Heute ist Pi-Tag! Hurra! Ich bin ja seit 2 Jahren Botschafter der Zahl Pi. In dieser Eigenschaft ist es nicht nur meine Aufgabe, die Aufnahmeprüfungen zu überwachen die man absolvieren muss, wenn man den Freunden der Zahl Pi beitreten will – es ist auch meine Pflicht, den Geist der Zahl Pi hochzuhalten und die frohe Kunde der Kreiszahl in die Welt zu tragen. Dem möchte ich heute wieder mal nachkommen und etwas über die überraschende Allgegenwärtigkeit von Pi erzählen.
Der 14. März ist traditionell der “Pi-Tag” – denn in amerikanischer Schreibweise ist das 3/14 – und das sind die ersten drei Zahlen von Pi. Hier sind noch ein paar Stellen mehr 😉
3.1415926535 8979323846 2643383279 5028841971 6939937510 5820974944 5923078164 0628620899 8628034825 3421170679 (…)
Natürlich hört es nach diesen 100 Nachkommastellen nicht auf. Pi hört nie auf. Es handelt sich um eine irrationale Zahl; also eine Zahl die nicht durch einen Bruch dargestellt werden kann und in deren Nachkommastellen es keine Periodizität gibt.
Der 14. März ist aber auch der Geburtstag des großen Albert Einstein! Und heute möchte ich beide Anlässe feiern und erzähle etwas über die Verbindung zwischen Pi und Einstein. Ok, das ist nicht schwer. Als Naturwissenschaftler hat Einstein die Zahl Pi natürlich überall in seinen Formeln und Theorien verwendet. Dieser Zahl entkommt man nirgends. Aber der gerade und offensichtliche Weg ist manchmal langweilig also machen wir es wie die mäandernden Flüsse und nehmen einen Umweg.
Einstein ist ja vor allem durch seine revolutionäre Arbeit zu den Grundlagen der Physik bekannt. Er hat die Relativitätstheorie begründet und für seine Beiträge zur Quantenmechanik den Nobelpreis bekommen. Aber das war bei weitem nicht alles, wozu Einstein sich Gedanken gemacht hatte. 1926 veröffentlichte er in der Zeitschrift “Die Naturwissenschaften” einen Artikel mit dem Titel “Die Ursache der Mäanderbildung der Flußläufe und des sogenannten Baerschen Gesetzes” (gibts hier als pdf). Einstein möchte erklären, warum Flüsse nicht einfach gerade von A nach B fliessen sondern unterwegs jede Menge Kurven und Schlaufen (die “Mäander”) machen:
“Es ist allgemein bekannt, daß Wasserläufe die Tendenz haben, sich in Schlangenlinien zu krümmen, statt der Richtung des größten Gefälles des Geländes zu folgen. Ferner ist den Geographen wohlbekannt, daß die Flüsse der nördlichen
Erdhälfte die Tendenz haben, vorwiegend auf der rechten Seite zu erodieren; Flüsse auf der Südhälfte verhalten sich umgekehrt (BAERsches Gesetz). Versuche zur Erklärung dieser Erscheinungen liegen in großer Zahl vor, und ich bin nicht sicher, ob dem Fachmann irgend etwas, was ich hierüber im folgenden sage, neu ist; Teile der darzulegenden Überlegungen sind jedenfalls bekannt. Da ich jedoch niemand gefunden
habe, der die in Betracht kommenden ursächlichen Zusammenhänge vollständig gekannt
hätte, halte ich es doch für richtig, dieselben im folgenden kurz qualitativ darzustellen.”
Einstein erwähnt hier in der Einleitung das “Baersche Gesetz” das eigentlich besser “Baer-Babinet-Gesetz” heissen sollte. Denn Karl Ernst von Baer hat das Phänomen der asymmetrischen Erosion bei Flüssen zwar schon 1856 gedeutet, diese Erklärung wurde aber 3 Jahre später von Jacques Babinet erweitert.
Albert Einstein bringt in seinem Artikel ein anschauliches Beispiel. Er stellt sich eine Tasse mit Wasser vor in der ein paar Teeblätter schwimmen. Wenn man nun umrührt, dann sammeln sich die Blätter in der Mitte der Tasse. Das liegt daran, dass zwischen Wasser und Teetasse Reibungskräfte auftreten. Das gilt natürlich hauptsächlich für die Wassermoleküle am Rand der Tasse und die in der Nähe des Bodens. Da diese nun langsamer rotieren als die restlichen Moleküle ergibt sich in der Tasse eine Zirkulation, die Einstein so gezeichnet hatte:
Und deswegen sammeln sich auch die Teeblätter genau im Zentrum. Wenn nun ein Fluss um eine Kurve fliesst, dann ergibt sich im Prinzip die selbe Zirkulation wie in der Teetasse (Einstein merkt auch an, dass dies sogar passiert (wenn auch schwächer) wenn der Fluss gerade aus fliesst weil hier die Erddrehung eine entsprechende Kraft ausübt).
