Planet X (oder Nibiru) ist einfach nicht tot zu kriegen. Ich habe zwar schon öfter ausführlich erklärt, warum es nicht möglich ist, dass sich da irgendein bisher unbekannter Planet aufmacht, um die Erde im Jahr 2012 zu zerstören. Trotzdem ist das Internet immer noch voll mit Leuten, die genau das behaupten und ich bekomme immer wieder Anfragen, in denen ich gebeten werde zu erklären, wie das denn nun wirklich ist mit Planet X.
Es ist eigentlich nicht schwer, selbst herauszufinden, was Sache ist. Um festzustellen, ob es diesen Planet X geben kann oder nicht, muss man nicht Astronomie studiert haben. Man muss kein Mathe-Genie sein und kein Computer-Programmierer. Es reicht völlig, sich an das zu erinneren, was man in der Schule gelernt hat. Und natürlich muss man bereit sein, selbst nachzudenken. Ich möchte hier einmal ganz im Detail demonstrieren, wie es im Prinzip jedem möglich wäre, die Frage nach dem Planet X für sich selbst eindeutig zu beantworten. Ganz ohne auf irgendwelche YouTube-Videos oder Internetforen vertrauen zu müssen – und als Bonus lernt man dabei gleich auch noch die Grundlagen der Himmelsmechanik!
Der Artikel ist ein wenig lang geworden. Aber nur deswegen, weil ich probiert habe, wirklich alles so ausführlich und einfach wie möglich zu erklären. Es kommt die eine oder andere Formel im Text vor und das, zusammen mit der Länge, schreckt vielleicht manche ab. Aber wer verstehen will, warum es Planet X nicht geben kann – und zwar wirklich selbst verstehen – dem rate ich dringen, die Lektüre bis zum Ende durch zu halten.
Was wissen wir?
Fangen wir mit dem an, was an “Fakten” über Planet X existiert. Wenn man sich auf das beschränkt, dass allen Berichten gemeinsam ist, dann bleibt nicht viel übrig. Aber es reicht uns:
- 1) Planet X bewegt sich mit einer Periode von 3600 Jahre um die Sonne.
- 2) Planet X befindet sich während der meisten Zeit seines Umlaufs fern der Sonne und kommt der Erde nur alle 3600 Jahre nahe.
- 3) Planet X wird im Dezember 2012 der Erde wieder nahe kommen.
Punkt 1) entstammt der “Forschung” von Zecharia Sitchin, der sich die ganze Nibiru-Geschichte erst ausgedacht hat. Sie basiert vor allem auf seiner Fantasie und kaum auf echten Fakten aber die Umlaufperiode von 3600 Jahren hat sich im Weltbild der Planet-X-Fans festgesetzt. Punkt 2) folgt logisch aus der Tatsache, dass wir bis jetzt keinen einen Planet X gesehen haben. Er muss sich also auf einer Bahn befinden, auf der er nur kurz in der Nähe der Erde kommt und sich ansonsten weit draußen im Sonnensystem befindet wo wir ihn nicht sehen können. Und Punkt 3) ist der Grund, warum überhaupt so ein Theater um Planet X gemacht wird – wenn er nicht angeblich am 21.12.2012 mit der Erde kollidieren sollte, dann würde sich ja auch niemand dafür interessieren.
Das sieht nach dürftigen Informationen aus, aber es ist ausreichend, um die Bahn von Planet X zu rekonstruieren. Dafür müssen wir uns nur an 2 Sachen erinnern, die wir – hoffentlich – in der Schule gelernt haben. Einmal sind das die Keplerschen Gesetze aus dem Physik- oder Astronomie-Unterricht. In der kurzen Version lauten sie (ich hab sie direkt aus der Wikipedia übernommen, denn die meisten werden ja sicherlich dort nachschauen und keine alten Schulbücher rauskramen 😉 ):
- 1. Kepler-Gesetz: Die Planeten bewegen sich auf elliptischen Bahnen, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht.
- 2. Kepler-Gesetz: Ein von der Sonne zum Planeten gezogener „Fahrstrahl” überstreicht in gleichen Zeiten gleich große Flächen.
- 3. Kepler-Gesetz: Die Quadrate der Umlaufzeiten zweier Planeten verhalten sich wie die dritten Potenzen (Kuben) der großen Bahnhalbachsen.
