketen bauen und starten in Lampoldshausen, Fluglotse spielen in Braunschweig, Planeten von Berlin aus erkunden – alles kein Problem. Auch an zwei befreundeten Hochschulen – der TU Dortmund und der TU Hamburg-Harburg – gibt es solche DLR_School_Labs. Wichtiger als der kognitive Kenntniszugewinn ist uns dabei: den Jugendlichen die Chance zu geben, einmal selbst zu erleben, wie spannend und aufregend Physik und Forschung sein können. Wer sich dann anders entscheidet: gerne! Auch Musik und Kunst und Sprachen haben viel zu bieten – und auch gute Köche braucht das Land! Wer aber merkt, dass er – oder sie – Talent für Naturwissenschaften hat und „Feuer” fängt: umso besser. Immerhin geht es nicht nur um den berühmten Fachkräftemangel in Ingenieurwissenschaften. Und auch nicht nur um die Leistungsfähigkeit unserer wissensbasierten Ökonomie. Es geht vor allem um die jungen Leute selbst: Ihnen Perspektiven für die berufliche Zukunft zu eröffnen heißt auch, ihnen Perspektiven für ihr weiteres Leben vorzustellen. Das – und alles andere zusammen – scheint uns den Aufwand wert.
Der geneigte Leser bemerkt vielleicht bereits an dieser Stelle: Wir im DLR sind mit ziemlich viel Engagement dabei, wenn es um das geht, was allgemein und nur unvollständig mit Nachwuchsförderung bezeichnet wird. DLR_next und die inzwischen neun DLR_School_Labs sind da nur einige Maßnahmen – wenn auch unsere „Flaggschiffe” unter den Aktivitäten für Jugendliche. Unterrichtsmaterialien, die wir an alle weiterführenden Schulen Deutschlands verschicken – wieder auf Papier in Form didaktisch aufbereiteter Broschüren und Lehrerhefte, aber auch auf CD – und vieles andere kommt regelmäßig dazu. Einmal pro Jahr ein Girls’Day alleine ist es eben nicht.
Daher hat das DLR den Anspruch, nicht nur einzelne Maßnahmen hier und da durchzuführen, sondern ein ganzheitliches Konzept zur Nachwuchsförderung umzusetzen, bei dem die einzelnen Aktionslinien entlang der Bildungskette logisch aufeinander aufbauen – Lehrer-Workshops, Begabtenförderung in Ergänzung zur Breitenwirkung und vieles andere inklusive, kurz: das ganze Programm eben. Dieses Gesamtkonzept nennen wir DLR_Campus. Neben den genannten Maßnahmen für Schüler beinhaltet es auch ein akademisches „Paket”. Etwa Angebote für Studierende: Das sind zum Beispiel die studentische Praktika in unseren rund 30 Instituten, die darüber hinaus auch Abschlussarbeiten betreuen. Oder Ideenwettbewerbe wie REXUS/BEXUS: Einmal im Jahr laden wir dabei Studenten ein, Vorschläge für Mikrogravitations-Experimente zu machen – und die besten Ideen werden von den Studenten selbst im Rahmen von Höhenforschungskampagnen per Rakete und Ballon im schwedischen Kiruna realisiert. Tja, Student möchte man da nochmal sein. Dann könne man auch im Fliegenden Hörsaal Platz nehmen, einer Cessna, die Studenten der Luftfahrttechnik Flugpraxis vermittelt – man höre und staune oftmals erstmals. Und nur der Vollständigkeit halber: Für unsere promovierenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – immerhin rund 600 an der Zahl – haben wir vor kurzer Zeit das DLR_Graduate_Program an den Start gebracht: Da lernt man, was man außer fachlichen Kenntnissen zum eigenen Dissertationsthema sonst noch so braucht: karrieredienliche Soft Skills wie erfolgreiches Präsentieren, und auch Projektmanagement, Mittelakquise, interdisziplinären Kontext und und und.
Warum das DLR sich so intensiv für den Nachwuchs engagiert? Nun ja. Darauf gibt es mehrere Antworten – wie manchmal im Leben. Hier einige: Weil nur fordern kann, wer fördert. Weil wir das, was wir machen, wenn schon dann richtig machen. Weil wir ganzheitlich und nachhaltig aus gesellschaftlicher Verantwortung heraus agieren, um erfolgreich zu sein. Und weil’s Spaß macht, erfolgreich zu sein. Weil es auf all diese Maßnahmen so viel Zustimmung, Dankbarkeit und Ermunterung – übrigens auch aus wissenschaftlicher Begleitforschung und permanenter Selbstevaluation – gibt. Und weil wir unsere eigene Begeisterung für unser Tun an die junge Generation weitergeben wollen (wer in unseren Themenfelder oder gar im DLR selbst tätig ist, weiß wovon ich rede). Wir lehren nicht nur, Holz zu sammeln um Schiffe zu bauen, wir lehren vor allem auch die Sehnsucht nach dem endlos weiten Meer – für alle, die mit diesem hier leicht abgewandelten schönen Spruch von Saint-Exupéry noch was anfangen können.
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