Unsere Erde hat einen Trojaner! Nein, keinen fiesen Computervirus, sondern einen kleinen Himmelskörper, der sie auf einer ganz speziellen Bahn um die Sonne begleitet. Bis jetzt kannten wir nur den Mond, der gemeinsam mit der Erde seine Runden um die Sonne zog (er ist ja auch schwer zu übersehen). Neben Monden können aber auch noch andere Objekte die Bahn eines Planeten teilen: die Trojaner.
Über diese spezielle Gruppe von Asteroiden habe ich schon öfter geschrieben. Betrachtet man drei Himmelskörper – zwei goße und einen kleinen – und ihren gegenseitigen gravitativen Einfluss, dann gibt es hier 5 ganz besondere Punkte. Das hat schon im 18. Jahrhundert der französische Mathematiker Jean-Joseph Luis Lagrange herausgefunden und deswegen heissen sie auch “Lagrange-Punkte”. An diesen 5 Punkten heben sich die im System wirkenden Kräfte gerade auf. Nehmen wir zum Beispiel die Sonne (gelb) und die Erde (blau), dann findet man die Lagrange-Punkte hier:
Die Lagrange-Punkte L1 bis L3 liegen auf einer Linie zwischen den Sonne und Erde. Sie sind aber instabil. Das bedeutet, ein kleiner Himmelskörper, der sich nicht wirklich exakt in L1 (oder L2 oder L3) befindet, bleibt dort nicht beliebig lange, sondern bewegt sich im Laufe der Zeit immer weiter von L1 weg. L4 und L5 allerdings, die sich 60 Grad vor bzw. hinter der Erde auf ihrer Bahn befinden, sind stabil! Ein kleines Objekt, das sich in der Umgebung von L4 oder L5 befindet, kann auch für sehr lange Zeiten in dieser Umgebung bleiben. Darum können sich um diese beiden Lagrange-Punkte viele Asteroiden ansammeln. Bei Jupiter kennen wir schon einige tausend solcher Himmelskörper! Der erste wurde 1906 entdeckt und es hat sich eingebürgert, das sie alle nach Figuren aus dem trojanischen Krieg benannt werden. Deswegen bezeichnet man generell alle Himmelskörper auf solchen Bahnen als “Trojaner”. Neben Jupiter kannten wir auch schon Trojaner des Neptun und Mars-Trpjaner. Erd-Trojaner waren allerdings keine bekannt. Man hatte ein paar sogenannter “koorbitaler Objekte” entdeckt, d.h. Asteroiden, die sich in etwa auf der gleichen Bahn wie die Erde befinden aber keine echten Trojaner sind. Zum Beispiel 2010 SO16 der sich auf einer Hufeisenbahn befindet. Der Satellite WISE wurde nun allerdings doch noch fündig!
Im Oktober 2010 fand dieser Satellit der NASA einen bisher unbekannten Asteroiden. Das ist an sich nichts ungewöhnliches, das macht WISE öfter und es ist genau das, was man sich von dem Asteroiden Satelliten erwartet. Das neue Objekt bekam die Bezeichnung 2010 TK7 und sah so aus:
Nicht sehr beeindruckend… auf den ersten Blick zumindest. Martin Connors von der Athabasca University in Alberta, Kanada hat dann aber nochmal genau hingesehen. 2010 TK7 hat eine Umlaufperiode von 365.389 Tagen, was so ziemlich genau den 365.256 Tagen entspricht, die die Erde für eine Runde um die Sonne braucht. Der Asteroid muss also eine ziemlich spezielle, erdähnliche Bahn haben. Christian Veillet, vom Canada-France-Hawaii Telescope hat weitere Aufnahmen von 2010 TK7 gemacht um seine Bahn besser bestimmen zu können und Paul Wiegert von der University of Western Ontario hat dann schließlich mit Computersimulationen seiner Bewegung gezeigt, dass es sich hier um den ersten echten Erd-Trojaner handelt muss! Die Arbeit wurde kürzlich in “Nature” veröffentlicht (hier gibt es einen preprint). Wer sich das mit der Trojanerbahn nicht wirklich vorstellen kann, dem hilft vielleicht dieses Video hier weiter (das allerdings nicht maßstabsgetreu ist):
Am Anfang sieht man, wie Erde und Trojaner gemeinsam die Sonne umkreisen; am Schluß wird in ein mit der Erde mitrotierendes Koordinatensystem gewechselt und man sieht die Bewegung von 2010 TK7 um den Lagrange-Punkt. Es ist übrigens der Punkt L4, das heisst der Asteroid befindet sich vor der Erde. Wir müssen übrigens keine Angst vor einer Kollision haben. Mit seinen 300 Metern Durchmesser wäre TK7 zwar ein ordentlicher Brocken – aber gerade seine Trojanerkonfiguration schützt uns vor einer nahen Begegnung. Der Asteroid pendelt zwar immer ein wenig hin und her und kommt dabei der Erde manchmal näher und entfernt sich manchmal. Aber beliebig nahe kann er ihr nicht kommen. 2010 TK7 ist auch leider kein wirklich lohnendes Ziel für eine Raumfahrtsmission. Er ist zwar nicht weit weg – aber seine Bahn ist auch um 20 Grad gegenüber der Erdbahn geneigt und die Relativgeschwindigkeit zwischen Erde und TK7 beträgt 9.4 km/s – viel größer als bei anderen erdnahen Asteroiden.
Aber der erste Erdtrojaner ist auf jeden Fall eine äußerst coole Sache! Und es wäre sehr seltsam, wenn 2010 TK7 der einzige Trojaner der Erde wäre. Wo einer ist, da sind auch immer ein paar andere 😉 Die Weltraumteleskope der nächsten Generation (z.B. GAIA) werden sicher noch ein paar finden. Ich bin schon gespannt, wie viele Begleiter unser blauer Planet noch hat!
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