Gleich das erste Gesetz sagt uns etwas sehr wichtiges: Planeten können sich nicht beliebig bewegen! Sie bewegen sich auf einer elliptischen Bahn um die Sonne. Wir müssen nun also herausfinden, wie die Bahnellipse von Planet X aussieht. Dazu müssen wir uns nun nicht mehr nur an den Physik-Unterricht erinnern, sondern auch an Mathematik. Irgendwann haben wir dort gelernt, was eine Ellipse ist. Ansonsten fragen wir wieder Wikipedia, die eine ausführliche Antwort hat. Für uns wichtig ist, dass die Form einer Ellipse durch zwei Zahlen definiert ist: Ihre große Halbachse und ihre numerische Exzentrizität. Die große Halbachse ist eine Entfernung und sie gibt an, wie groß die Ellipse ist. Die Exzentrizität ist eine Zahl zwischen 0 und 1 und sagt uns, wie oval die Ellipse ist. Ein Kreis hätte eine Exzentrizität von Null – aber wir wissen ja schon aus dem zweiten Punkt unserer “Fakten”-Liste, dass die Bahn von Planet X kein Kreis sein kann, sondern stark oval sein muss. So in etwa könnte das aussehen:
In seinem sonnennächsten Punkt ist Planet X ihr sehr nahe; so nahe, dass er sich auch in der Nähe der Erde befindet. Dann aber bewegt er sich wieder weit weg und befindet sich die meiste Zeit weit entfernt von der Sonne.
Wie lang ist die Bahn von Planet X?
Probieren wir jetzt mal, die große Halbachse zu bestimmen. Der einzige Zahlenwert den wir haben, ist die Umlaufzeit von 3600 Jahren. Das reicht aber völlig, denn wir können das dritte Gesetz verwenden, das ja explizit von der Umlaufzeit spricht. Jetzt kommen wir nicht an einer kleinen Rechnung vorbei, aber keine Angst, sie ist nicht schwierig. Man kann das dritte Gesetz auf verschiedene Arten mathematisch aufschreiben. Ich habe mich wieder an die Wikipedia gehalten. Gleich die erste Formel die man dort findet schaut nicht ganz so wild aus, also verwenden sie:
Dazu wird erklärt:
Die Quadrate der Umlaufzeiten T1 und T2 je zweier Trabanten um ein gemeinsames Zentrum sind proportional zu den dritten Potenzen der großen Halbachsen a1 und a2 ihrer Ellipsenbahnen.
T1 ist also die Umlaufzeit des ersten Himmelskörpers, also bei uns Planet X. Sie beträgt 3600 Jahre. a1 ist die große Halbachse von Planet X und sie wollen wir ja ausrechnen. T2 und a2 sind Umlaufzeit und Halbachse irgendeines anderen Planeten. Nehmen wir am besten die Erde, die kennen wir gut. Ihre Umlaufzeit (T2) beträgt bekanntermaßen ein Jahr und ihre große Halbachse (a2) finden wir wieder bei Wikipedia: 149,6 Millionen Kilometer. Von den vier Zahlen in der Formel kennen wir jetzt also drei und können leicht die vierte ausrechnen. Tippen wir also die Zahlen in einen Taschenrechner unserer Wahl – zum Beispiel diesen hier – und dann sehen wir, dass die große Halbachse der Bahn von Planet X enorme 35,14 Milliarden Kilometer lang sein muss. Solch große Zahlen sind etwas unhandlich. Am besten, wir vergleichen sie mit der großen Halbachse der Erde, dann sehen wir, dass die Halbachse von Planet X 235 mal größer ist. In der Astronomie verwendet man die Länge der großen Halbachse der Erdbahn übrigens als Standard für eine eigene Entfernungseinheit, die Astronomische Einheit (AE). Die große Halbachse der Erdbahn ist also gerade eine AE lang, bei der Bahn von Planet X sind es 235 AE.
Wie oval ist die Bahn von Planet X?