Dann erklärt Einstein die Bildung der Mäander bzw. die asymmetrische Erosion folgendermassen:
“Die am raschesten bewegten Flüssigkeitsteilchen werden am weitesten von der Wandung entfernt sein, also sich im oberen Teile über der Bodenmitte befinden. Diese raschesten Teile der Flüssigkeit werden durch die Zirkulation zur rechten Seitenwandung getrieben, während umgekehrt die linke Seitenwandung Wasser erhält, welches aus der Gegend nahe dem Boden stammt und eine besonders kleine Geschwindigkeit hat. Deshalb muß auf der rechten Seite (im Falle der Fig. 2) die Erosion stärker sein als auf der linken Seite. Man beachte, daß diese Erklärung wesentlich darauf beruht, daß die langsame Zirkulationsbewegung des Wassers darum einen erheblichen
Einfluß auf die Geschwindigkeitsverteilung hat, weil auch der dieser Folge der Zirkulationsgewegung entgegenwirkende Ausgleichsvorgang der Geschwindigkeiten durch innere Reibung ein langsamer Vorgang ist.
Ich kann jetzt nicht wirklich beurteilen, ob diese Erklärung im Laufe der nächsten Jahrzehnte noch modifiziert wurde und wie der aktuelle Forschungsstand in Sachen Mäanderbildung ist. Aber wir sind ja heute sowieso an der Zahl Pi interessiert also wird es langsam Zeit, den Kreis zu schließen. Was hat ein Artikel von Albert Einstein über die Krümmung von Flüssen mit Pi zu tun? Um das zu beantworten begeben wir uns ins Jahr 1996 und lesen in “Science” vom 22. März die “>Arbeit von Hans-Henrik Stølum. Sie trägt den Titel “River Meandering as a Self-Organization Process” und untersucht die Frage der Mäanderbildung aus chaostheoretischer Sicht. Im Gegensatz zu Einstein hatte Stølum nun auch Computer zur Verfügung und konnte nun simulieren, wie sich die mäandernden Flüsse verhalten. Hier interessierte ihn vor allem das Wechselspiel zwischen der Ausbildung von Mäandern die dazu führen das der Fluss eine immer stärker gekrümmte Bahn verfolgt und der Bildung von Altwassern die entstehen wenn zwei Schlaufen eines Flusses sich berühren und der Fluss nun die neue Abkürzung nimmt. Dabei fand Stølum das sich die Art und Weise wie diese Altwasser bzw. die Mäander gebildet werden stark von den Anfangsbedingungen abhängt und das es geordnete und chaotische Phasen gibt.
Und wo steckt nun die Zahl Pi? Dazu betrachten wir einen Parameter, der sich “Sinuosity” nennt (keine Ahnung ob es hier einen deutschen Fachausdruck gibt). Damit wird das Verhältnis zwischen der Länge eines Flusses, gemessen entlang des Flusses (also das, was wir im Alltag als “Länge” eines Flusses kennen) und der geraden Luftlinie zwischen Quelle und Mündung bezeichnet. Wenn der Fluss in einer geraden Linie verlaufen würde, dann wäre seine Sinuosity gleich 1. Aber sobald ein Fluss eine Kurve einlegt, wird diese Zahl größer als 1 werden (und sie kann im Prinzip beliebig groß werden). Stølum hat nun untersucht, wie sich die Sinuosity im Laufe der Entwicklung eines Flusses ändert und fand, dass sie sich unabhängig von den Anfangsbedingungen irgendwann immer auf einen bestimmten Wert einstellt.
Ihr habt es sicher schon erraten: dieser Wert ist die Zahl Pi! So sieht das in einer Grafik von Stølum aus:
Nach einer anfänglichen wilden Phase beginnt die Sinuosity dann um einen Wert von 3,1415… zu schwanken und bleibt auch dort. Pi steckt also tatsächlich überall drin – sogar in der Art und Weise wie Flüsse fliessen. Ich wünsche euch noch einen frohen Pi-Tag.
Pi Vobiscum!
Einstein, A. (1926). Die Ursache der Mäanderbildung der Flußläufe und des sogenannten Baerschen Gesetzes Die Naturwissenschaften, 14 (11), 223-224 DOI: 10.1007/BF01510300
Stolum, H. (1996). River Meandering as a Self-Organization Process Science, 271 (5256), 1710-1713 DOI: 10.1126/science.271.5256.1710
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