So langsam wird es wieder sommerlich in Deutschland. Wenn man nach den Pflanzen geht, dann beginnen Frühling und Sommer ja dank des Klimawandels immer zeitiger: sie beginnen immer früher zu blühen. Unbeeindruckt von der Änderung des Klimas ist die Bewegung der Erde und auch an ihr merken wir, dass es Sommer wird. Denn die Tage werden immer länger; es bleibt immer länger hell. Aber warum?
Ob und wie stark die Tage im Sommer länger werden, hängt davon ab wo auf der Erde man sich befindet. Wer so wie ich Verwandte sowohl im Norden (Hamburg) als auch im Süden (Österreich) hat, der kennt das ja vielleicht: die nördliche Verwandschaft sitzt noch bei Tageslicht draussen im Garten während die südlichen Bekannten schon die Lichter einschalten mussten. Das kann man auch immer gut bei Liveübertragungen aus nördlichen/südlichen Regionen beobachten.
Das die Tageslänge abhängig vom Breitengrad unterschiedlich lang ist, gibt schonmal einen ersten Hinweis auf die Ursache. Denn auch ein anderes Phänomen ist in seiner Ausprägung abhängig von der Position auf der Erde: die Jahreszeiten. Was auch nicht weiter überraschend ist; immerhin ist die Tageslänge eines der bestimmenden Merkmale der jeweilgen Jahreszeit 😉
Die Jahreszeiten haben nicht direkt etwas mit der Bewegung der Erde um die Sonne zu tun. Die Erde erreicht ihren sonnennächsten Punkt im Januar und abgesehen davon finden unterschiedliche Jahreszeiten gleichzeitig auf der Erde statt. Wenn auf der Nordhalbkugel Sommer ist, ist im Süden Winter und umgekehrt. Die Jahreszeiten haben eine andere Ursache und das ist die Neigung der Erdachse. Die Achse, um die sich die Erde täglich einmal dreht steht nicht genau senkrecht auf die Ebene, in der sie sich um die Sonne bewegt sondern ist um etwa 23 Grad aus der Senkrechten geneigt. Während eines Umlaufs der Erde um die Sonne ist also einmal die Nordhalbkugel der Sonne zugewandt und einmal die Südhalbkugel. Der unterschiedliche Winkel, in dem die Sonnenstrahlen im Norden bzw. Süden auf die Erdoberfläche treffen führt dazu, dass sie unterschiedlich stark wärmen und deswegen ist es im Winter kälter als im Sommer.
Die geneigte Erdachse ist aber auch für die unterschiedliche Tageslänge verantwortlich. Das kann man an diesem Bild hier erkennen:
Das Bild ist nicht maßstabsgetreu – die Sonne, die hier von links auf die Erde strahlt ist natürlich viel größer und weiter weg. Man sieht aber gut, dass dank der Neigung der Erdachse gerade die südliche Hemisphäre der Sonne zugewandt ist. Der Nordpol liegt komplett im Dunkeln; keine Sonnenstrahlen erreichen ihn. Hier herrscht ständig Nacht und am Südpol ist es dagegen ständig hell. Diese ungleichmäßige Beleuchtung setzt sich auch in den gemäßigteren Breiten fort. Im Bild oben herrscht gerade Winter auf der Nordhalbkugel. Der beleuchtete Bereich der Kugel (in gelb) ist umso kleiner je weiter man nach Norden kommt. Die rot/schwarzen Linien zeigen an, wie lang jeweils der Tag (rot) und die Nacht (schwarz) sind. Im nördlichen Europa ist es nun lange dunkel aber je weiter man nach Süden kommt, desto länger wird der Tagbogen. Die Erde bewegt sich aber weiter um die Sonne herum bis irgendwann die nördliche Hemisphäre der Sonne zugewandt ist. Nun sind die Tage länger als die Nächte und zwar umso stärker je weiter man nach Norden kommt. Überschreitet man eine gewisse Grenze – den Polarkreis – dann geht die Sonne für eine bestimmte Zeit überhaupt nicht mehr unter!
Bei uns in Deutschland aber verschwindet die Sonne immer irgendwann hinter dem Horizont. Dann wird es aber nicht schlagartig finster sondern es folgt erst die Dämmerung. Hier unterscheidet die Astronomie verschiedene Dämmerungsarten. Direkt auf den Sonnenuntergang folgt die bürgerliche Dämmerung. Sie ist zu Ende, wenn die Sonne ganze sechs Grad unter dem Horizont steht. Dann ist es schon ziemlich dunkel, man kann ein paar Sterne erkennen – aber es wird noch dunkler! Es herrscht nun die nautische Dämmerung und erst wenn die Sonne 12 Grad unter dem Horizont steht, ist sie zu Ende. Man kann jetzt schon viele Sterne sehen – unter anderem die, die wichtig sind um mit nautischen Instrumenten die Position zu bestimmen (daher auch der Name). Gleichzeitig ist es aber immer noch nicht völlig dunkel und am offenen Meer kann man noch den Horizont erkennen (was ebenfalls wichtig ist, um die Position bestimmen zu können). Wirklich komplett dunkel ist es erst, wenn die Sonne 18 Grad unter dem Horizont steht. Dann ist die astronomische Dämmerung zu Ende; die Nacht beginnt und ist dunkel genug für sensible astronomische Messungen.
Befindet man sich zur richtigen Zeit nördlich des Polarkreises, dann gibt es gar keine Dämmerung: es ist immer hell. Weiter südlich verschwindet die Sonne zwar hinter dem Horizont, es kann aber passieren, dass es keine echte Nacht gibt und zum Beispiel die bürgerliche Abenddämmerung direkt in die bürgerliche Morgendämmerung übergeht (d.h. die Sonne nie tiefer als 6 Grad unter dem Horizont steht). Das sind sogenannte “Weiße Nächte” und man erlebt sie auf allen Breitengraden größer als 60.561° (zum Beispiel in St. Petersburg). In Deutschland sinkt die Sonne immer unter sechs Grad, die nautische Dämmerung beginnt also jede Nacht. Aber nicht immer wird sie auch beendet! Bei Breitengraden größer als 54.561° gibt es zu bestimmten Zeiten im Sommer keine astronomische Dämmerung und die Nacht wird nie richtig dunkel. Das kann man z.B. im Norden Schleswig-Holsteins erleben oder auf Rügen. Im Rest von Deutschland beginnt immer die astronomische Dämmerung aber wenn man sich in Breiten nördlicher als 48.561° befindet dann wird es auch hier im Sommer nicht immer komplett dunkel und die astronomische Abenddämmerung geht direkt in die astronomische Morgendämmerung über. Will man auf jeden Fall eine echte, dunkle Nacht erleben in der die Sonne mindestens 18 Grad unter dem Horizont steht, dann muss man nach Bayern, (West)Österreich oder Italien fahren.
Für die Astronomen ist natürlich oft ärgerlich, wenn es im Sommer nur so kurz dunkel ist. Dann hat man weniger Zeit für Beobachtungen. Aber andererseits ist es auch schön, wenn man abends noch lange das Tageslicht geniessen kann und es draussen schön warm ist. Also: ich wünsche allen Leserinnen und Lesern einen schönen, warmen und hellen Sommer!
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