Jetzt kennen wir also die große Halbachse. Aber wie sieht es mit der Exzentrizität aus? Erinnern wir uns dazu nochmal an “Fakt” Nummer 2 aus der ersten Liste: Planet X kommt der Erde alle 3600 Jahre nahe. Das bedeutet, dass der sonnennächste Punkt seiner Bahn in etwa so weit von ihr entfernt sein muss, wie die Erde selbst. Also eine astronomische Einheit. Wenn wir aber den Abstand des sonnennächsten Punktes von der Sonne kennen und außerdem noch die große Halbachse, dann können wir leicht den Abstand des sonnenfernsten Punktes berechnen. Schauen wir dazu nochmal das Bild von oben an:
Das Bild sollte sich eigentlich selbst erklären. Die ganze Ellipse ist zweimal so lang wie die große Halbachse, also 235 + 235 = 470 AE. Die Länge der Ellipse ist aber auch identisch mit der Entfernung zwischen sonnenfernsten und sonnennächsten Punkt. Die wiederrum ist natürlich identisch mit der Summe aus dem Abstand zwischen sonnenfernsten Punkt und Sonne und sonnennächstem Punkt und Sonne. Wir müssen also von den 470 AE nur 1 AE abziehen – der Abstand des sonnennächsten Punkt von der Sonne – und sehen sofort, dass der sonnfernste Punkt 469 AE weit weg sein muss. Das ist wirklich ordentlich weit weg. Pluto, der früher mal der am weitesten entfernte Planet war, ist an seinem sonnenfernsten Punkt nur 40 AE weit weg.
Wir erkennen im Bild außerdem, dass die Bahn um so elliptischer ist, je stärker sich die Abstände von sonnennächsten und sonnenfernsten Punkt unterscheiden. Wären beiden Werte genau gleich groß, dann wäre die Sonne exakt in der Mitte und die Bahn ein Kreis – und ihre Exzentrizität gleich null. Je weiter die Sonne an den sonnennächsten Punkt heran rückt, desto größer wird die Exzentrizität. Es muss also einen Zusammenhang zwischen Exzentrizität und den Abständen der sonnennächsten/sonnenfernsten Punkte geben. Also fragen wir am besten Google – und die Suchmaschine schlägt uns vor, die Wikipedia auf dieser Seite aufzuschlagen. Dort sehen wir eine einfache Formel, die es uns ermöglicht, die Exzentrizität der Bahn von Planet X zu berechnen:
Das mit “Apoapsis” der sonnenfernste Punkt und mit Periapsis der sonnennächste Punkt gemeint ist, können wir gleich am Anfang des Artikels nachlesen. Setzen wir also ein, dann sehen wir, dass die Exzentrizität einen Wert von 0,99574 haben muss.
Und das wars auch schon! Wir wissen nun, dass sich Planet X auf einer Bahn bewegt, deren Ellipse eine große Halbachse von 235 Astronomischen Einheiten und eine Exzentrizität von 0,99574 haben muss. Das haben wir mit einer Handvoll simplen Rechnungen und etwas grundlegenden Schulwissen herausgefunden. Wir können aber noch mehr tun! Wir können jetzt auch noch nachsehen, wo genau sich Planet X momentan am Himmel befinde und wie hell er dort erscheinen müsste.
Wie bewegt sich Planet X?
Unser Ziel ist es ja, zu überprüfen, ob Planet X existieren kann oder nicht. Deswegen wollen wir jetzt mal schauen, wo der Planet gerade am Himmel zu sehen sein müsste. Denn dann können wir ganz einfach selbst nachsehen, ob er tatsächlich da ist, oder nicht. Aber wie stellen wir das an? Wir könnten in die Bibliothek gehen, und dicke Wälzer über Himmelsmechanik lesen. Die sind voll mit langen mathematischen Formeln und mit einigen davon kann man auch ausrechnen, wie weit Planet X im Moment gerade von der Erde entfernt sein muss. Aber diese Formeln sind nichts für Leute mit schwachen Nerven und selbst mir manchmal zu viel (und ich bin immerhin Himmelsmechaniker!). Glücklicherweise geht es auch einfacher. Heutzutage haben wir Computer und das Internet und beide bieten uns die Möglichkeit, die Bewegung von Himmelskörpern ganz einfach und ohne großartige Mathematikkenntnisse zu simulieren. Eine entsprechende Suche im Internet bringt uns schnell zu einem Programm namens Celestia. Mit ihm lässt sich die Bewegung der Planeten im Sonnensystem visualisieren (und es ist Open Source, als besteht nicht die Gefahr, dass die böse Weltverschwörung im Quellcode rumgepfuscht hat). Das Programm ist kostenlos und schnell installiert. Jetzt können wir uns ansehen, wie sich die Erde bewegt, der Mars und all die anderen Planeten, Asteroiden und Kometen unseres Sonnensystems. Aber natürlich ist Planet X nicht dabei. Wir müssen also irgendwie einen neuen Planeten in Celestia einbauen. Der Wikipedia-Artikel zu Celestia informiert uns:
“Über 10 GB an Erweiterungen (so genannten Add-Ons) sind zur Ergänzung des Basisprogramms verfügbar. Diese enorme Menge ist das Ergebnis der Aktivitäten einer kleinen, aber sehr produktiven Benutzergemeinschaft, die das Programm unterstützt. Die größte Sammlung wird von dem Portal „Celestia Motherlode” (siehe Weblinks) bereitgestellt. (…) Es wurden auch Erweiterungen für Science-Fiction-Begeisterte entwickelt, welche Universen aus berühmten Filmen wie Star Wars oder Star Trek simulieren, aber auch selber ausgedachte Planetensysteme ohne Bezug auf einen Film oder Buch.”
