Am 12. April 1961 flog Juri Gagarin als erster Mensch ins All. 108 Minuten lang dauerte das historische Ereignis bei dem Gagarin in seinem Raumschiff Wostok 1 die Erde einmal umkreiste. Überall auf der Welt wird heute gefeiert und ich möchte den Anlass nutzen um noch einmal zu erklären, warum die bemannte Raumfahrt so wichtig für uns ist.
Die bemannte Raumfahrt hat ja mittlerweile einen etwas schweren Stand. Mit unbemannten Missionen bzw. mit Robotern lassen sich die Dinge doch viel ungefährlicher und billiger erledigen. Und das stimmt auch! Die Robotersonden beispielsweise, die wir zum Mars geschickt haben, haben dort wunderbare wissenschaftliche Daten gesammelt und Ergebnisse geliefert und werden das auch in Zukunft machen. Die Satelliten und Weltraumteleskope die wir ins All schicken schaffen ihren Weg dorthin auch in unbemannten Raketen und nur ganz selten ist es nötig, das Menschen zwecks Wartung oder Reperatur eingreifen müssen. Und um die Experimente in der Schwerelosigkeit der Raumstation durchführen zu können reichen auch eine Handvoll Astronauten.
Nein, deswegen brauchen wir keine bemannte Raumfahrt. Aber auch das finanzielle Gegenargument ist nicht wirklich brauchbar. Ja, Raumfahrt und spezielle bemannte Raumfahrt ist teuer. Und jedesmal wenn irgendwo über eine neue Weltraummission berichtet wird, kann man mit ziemlicher Sicherheit irgendwo Aussagen der Art “Da werden Millionen in die Raumfahrt gesteckt und in Afrika verhungern die Kinder!” lesen. Nur funktioniert die Welt halt nicht so simpel. Der Welthunger wird nicht plötzlich verschwinden wenn die Nationen dieser Erde ihre Raumfahrtprogramme einstellen. Die Probleme dieser Welt sind komplex und man kann sie nicht einfach lösen, in dem man Geld von einem Land ins andere verschiebt. Abgesehen davon wird überall so viel Geld verschwendet, dass die Ausgaben für Raumfahrt kaum ins Gewicht fallen. Wenn in Äthiopien die Kinder verhungern, dann wäre es wesentlich sinnvoller wenn man dort aufhören würde, Unsummen in einen Krieg mit dem Nachbarland Eritrea zu investieren als wenn die USA ihr Raumfahrtbudget kürzen würde. Außerdem ist Raumfahrt Teil der Grundlagenforschung und wenn wir irgendwann in der Lage sein wollen, die großen Probleme dieser Welt zu lösen, dann wird das nur funktionieren, wenn wir in Forschung und Bildung investieren. Grundlagenforschung macht man ja gerade um neue, bisher unbekannte Möglichkeiten herauszufinden. Und besonders die Raumfahrt kann hier eine wichtige Rolle spielen. Bessere Wettervorhersage, Erdbeobachtung etc können wesentlich besser dabei helfen, die Landwirtschaft in Afrika und damit das Hungerproblem zu verbessern als irgendwelche Einsparungen im Wissenschafsbereich die sofort wieder von anderen Ressorts aufgefressen werden. Die Probleme des Klimawandels verstehen wir besser, wenn wir uns auf satellitengestützte Beobachten verlassen und je mehr Daten wir haben desto eher finden wir Lösungsmöglichkeiten. Aber auch diese Argumentation soll nur zeigen, dass “Raumfahrt ist zu teuer!” nur ein Scheinargument ist. Die meisten der oben genannten Aufgaben lassen sich auch gut ohne bemannte Raumfahrt lösen.
