Am Montag erst habe ich über eine Art “zweiten Mond” der Erde berichtet: den Asteroiden 2010 TK7 der sich mit der Erde die Bahn um die Sonne teilt. Aber wenn es stimmt, was aktuelle Forschungsergebnisse nahelegen, dann hatte die Erde früher tatsächlich zwei Monde…
Ok, das mag manche vielleicht nicht überraschen. Ich habe schon 2008 in meinem Blog über die Entstehung des Mondes geschrieben und damals auch Arbeiten erwähnt, die davon sprechen das die Erde früher mehrere Monde hatte. Allerdings nicht so, wie wir uns das vielleicht vorstellen.
Der Mond entstand nach allem was wir heute wissen durch eine gewaltige Kollision vor etwa 4.5 Milliarden Jahren (im oben verlinkten Artikel kann man das im Detail nachlesen). Damals kollidierte ein Protoplanet namens Theia – in etwa so groß wie der Mars – mit der Protoerde. Theia wurde bei dem Zusammenstoß zerstört und auch die Erde wurde ordentlich durchgebeutelt. Die gewaltigen Energien die frei wurden schmolzen sie nochmal komplett auf und jede Menge Material wurde bis ins All geschleudert. Daraus entstand dann unser Mond. Allerdings hat sich das Zeug nicht sofort zum Mond zusammengeballt. Es kann gut sein, dass sich neben der Hauptmasse des Protomonds auch noch einige kleinere Monde gebildet hatten die dann im Laufe der nächsten Jahrtausende mit dem Protomond kollidierten bis dann schließlich nur noch ein Mond übrig blieb. Länger als ein paar Jahrtausende wären die Bahnen der kleinen Monde auch im Normalfall nicht stabil. Es sei denn, sie befinden sich in der Trojanerkonfiguration. Über die habe ich hier schon oft geschrieben: hier zum Beispiel. Betrachtet man den gravitativen Einfluss zweier Himmelskörper und die wirkenden Kräfte (Gravitationskraft, Zentrifugalkraft), dann gibt es immer 5 spezielle Punkte an denen sich alle Kräfte genau aufheben. 2 dieser Punkte stellen stabile Gleichgewichte dar, d.h. in ihrer Nähe können sich andere, kleinere Himmelskörper lange aufhalten ohne von der Gravitationskraft der beiden großen Objekte gestört zu werden. Im Fall von Erde und Mond liegen diese beiden stabilen Punkte genau auf der Bahn des Mondes, 60 Grad vor bzw. hinter ihm. Beliebig lange können solche Mondtrojaner allerdings auch nicht sein. Der Mond wechselwirkt ja mit der Erde über die Gezeiten und entfernt sich im Laufe der Zeit immer weiter von ihr. Als der Mond dann nach ungefähr 70 Millionen Jahren etwa 170000 km (etwas weniger als die Hälfte der heutigen Distanz) von der Erde entfernt war, kam er in den Einflussbereich einer Resonanz mit der Sonne. Diese Störung destabilisiert die Bahn des Trojaners und es kann zur Kollision kommen.
Warum es ist jetzt so wichtig, wie genau die einzelnen Protomonde den heutigen Mond gebildet haben? Weil eine bestimmte Art der Kollision vielleicht eine bis heute unerklärte Eigenschaft des Mondes erklären könnte. Betrachtet man seine Oberfläche, dann sieht die uns zugewandte Seite ganz anders als als die abgewandte Seite. Dort gibt es jede Menge Berge und Krater während auf der nahen Seite alles eher flach ist.
Die Mondkruste ist auf der uns zugewandten Seite etwa 70 Kilometer dick. Auf der Rückseite ist sie allerdings 150 km dick. Zwischen Kruste und Mond-Mantel befindet sich eine dünne Schicht mit dem netten Namen KREEP. Das steht für Kalium, Rare Earth Elements und Phosphor und beschreibt ihre Bestandteile. Man geht davon aus, dass es sich hierbei um den Bereich des ehemaligen flüssigen Inneren des Mondes handelt, der als letztes kristallisierte und fest wurde und in dem sich die enstprechenden Elemente konzentrierten. Auch diese KREEP-Schicht ist asymmetrisch; auf der Vorderseite ist sie dicker als auf der Rückseite. Martin Jutzi von der Universität Bern und Erik Asphaug von der Universität in Santa Cruz (Kalifornien) meinen nun herausgefunden zu haben, wie der Mond diese unterschiedlichen Gesichter bekommen hat. In ihrer kürzlich veröffentlichten Arbeit mit dem Titel “Forming the lunar farside highlands by accretion of a companion moon” zeigen sie, dass eine Kollision des Protomondes mit einem zweiten, vergleichsweise großen Mond, der Grund für die Asymmetrie sein könnte. In ihren Simulationen gehen sie davon aus, dass unser Mond nach seiner Entstehung noch eine Zeit lang einen zweiten Begleitmond mit sich herumschleppte. Der saß in einem der stabilen Punkte der Trojanerkonfiguration und hatte einen Durchmesser von 1270 Kilometern. Im Gegensatz zum Mond hatte er keinen Eisenkern und war schneller abgekühlt (er war ja kleiner). Da er sich auf der gleichen Bahn wie der Mond befand, war die Kollisionsgeschwindigkeit am Ende dann vergleichsweise gering. Als der zweite Mond schließlich instabil wurde und auf den Mond prallte, geschah das mit etwa 2.4 Kilometer pro Sekunde. Bei einer Kollision dieser Art, so langsam und mit so einem großen Körper entsteht kein Krater mehr (dafür ist zuviel Material vorhanden). Der zweite Mond klatschte quasi auf den ersten auf und verschmierte sich über die entsprechende Hemisphäre. So entstanden die Gebirge und die dicke Kruste auf der Rückseite. Gleichzeitig quetschte die Kollision aber auch die KREEP-Schicht von der Rückseite nach vorne. Jutzi und Asphaug zeigen in ihren Simulation schön, wie die Kollision diese beiden Effekte verursachen kann – aber war es denn tatsächlich so?
Das werden nur detaillierte Untersuchungen des Mondes zeigen. Die Kruste des zweiten Mondes (der braucht bald mal einen Namen, ansonsten kommt man irgendwann mal mit all den Monden durcheinander) war ja älter als die des großen Mondes; sie wurde ja früher fest. Man müsste also bei einem Vergleich des Gesteins zwischen Vorder- und Rückseite eine Altersdifferenz feststellen können. Auch eine genaue Vermessung des Gravitationsfeldes des Mondes könnte zeigen, dass auf der Rückseite früher einmal ein großes Ding aufgeklatscht ist. Glücklicherweise soll schon nächsten Monat (im September) eine neue Raumsonde der NASA ins All starten. Das “Gravity Recovery and Interior Laboratory” (mit dem schönen Akronym GRAIL) soll genau so eine ausführliche Vermessung des Gravitationsfeldes durchführen. Damit lässt sich dann mehr über die innere Struktur des Mondes herausfinden. Vielleicht wissen wir bald schon definitiv Bescheid, ob die Erde früher mal zwei Monde hatte…
Jutzi M, & Asphaug E (2011). Forming the lunar farside highlands by accretion of a companion moon. Nature, 476 (7358), 69-72 PMID: 21814278
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