Selbst ausgedachte Planetensysteme! Genau das, was wir suchen! Also auf zu “Celestia Motherlode”, und dort am besten gleich in die Abteilung “Fictional”. Wir haben Glück! Dort finden wir einen Eintrag mit dem Titel “RS Planet X – Nibiru v1” der auf eine zip-Datei verlinkt. Wir laden sie runter und öffnen sie. Es handelt sich um eine Archiv-Datei die, ausgepackt, mehrere Dateien enthält. Eine davon heisst “ReadMe.txt” und wenn wir sie lesen, erfahren wir genau, was wir tun müssen, damit Celestia in Zukunft auch Planet X anzeigt: einfach den ganzen Schwung an Dateien in den Ordner “extras” im Celestia-Ordner (der sich vermutlich bei C:\Programme\Celestia befindet) kopieren und fertig. Jetzt enthält unser Sonnensystem auch den Planet X und wir können uns anschauen, wie er sich bewegt.
Als erstes fällt uns wahrscheinlich auf, wie enorm elliptisch die Bahn tatsächlich ist. Wenn wir so weit rauszoomen, dass wir die Bahn komplett sehen können, ist das ganze bekannte Sonnensystem zu einem kleinen Punkt zusammengeschrumpft. Wir wollen aber jetzt ja sehen, ob es tatsächlich zu einer Begegnung mit der Erde kommt. Spulen wir also mal vor und sehen nach, was 2012 passiert. Nichts – Planet X ist da nämlich überhaupt nicht in der Nähe der Erde 🙁 Hmm – was jetzt? Wir schauen am besten mal nach, was dieser Planet X den wir da gerade installiert für eine Bahn hat und ob die identisch mit der ist, die wir oben ausgerechnet haben. Also öffnen wir die “PlanetX.ssc”-Datei (ansonsten befinden sich ja nur noch jpg-Bilder im Ordner) und sehen erstmal jede Menge Zeug, das uns eventuell etwas kryptisch vorkommt, je nachdem ob wir Ahnung von Celestia haben oder nicht. Aber ein paar Sachen könnten uns bekannt vorkommen – zum Beispiel die Zeilen:
EllipticalOrbit
{
Period 3600
SemiMajorAxis 236
Eccentricity 0.9917
Period, Eccentricity, Elliptical Orbit: Man muss nicht mal englisch können, um zu verstehen, dass es hier um die elliptische Bahn eines Planeten und deren Exzentrizität geht. Und ein kürzer Blick ins Wörterbuch bestätigt, dass “SemiMajorAxis” für die große Halbachse steht. Die Werte die hier eingetragen sind, stimmen aber nun tatsächlich nicht mit denen überein, die wir oben ausgerechnet haben. Also ersetzen wir sie! Bei SemiMajorAxis tragen wir “235” ein und bei Eccentricity die “0.99574”. In den folgenden Zeilen stehen aber noch mehr Zahlen unter den Stichwörtern: Inclination, AscendingNode, ArgOfPericenter, MeanAnomaly, Epoch und Albedo. Was haben die zu bedeuten? Das lässt sich mit einer Übersetzung und einer Google-Suche rausfinden: es handelt sich um die restlichen Bahnelemente. Wie wir der Wikipedia entnehmen können, handelt es sich dabei um sechs Zahlen, die die Bahn eines Himmelkörpers eindeutig festlegen (wer genau Bescheid wissen will, kann nachlesen, was ich hier über die Bahnelemente geschrieben habe). Ist ja auch eigentlich klar, dass wir mit Halbachse und Exzentrizität noch nicht fertig waren. Denn die legen ja nur die Form der Bahnellipse fest – aber wissen noch nichts darüber, wie diese Ellipse im Raum orientiert ist. Da der Raum drei Dimensionen hat, brauchen wir auch logischerweise drei Winkel, um die Lage eindeutig anzugeben. Das sind die Inklination (inclination), die Knotenlänge (AscendingNode) und das Argument der Periapsis (ArgOfPericenter). Und wir müssen natürlich auch noch irgendwie festlegen wo sich der Planet auf der Ellipse gerade befindet. Das kann man mit der mittleren Anomale (MeanAnomaly) machen. “Epoch” und “Albedo” haben nichts mit der Bahn an sich zu tun; mit der Epoche wird einfach nur der Zeitpunkt angegeben, für den die Werte berechnet wurden und Albedo beschreibt, wie gut der Planet Licht reflektiert.
