Das Licht das wir mit unseren Augen sehen können stellt nur einen kleinen Ausschnitt des gesamten elektromagnetischen Spektrums dar. Zu dem gehören auch Wärme bzw. Infrarotstrahlung, UV-Licht, Röntgenstrahlen, Gammastrahlen, Mikrowellenstrahlen oder Radiostrahlen. Die verschiedenen Arten der elektromagnetischen Strahlung unterscheiden sich hauptsächlich durch ihre unterschiedliche Wellenlänge. Und das wir Menschen gerade den Teil der Strahlung mit Wellenlängen zwischen 380 und 640 Nanometern ist doch Zufall, oder?
Naja – kompletter Zufall auch wieder nicht. Die genauen Gründe sind komplex und Evolutionsbiologe kann das sicher detaillierter erklären. Eine Rolle spielt hier zum Beispiel unsere Sonne die die meiste Energie bei Wellenlängen von etwa 500 Nanometern aussendet. Das entspricht der Farbe grün (und die Leserinnen und Leser dürfen gerne spekulieren, warum die Sonne nicht grün aussieht bzw. warum es generell keine grünen Sterne gibt) und hat so auch die Entwicklung des – grünen – Chlorophylls, des pflanzlichen Lebens auf der Erde und damit des gesamten Lebens beeinflusst. Aber über die biologischen Hintergründe will ich eigentlich gar nicht sprechen.
Es gibt nämlichr auch Lebewesen die andere Wellenlängenbereiche des elektromagentischen Spektrums wahrnehmen können. Bienen sehen zum Beispiel auch das kurzwellige Ultraviolettlich das für uns Menschen unsichtbar ist. Das hat natürlich auch dazu geführt das die Blumen im UV-Licht ganz anders aussehen als wir es gewohnt sind. Denn sie müssen ja die Bienen anlocken und nicht uns Menschen und wenn wir Blüttenblätter nur einfarbig sehen dann sind sie für die Bienen vielleicht interessant gemustert um ihnen den Weg ins Zentrum zu erleichtern. Andere Tiere wiederum – z.B. Schlangen – können das langwelligere Infrarotlicht sehen das wir nur als Wärme spüren können. Aber sowohl die UV- als auch die Infrarotstrahlung liegen direkt neben dem für uns sichtbaren Bereich des Lichts. Und das ist kein Wunder denn die Wellenlänge des Lichts bestimmt das, was wir “sehen” können.
Wenn Strahlung eine Wellenlänge von beispielsweise einen Meter hat, dann wird man damit nichts sehen können, was kleiner ist. Objekte die nur einen Zentimeter groß sind, sind für diese Art der Strahlung quasi unsichtbar weil die elektromagnetischen Wellen einfach darüber hinweg gehen. Wir Menschen müssen aber Dinge und Details sehen können, die kleiner als ein Zentimeter oder Millimeter sind bzw. es hat sich im Laufe der Evolution für uns als nützlich herausgestellt. Und daher ist es auch nicht verwunderlich, dass wir gerade die Wellenlängen wahrnehmen die unser sichtbares Licht darstellen.
Aber könnte das irgendwo anders sein? Gibt es vielleicht Aliens, die z.B. Radiostrahlung sehen können? Wie würde die Welt für uns aussehen, wenn wir Radiowellen sehen könnten?
Das kann man sich leicht ausrechnen. Die relevante Größe hier ist das Auflösungsvermögen. Dieser Wert bestimmt, wie nahe zwei Objekte aneinander sein können um immer noch als getrennte Objekte wahrgenommen zu werden. Für die Berechnung des Auflösungsvermögen gibt es eine einfache Formel:
Dabei ist λ die Wellenlänge der Strahlung um die es geht, D der Durchmesser der Öffnung des Beobachtungsinstruments und θ ist der Winkel (angegeben in Radiant)der das Auflösungsvermögen angibt. Ein Beispiel macht vielleicht klar, wie das funktioniert. Benutzen wir die Formel oben um zu berechnen, wie groß die kleinsten Strukturen sind, die wir mit freiem Auge gerade noch am Mond wahrnehmen können.
Unser Beobachtungsinstrument ist also das Auge, d.h. wir nehmen für D den Durchmesser der Pupille – das sind etwa 2 Millimeter bzw. 0.002 Meter. Für die Wellenlänge des sichtbaren Lichts setzen wir 550 Nanometer bzw. 0.00000055 Meter. Wir errechnen also daraus, dass der Sinus des Winkels θ gleich 0.0003355 ist bzw. das θ gleich 0.0003355 ist (für sehr kleine Winkel ist der Sinus eines Winkels quasi mit dem Winkel identisch). Radiant ist allerdings eine sehr unanschauliche Einheit also rechnen wir um (ein Radiant sind 57.3 Grad) und sehen, dass unser Auflösungsvermögen in diesem Fall 1,15 Bogenminuten entspricht (ein Grad enthält 60 Bogenminuten). Das entspricht auch gut der alten Faustregel demnach das Auflösungsvermögen des menschlichen Auges in etwa einer Bogenminute entspricht.