Wir brauchen die bemannte Raumfahrt aus ganz anderen Gründen. Wir brauchen die bemannte Raumfahrt aus den gleichen Gründen, aus denen wir auch Opernhäuser, Theater und Kunstgalerien brauchen! Um überleben zu können, benötigen wir keine Opern. Auch das Geld aus der Kunstförderung und den Ausgaben für Galerien etc könnte eingespart und für die hungernden Kindern aus Afrika ausgegeben werden. Und anstatt teure Theater mit teuren Ensembles und Regisseuren zu unterhalten könnten wir uns die Stücke ja auch einfach auf DVD ansehen. Aber wir Menschen wollen nicht einfach nur überleben. Menschen sind Entdecker, Philosophen und Träumer. Der Wunsch nach Schönheit, nach Ästhetik und Unterhaltung ist für uns genauso wichtig wie der Wunsch, die Welt in der wir leben zu verstehen. Wir sind nicht zufrieden damit, nur eine kleine Ecke unserer Welt zu bewohnen und die Geheimnisse der restlichen Welt zu ignorieren. Auch deswegen sind damals die Entdecker mit ihren Schiffen aufgebrochen um die Weltmeere zu erforschen und unbekannte Kontinenten zu entdecken. Deswegen sind Menschen wie Peary, Scott oder Amundsen zu den Polen unserer Erde aufgebrochen und deswegen klettern Menschen auf den Mount Everest oder tauchen in den Mariannengraben hinab. Diesen Forscherdrang zu befriedigen ist uns ein fundamentales Bedürfnis und würden wir ihn nicht befriedigen, dann wären wir als Menschen ebenso tot wie wir es als Lebewesen wären, wenn wir unsern Drang zur Nahrungsaufnahme nicht befriedigen würden.
Diesen Wunsch nach Entdeckung können aber nur Menschen erfüllen. Wir haben Raumsonden auf die Oberfläche des Mars und der Venus geschickt. Wir haben unbemannte Raumschiffe zu allen Planeten unseres Sonnensystems fliegen lassen und darüber hinaus. Für die Wissenschaft waren das großartige und spannende Missionen. Aber aus menschlicher Sicht zählt das alles nicht. Wir können noch so viele Roboter zum Mars schicken aber das Gefühl, dort wirklich angekommen zu sein werden wir erst haben, wenn der erste Mensch seinen Fuß auf den Boden des roten Planeten setzt. Und wenn das passiert, dann werden Milliarden Menschen auf der Erde gebannt dieses Ereignis mitverfolgen. Menschen aus jedem Land, Menschen jeder Hautfarbe und jeder Religion. Denn der Wunsch, die Geheimnisse des Universums zu verstehen; Neuland zu betreten und zu erforschen ist uns allen gemeinsam.
Die bemannte Raumfahrt – und damit sind Aktivitäten gemeint die über Flüge im erdnahen Orbit zur Raumstation und wieder zurück hinausgehen – befriedigt unser grundlegendes Bedürfnis nach Faszination, nach Wissen und dem Wunsch, die Welt zu verstehen. Ja, wir könnten auch ohne bemannte Raumfahrt auskommen. Genauso, wie wir ohne Musik, Literatur oder Kunst auskommen könnten. Aber würden wir in so einer Welt leben wollen? Vermutlich nicht und so wie es aussieht, können wir gar nicht anders. Seit es Menschen gibt, machen sie Kunst und Musik. Es ist ein integraler Bestandteil des Menschseins. Und seit es Menschen gibt, erforschen sie ihre Umwelt und machen sich auf, das Unbekannte zu entdecken. Auch das ist ein integraler Bestandteil des Menschseins. Unsere Erde hat kaum mehr unerforschte Winkel zu bieten. Die Zeit der großen Entdecker, die mit ihren Segelschiffen die Meere kreuzen und auf den Karten dort Inseln und Kontinente einzeichen wo früher nur “Hier wohnen Drachen” stand, sind lange vorbei. Wenn wir weiter Entdecker sein wollen, müssen wir über unseren kleinen Planeten hinaus blicken. Der erste und bislang letzte Schritt in diese Richtung wurde im Jahr 1969 von Neil Armstrong gesetzt, als er den Mond betrat.
Wenn wir nur unsere technische Zivilisation aufrecht erhalten wollen, dann reichen uns tatsächlich unbemannte Raketen und ein paar Astronauten die Arbeiten im erdnahen Orbit erledigen. Wenn wir aber mehr sein wollen, wenn wir mehr werden wollen, dann müssen wir auch weiterhin Entdecker sein. Wir müssen Visionen haben, Utopien anhängen und vor allem träumen können. Und was gäbe es für einen großartigeren Traum als den von der Eroberung des Weltalls!
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