Uns interessiert aber erstmal nur die Bahn. Die Werte für Exzentrizität und große Halbachse haben wir ja jetzt schon korrigiert – aber woher sollen wir wissen, welche Werte wir bei den drei Winkeln eintragen sollen? Gute Frage – wahrscheinlich könnte man wieder mit den komplizierten Formeln aus den Himmelsmechanik-Wälzern rumspielen und berechnen, wie genau die Winkel aussehen müssen, damit eine Bahn entsteht, auf der Planet X genau am 21.12.2012 der Erde nahe kommt. Aber das wollen wir ja vermeiden, also verwenden wir eine andere Methode: Wir probieren einfach so lange rum, bis wir eine passende Bahn haben! Dazu setzen wir erstmal alle vier fehlenden Zahlen (Inclination, AscendingNode, ArgOfPericenter, MeanAnomaly) auf den Wert “0”. Für die Inklination ist das sogar schon ein guter und plausibler Wert. Denn sie gibt ja an, wie stark die Bahn des Planeten gegenüber der Erdbahn geneigt ist. Und die Bahnen der anderen Planeten sind alle so gut wie gar nicht geneigt – es ist also eine gute Annahme, auch bei Planet X erstmal davon auszugehen, dass die Bahn nicht geneigt ist. Wenn wir nun wieder unsere Simulation laufen lassen, dann sehen wir, dass Planet X sich an seinem sonnennächsten Punkt zwar in der Nähe der Erdbahn befindet, aber nicht in der Nähe der Erde. Um das zu ändern, müssen wir die Bahn in der Ebene der Erdbahn drehen, und zwar so lange, bis ihr sonnennächster Punkt genau dort ist, wo sich die Erde am 21.12.2012 befindet. Der entsprechende Winkel ist das Argument der Periapsis (ArgOfPericenter). Um es ein wenig einfacher zu machen, hab ich mir gleich ein paar Planet X-Kopien gebastelt und sie alle auf die Reise geschickt (ich hab auch noch gleich die ganzen Monde gelöscht, die auch noch in der PlanetX.ssc-Datei definiert waren – kann man aber auch lassen, die spielen keine Rolle). Alle hatten die gleichen Werte für die Bahnelemente, nur die Zahlen für das Argument der Periapsis hab ich geändert. Lässt man all diese Planeten dann gemeinsam in Celestia laufen, sieht man auch schön, wie sich eine Änderung des Periapsis-Arguments auf die Bahn auswirkt:
Wenn man den Maßstab etwas ändert, dann sieht es so aus:
Man kann jetzt also den Winkel immer weiter ändern, die Bahn immer weiter drehen und irgendwann landet der sonnenächste Punkt genau dort, wo sich die Erde am 21.12.2012 befindet. Bei mir war das bei einem Winkel von 90 Grad der Fall. Jetzt ist also die Erde am besagten Tag am Treffpunkt – aber Planet X noch nicht. Damit der pünktlich kommt, müssen wir die mittlere Anomalie ändern. Also habe ich wieder die Werte verändert und geschaut, welche Zahl am besten passt. Man bemerkt hier wieder einmal schnell die Auswirkungen des zweiten Keplerschen Gesetzes. Ist Planet X auf seiner Bahn weit weg von der Sonne, dann bewegt er sich so langsam, dass man die Zeit richtig stark beschleunigen muss um eine Bewegung zu erkennen. In der Nähe der Erde flutscht er aber mit einem Wahnsinnstempo durch. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass man hier den wirklich exakten Wert für die mittlere Anomalie finden muss, denn der Zeitraum in dem sich Planet X in der Nähe der Erde befindet ist so kurz, das man es wirklich genau timen muss, wenn sie sich exakt am 21.12.2012 begegnen sollen. Hier ist ein Bild mit drei Planet-X Kopien auf identischen Bahnen, nur ihre mittlere Anomalie hat sich geändert – und das nur minimal (die Werte betragen 150.08, 150.085 und 150.09 Grad). Trotzdem sind die Planeten an ganz unterschiedlichen Orten:
