Vergesst Planet X und Nibiru. Mittlerweile hat sich die Weltuntergangscommunity einen neuen Himmelskörper ausgesucht, vor dem sie Angst haben kann: den Kometen C/2010 X1 (Elenin). Aber was ist an dem denn eigentlich so gefährlich?
Nichts. Bei diesem Kometen handelt es sich um ein Objekt, dass am 10. Dezember 2010 von einem russischen Astronomen entdeckt wurde. Das allein ist noch nicht außergewöhnlich. Im Jahr 2010 wurden 154 Kometen entdeckt und 2011 sind es immerhin schon 6 Stück. Kometen findet man immer wieder mal; entweder sind es engagierte Amateurastronomen die sich Nacht für Nacht auf die Suche machen oder die großen professionellen Himmelsdurchmusterungen, die die Kometen meist gleich dutzendweise entdecken. Der Komet der von Leonid Elenin gefunden wurde ist vielleicht insofern außergewöhnlich als das es nach langer Zeit wieder mal ein Russe war, der einen gefunden hat. Oder das er es mit einem ferngesteuerten Teleskop aus New Mexiko in den USA getan hat. Aber das allein sollte eigentlich noch nicht der Grund sein, warum gerade dieser Komet von den Weltuntergangspropheten auserkoren wird. Ich weiß nicht, wo die Story über den gefährlichen Elenin genau her kommt. Eventuell fing es hier an; auf dieser Seite die irgendwas pseudowissenschaftliches mit “Quanten” treibt. Dort wird behauptet man hätte Insiderinformationen von einem Astronomen und aus im wesentlichen völlig unspektakulären Informationen wird ein Bedrohungszenario konstruiert.
Man erklärt dort zum Beispiel, dass die Erde den Schweif des Kometen Elenin passieren könnte. Selbst wenn das so wäre: die Erde macht das dauernd. Jedesmal, wenn ein Sternschnuppenschauer stattfindet. bewegt sich die Erde durch die Staubspur hindurch, die ein Komet hinterlassen hat. Oder es wird erzählt, dass die Bahn von Elenin nicht genau bekannt ist und dass es “Überraschungen” geben könnte – gute oder schlechte. Dazu sage ich gleich mehr. Die “Elenin-Gefahr” scheint jedenfalls sofort auf fruchtbaren Boden gefallen sein und hat sich durchs Internet verbreitet und wurde dabei schön ausgeschmückt; bis hin zu einer fertigen Verschwörungstheorie:
Also am 15. März wird als der “Nordpol” des Kometen sich auf den Südpol der Erde ausrichten und schlimmste Zerstörungen verursachen. Hu… Ich glaube es wird langsam mal Zeit für ein paar echte Fakten!
Wie schon gesagt: Elenin wurde am 10. Dezember 2010 entdeckt. Und es war tatsächlich so, dass man längere Zeit keine genau Bahn kannte bzw. die berechnete Bahn sich immer wieder veränderte. Das ist erstmal normal, denn so eine Bahn zu berechnen ist nicht trivial. Ich hab ja schon mal beschrieben, wie das mit der Entdeckung von Asteroiden und Kometen abläuft. Da sieht jemand einen kleinen Lichtpunkt den bis jetzt noch niemand gesehen hatte. Es wird die Position bestimmt und diese Daten werden an das Minor Planet Center (MPC) der Internationalen Astronomischen Union geschickt. Dort kümmert man sich um die Bahnberechnung und die Veröffentlichung der Daten. Mit einer einzigen Beobachtung lässt sich allerdings keine Bahn bestimmen – da braucht man mehr Beobachtungen zu verschiedenen Zeitpunkten. Denn nur wenn sich das Objekt am Himmel auch bewegt kann man herausfinden, wie seine Bahn aussieht. Normalerweise läuft es so, dass nach der ersten Veröffentlichung nur eine sehr ungenaue Bahn berechnet werden kann. Aber die ganzen anderen Beobachter sehen das natürlich in der Internetdatenbank des MPC und stürzen sich sofort auf dieses Objekt und machen viele neue Beobachtungen. Damit wird die Bahn dann korrigiert und kann neu und vor allem genauer berechnet werden.