Was können wir uns nun unter einer Bogenminute vorstellen? Der gesamte Himmel umfasst 360 Grad (normalerweise sehen wir aber nur die Hälfte weil die andere unter dem Horizont versteckt wird). Jedes Objekt nimmt nun einen gewissen Winkelbereich am Himmel ein. Der Vollmond beispielsweise hat eine Größe von etwa einem halben Grad bzw. 30 Bogenminuten. Das Auflösungsvermögen unseres Auges ist besser als das und deswegen können wir auch Details sehen. Wir wissen das der Mond ungefähr 370000 km von der Erde entfernt ist. Damit können wir nun auch ausrechnen, wie groß eine Struktur ist, die in dieser Entfernung gerade eine Bogenminute entfernt ist. Dazu benutzt man entweder die grundlegenden Rechenregeln der Trigonometrie oder aber gehen einfach wieder zurück zum Auflösungsvermögen, angegeben in Radiant und multiplizieren das mit der Entfernung Erde-Mond. Das geht nämlich schneller und gibt genau das gleiche Ergebnis: etwa 130 Kilometer!
Mit unserem Auge können wir also theoretisch alles am Mond sehen, was größer als 130 km ist. Kleinere Strukturen können aber nicht mehr aufgelöst werden. Um das zu ändern braucht man entweder ein größeres D oder ein kleineres λ. Man muss also entweder das Auge größer machen oder elektromagnetische Strahlung mit kürzerer Wellenlänge für die Beobachtung verwenden. Letzteres wird in der Astronomie oft gemacht – hier wird schon lange das komplette elektromagnetische Spektrum ausgenutzt. Die Augen vergrößern geht allerdings nicht – dafür können wir aber Teleskope bauen die wesentlich größere Durchmesser haben als unsere Pupille mit 2 Millimetern.
Und wie wäre es mit der Radiostrahlung? Wir können die gleiche Rechnung wie oben nochmal durchführen nur das wir diesmal statt der 550 Nanometer des sichtbaren Lichts die Wellenlänge der Radiostrahlung nehmen. Die kann sich von einigen Dezimetern bis zu einigen Kilometern erstrecken; der Einfachheit nehmen wir eine Wellenlänge von einem Meter; das ist auch ungefähr der Bereich in dem Funk und Fernsehen senden. Wiederholen wir die Rechnung von oben, erhalten wir in diesem Wellenlängenbereich ein Auflösungsvermögen von 35000 Grad! Wir könnten mit unserem Auge also absolut nichts erkennen und wären blind. Um hier eine mit dem sichtbaren Licht vergleichbare Auflösung zu erhalten müssten unsere Pupillen schon einige Kilometer durchmessen! Und das ist dann doch eher unwahrscheinlich; selbst für Aliens.
Wenn wir allerdings Radiostrahlung sehen könnten, dann wäre der Himmel ein sehr interessanter Anblick. Also nicht, dass er das jetzt nicht wäre! Aber wir würden ganz neue Strukturen und Objekte sehen. Momentan ist das größte Objekt an unserem Nachthimmel der Vollmond (sieht man mal von der Milchstrasse ab). Die Winkelausdehnung der Andromedagalaxie wäre zwar z.B. größer (fünfmal größer als die des Mondes!) aber ihre Flächenhelligkeit ist zu gering als das wir sie in ihrer ganzen Pracht ohne Hilfsmittel sehen könnten. Mit der Fähigkeit, Radiostrahlung zu sehen könnten wir aber noch ganz andere Anblicke geniessen. Zum Beispiel die Radiostrahlung der Galaxie Centaurus A. So wie die anderen Galaxien hat auch die im Zentrum ein supermassives schwarzes Loch. Im Gegensatz z.B. zur Milchstrasse ist es aber aktiv, d.h. Material fällt immer noch ins Loch und dabei wird Strahlung abgegeben; auch Radiostrahlung in zwei gewaltigen Jets ins All geschickt. Die sind über eine Million Lichtjahre lang und trotzdem Centauraus A 14 Millionen Lichtjahre weit weg ist nehmen ihre Radiojets an unserem Himmel immer noch einen Bereich ein, der 200 Mal größer ist als der Vollmond. Und wenn wir das sehen könnten, dann sähe das vielleicht so aus:
Das sind die Radioteleskope des Australian Telescope Compact Array (ATCA) – und jetzt wisst ihr auch, warum Radioteleskop immer so groß sein müssen! – über denen der Vollmond steht. In das Bild montiert sind Radiomessungen die mit diesen Teleskopen an den Jets von Centaurus A durchgeführt worden sind. Es ist die bisher detaillierteste Aufnahme eines Radiojets und man hat einige Jahre daran gearbeitet!
Sehr cool! Und wieder einmal bestätigt sich: Der Geist sieht so viel mehr als das Auge!.
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