Nach ein bisschen rumprobieren bin ich schließlich bei einem Wert von 150.08815 Grad für die mittlere Anomalie gelandet. Das scheint optimal zu sein – jetzt begegnen sich Erde und Planet X genau am 21. Dezember 2012. Um 6:55 MEZ erreichen sie ihren kleinsten Abstand von 2.5 Millionen Kilometern. Sie stossen nicht zusammen – aber das war auch klar. Denn wir sind ja davon ausgegangen, dass der sonnennächste Punkt der Bahn von Planet X bei genau 1 AE liegen soll, also auf Höhe der Erdbahn. Wenn wir eine Kollision wollen, hätten wir den sonnennächsten Punkt der Bahn von Planet X in einen Bereich legen müssen, der innerhalb der Erdbahn liegt. Nur so können sich die beiden Bahnen kreuzen. Aber die Liste von “Fakten” ganz oben spricht ja auch nur davon, dass sich die beiden Planeten nahe kommen und nicht auch gleich kollidieren. Immerhin soll Planet X ja alle 3600 Jahre vorbeikommen und bei den früheren Begegnungen sind sie auch nicht kollidiert. Die Annäherung so eines großen Planeten auf wenige Millionen Kilometer an die Erde würde aber in der Realität auch ausreichen, um es auf der Erde etwas ungemütlich werden zu lassen. Der große Planet würde die Bahn massiv stören und wer weiß, wo die Erde am Ende landen würde – es kann gut sein, dass sie ganz aus dem Sonnensystem fliegt oder auf ihrer neuen Bahn mit der Sonne oder einem der anderen Planeten kollidiert.
Unser erstes Ziel haben wir also erreicht. Wir haben es durch simple Rechnungen und ein bisschen Rumprobieren am Computer geschafft, herauszufinden welche Bahn Planet X haben muss. Celestia zeigt uns nun für jeden beliebigen Zeitpunkt, wo sich der Planet gerade befindet. So sieht das zum Beispiel momentan (19. August 2011) aus:
Planet X befindet sich zur Zeit also schon weit innerhalb der Saturn-Bahn und wird in Kürze die Bahn des Jupiter kreuzen – nur falls es ihn gibt, natürlich. Dank Celestia können wir nun auch nachsehen, wir sich der Abstand zwischen Erde und Planet X im Laufe der Zeit ändert. Wir müssen in Celestia nur Planet X auswählen und die Informationen links oben, zeigen uns den Abstand zur aktuellen Position an. Wir zoomen also so nah an die Erde wie es möglich ist und wenn wir nun die Zeit schneller ablaufen lassen, können wir genau sehen, wie sich der Abstand ändert. Ich hab das hier mal für die kommenden Monate, bis zum Dezember 2012, aufgezeichnet:
Es mag vielleicht manche überraschen, das der Abstand zwischen Planet X und der Erde noch bis zum Dezember 2011 wächst anstatt kleiner zu werden. Das liegt daran, dass sich der Planet zwar stetig der Sonne nähert, aber das deswegen nicht unbedingt auch für die Erde gelten muss. Denn die bewegt sich auch um die Sonne und manchmal läuft sie dem Planet X dabei quasi davon.