So war es auch bei Elenin; es hat hier nur länger gedauert. Denn wie schnell sich ein Objekt am Himmel bewegt hängt nicht nur von seiner Geschwindigkeit ab sondern auch von seiner Bewegungsrichtung. Bei Elenin war es so, dass er sich zum Zeitpunkt der Entdeckung von der Erde aus gesehen am Himmel nur wenig bewegte und deswegen gab es auch nur Beobachtungen die sich wenig voneinander unterschieden was die Bahnbestimmung schwierig und ungenau machte (das Brian Marsden, der Direktor des MPC, und u.a. zuständig für die Bahnberechnungen erst kurz vorher, am 10. November 2010 verstorben war mag eine zusätzliche Rolle gespielt haben).
Wie auch immer, jetzt haben wir eine Bahn und die sieht so aus:
Die Bahn von Elenin ist in blau eingezeichnet (der Komet selbst im Bild allerdings noch nicht zu sehen); die Bahnen der inneren Planeten sind weiß. Elenin wird sich also der Merkurbahn annähern und dann das innere Sonnensystem wieder verlassen. Im Juli sieht die Situation dann so aus:
Da hat Elenin dann die Marsbahn überquert und nähert sich langsam der Erde an. Am nächsten kommt er ihr am 16. Oktober. Das sieht dann so aus:
Aber kein Grund zur Aufregung! Der minimale Abstand zwischen Elenin und der Erde wird 0.23 Astronomische Einheiten betragen. Das sind 34 Millionen Kilometer – oder etwa der 90fache Abstand zwischen Erde und Mond! Zwischen Elenin und der Erde ist also noch genug Platz. Und man muss sich auch keine Sorgen machen, dass er unsere Erde umschmeisst oder so. Die Aussage aus dem Video oben ist völliger Unsinn. Elenin ist viel zu klein und zu weit weg als das man von ihm mehr sehen kann, als einen verwaschenen, schwachen Lichtpunkt. Irgendwelche Aussagen darüber, wo sich sein “Nordpol” befinden mag, sind reine Erfindungen. Und außerdem: gerade weil Elenin nur so ein kleiner, schwacher Lichtpunkt ist, wissen wir auch, dass es sich um ein sehr kleines Objekt handeln muss. Ein typischer Komet eben: ein kleiner Felsbrocken, der – so wie Milliarden andere auch – durch unser Sonnensystem fliegt. Der wird die Erdachse absolut nicht beeinflussen.
Elenin stellt also nicht die geringste Gefahr dar. Aber eventuell könnte er uns einen interessanten Anblick bieten! Vorherzusagen, wie hell Kometen werden wenn sich dann in Sonnennähe ihr beeindruckender Schweif ausbildet ist schwer zu sagen. Aber so wie es momentan aussieht, könnte Elenin im kommenden Herbst tatsächlich am Himmel mit freien Auge zu sehen sein! Wer genau wissen will, wann und wo man den Kometen sehen kann, der soll sich hier informieren. Ab Oktober kann man ihn bei uns im Sternbild Löwen suchen.
Der Komet Elenin ist ein besonderer Himmelskörper. Aber nur, weil es sich bei ihm um einen der wenigen Kometen handeln könnte, die man ohne technische Hilfsmittel beobachten kann. Angst vor ihm braucht man absolut keine zu haben!
Nachtrag: Nein, auch die Arbeit von Mensur Omerbashich belegt keine Gefahr durch Elenin. Die dort präsentierte Statistik ist völlig unbrauchbar.
Nachtrag 2: Was passieren würde, wenn Elenin tatsächlich ein brauner Zwerg wäre und kein Komet, kann man hier nachlesen.
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