Nibiru auf geneigter Bahn
Bevor wir weitermachen, möchte ich noch auf einen Einwand eingehen, an den manche vielleicht gerade denken. Weiter oben habe ich gesagt, dass man davon ausgehen kann, dass die Bahn des Planet X genau in der Ebene der Erdbahn bzw. der Bahn der anderen Planeten befindet. Aber was, wenn das gar nicht so ist? Man liest in einschlägigen Publikationen oft, dass die Bahn von Planet X um 90 Grad gegenüber der Erdbahn geneigt sein soll. Der Planet soll sich also quasi von oben (bzw. von unten, je nachdem) anschleichen. Kein Problem, auch das können wir testen. Setzen wir einfach die Bahnneigung von Planet X von 0 auf 90 Grad. Um nicht durcheinander zu kommen, werde ich diese Variante des Planet X im Folgenden “Nibiru” nennen. Wenn wir Celestia nun die neue Bahn anzeigen lassen, haben wir allerdings ein Problem. Auf der neuen Bahn nähert sich Nibiru nun irgendwie gar nicht mehr der Erde (Klar, der sonnennächste Punkt wurde nun ja auch aus der Ebene der Erdbahn rausgedreht):
Wenn wir in dieser Konfiguration die Erde und Nibiru nahe zusammen bringen wollen, dann müssen wir wohl die Bahn noch etwas exzentrischer machen. Ein Wert von 0.9979 hat sich bei mir als brauchbar erwiesen. Wir werden außerdem den Winkel der Knotenlänge ändern müssen, um die geneigte Bahn an die richtige Stelle zu drehen:
Jetzt spielen wir wieder mit den anderen Zahlen so lange rum bis alles passt und am Ende begegnen sich Nibiru und die Erde am 21. Dezember 2012. Die passende Bahn hat eine große Halbachse von 235, eine Exzentrizität von 0.9979 und eine Inklination von 90 Grad. Die Knotenlänge beträgt 90 Grad, das Argument der Periapsis 91 Grad und die mittlere Anomalie ist 150.0775. Auf dieser Bahn wird sich Nibiru am 21. Dezember 2012 um 22:19 der Erde auf 2.2 Millionen Kilometer nähern. Wenn wir die Entfernung der nächsten Monate wie oben bestimmen, dann sehen wir keinen allzu dramatischen Unterschied:
Wie hell ist Planet X?
Wir haben schon ziemlich viel herausgefunden. Wir haben exakt die Bahn bestimmt, die Planet X haben muss, damit er im Dezember 2012 auf der Erde Ärger machen kann. Wir haben nachgesehen, wie weit er sich momentan von der Erde entfernt befndet und wie sich dieser Abstand im Laufe der Zeit ändert. Falls wir jetzt von der These ausgehen, dass Planet X wirklich existiert, sind wir nun in der Lage, eine überprüfbare Vorhersage zu machen – wir können jetzt nämlich bestimmen, wie hell der Planet am Himmel erscheinen muss. Natürlich gibt es dafür eine schöne Formel:
Die schaut kompliziert aus, ist auch kompliziert (Wikipedia erklärt es genauer) und man kann mit ihr zwar die Helligkeit von Planet X ausrechnen, aber das ist nicht wirklich trivial. Also lassen wir es und suchen uns einen einfacheren Weg. Die Helligkeit eines Himmelskörpers wird davon bestimmt, wieviel Licht er von der Sonne in Richtung Erde reflektiert. Das hängt einerseits von seinem Abstand zur Sonne und der Erde ab. Andererseits spielt natürlich auch die Größe eine Rolle: Je größer der Planet, desto mehr Licht reflektiert er. Die Angaben über die Größe von Nibiru/Planet X variieren zwar, je nach Quelle (deswegen hab ich sie nicht in die Liste der “Fakten” oben aufgenommen), aber die Leute scheinen sich weitesgehend einig zu sein, dass es sich um einen Gasriesen wie Jupiter handelt, vermutlich sogar noch viel größer. Ein Planet, größer als Jupiter, der sich näher an der Erde befindet als Jupiter, muss natürlich auch annähernd so hell bzw. heller sein als Jupiter. Ich habe in das Diagramm von oben den maximalen/minimalen Abstand von Jupiter und Mars eingezeichnet (die Infos findet man in der Wikipedia):
Planet X ist uns also jetzt schon näher als der Jupiter, wenn er am weitesten von der Sonne entfernt ist. Und er ist uns definitiv viel näher als der Saturn. Wer schon mal nachts ein wenig den Himmel beobachtet hat, der weiß, dass Jupiter und Saturn zu den hellsten Objekten gehören, die man dort so sehen kann. Planet X soll nun viel größer als Jupiter sein der wiederum größer ist als der Saturn. Und unsere Berechnungen haben gezeigt, dass Planet X der Erde jetzt schon näher sein muss, als Saturn uns jemals kommen kann. Er ist uns jetzt schon so nahe wie der Jupiter es oft ist. Man müsste ihn also auf jeden Fall auch jetzt schon am Himmel sehen, so hell wie Saturn, so hell wie Jupiter. Dafür braucht man kein Teleskop und kein Fernglas. Es reicht aus, in einer klaren Nacht ins freie zu treten und die Augen nach oben zu richten. Irgendwo dort muss man schon seit einiger Zeit einen hellen Punkt beobachten können, der sich so wie die anderen Planeten bewegt (anstatt still zu stehen wie die Sterne), der aber keiner der bisher bekannten Planeten ist. Es ist unmöglich, dass jemand diesen Planeten übersehen hat. Gut, vielen Leuten würde es schwer fallen, auf Anhieb alle hellen Punkte da am Himmel zu identifizieren. Aber Millionen Hobby-Astronomen überall auf der Welt wissen genau, wann welcher Planet wo am Himmel zu sehen ist. Und wenn da plötzlich ein neuer wäre, dann würden sie es zweifelsfrei merken! Da kann auch keine Regierung etwas vertuschen. Selbst wenn die Regierungen dieser Welt es schaffen würden, alle Astronomen unter ihre Kontrolle zu bringen – nichts könnte uns daran hindern, die Daten der Bahn von Planet X die wir oben berechnet haben, zu benutzen, um herauszufinden, wo er sich gerade am Himmel befinden muss. Das geht mit Celestia, es geht aber auch mit anderen Programmen wie zum Beispiel der Open-Source-Software Stellarium. Ich habe unsere Daten von oben dort mal eingegeben und geschaut, wie der Himmel aussehen müsste. Stellarium erlaubt es nämlich auch, die Lichtverschmutzung zu simulieren. Und selbst an einem Himmel der in etwa dem entspricht, den man in einer hell beleuchteten Stadt betrachten kann, ist Planet X heute Nacht (22. August 2011) gut zu sehen:
Um Planet X zu vertuschen, müssten “sie” schon jedem einzelnen Menschen auf dieser Welt verbieten, nachts den Himmel zu betrachten und das würde vermutlich auffallen.
Planet X gibt es nicht!
Hat noch jemand bis hier her mitgelesen? Ich weiß, es war ein sehr langer Text – aber auch ein sehr gründlicher. Wir haben, ausgehend von sehr wenigen “Fakten”, herausgefunden, auf welcher Bahn sich Planet X um die Sonne bewegen muss, wenn er denn wirklich existiert. Wir haben gezeigt, dass Planet X für jeden deutlich sichtbar am Himmel stehen muss, sollte es ihn geben. Planet X ist aber nicht zu sehen – wir können daraus also folgern, dass er nicht existiert! Um das herauszufinden, haben wir keine großartige Mathematik benötigt, kein langes Astronomiestudium. Wir mussten uns an die Keplerschen Gesetze erinnern, die wir in der Schule kennengelernt haben. Wir mussten ein bisschen bei Google und Wikipedia rumstöbern und ein wenig mit einem Computerprogram spielen. Das, was ich hier in aller Ausführlichkeit demonstriert habe, kann jeder nachvollziehen der das gerne tun möchte. Man braucht dazu keine Fachkenntnisse. Man muss nur willens sein, ein wenig nachzudenken. Jeder könnte das herausfinden, was ich hier vorgerechnet habe. Leider scheinen sich viele darauf zu beschränken, die absurden Behauptungen einfach zu glauben und weiter zu verbreiten, die sie irgendwo aufschnappen. Mein langer Artikel hier war der Versuch zu demonstrieren, dass es nicht nötig ist, irgendwem zu glauben. Man kann wissen! Es dauert vielleicht ein bisschen, bis man am Ende die Realität kennt. Aber dafür ist man dann in der schönen Situation, zweifelsfrei Bescheid zu wissen. Probiert es mal aus, wenn ihr das nächste Mal auf eine dramatisch-fantastisch klingenden Behauptung stosst. Nachdenken kann äußerst befriedigend sein – darum machen Wissenschaftler ja auch ihren Job so gerne 😉
Nachtrag: Falls noch jemand das Argument des “unsichtbaren Planet X” auspackt: Das wollte ich hier nicht auch noch mit rein nehmen. Hier hab ich es ja schon behandelt. Die Kurzfassung: auch ein unsichtbarer Planet hätte immer noch eine gravitative Wirkung. Wir wissen ja nun, dass er schon auf Höhe der Jupiterbahn sein muss und selbst wenn er unsichtbar wäre, würde er die Bahnen der anderen Planeten stören. Um das zu überprüfen müssten wir z.B. nur mit Stellarium/Celestia schauen, wo die bekannten Planeten am Himmel zu sehen sein müssten und dann nachprüfen, ob sie auch wirklich da sind.
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