Der Placebo-Effekt ist eine seltsame Sache. Eine seeehr seltsame Sache. Wie seltsam, dass demonstriert dieses Video recht schön, dass ich kürzlich im Internet gefunden habe.
Schon cool irgendwie, dass ein Mittel ohne jede wirkende Substanz solche Effekte haben kann. Aber! werden jetzt sicher gleich einige einwerfen, wenn die Placebos dann ja doch “wirksam” sind, warum soll man die Leute sie nicht verwenden lassen? Warum sind die Wissenschaftler so fies und wollen den Leuten ihre Globulis, ihre Klangschalen und Ohrenkerzen und all den anderen pseudomedizinischen Kram wegnehmen? Wenns nicht wirkt, dann könnte man doch immer noch den mächtigen Placeboeffekt ausnutzen (Ein Beispiel für diese Art der Argumentation wurde erst kürzlich bei Telepolis veröffentlicht – lest aber auch die sehr gute Replik dazu). Ja, warum nicht?
Weils nicht klappt! Ja, der Placeboeffekt existiert und wie das Video zeigt, kann er sehr einflußreich sein. Aber wie das Video auch gezeigt hat, ist es nicht wirklich möglich, den Placeboeffekt systematisch ausnutzen. Mal “wirkt” er besser, mal “wirkt” er schlechter – er unterscheidet sich von Land zu Land, von Person zu Person und er lässt sich nicht kalkulieren. Auf dieser Basis kann man keine ernsthafte Therapie entwicklen! Falls ihr es damals noch nicht getan habt, empfehle ich euch dringend, den Gastbeitrag von Florian Albrecht zu lesen. Er ist praktizierender Arzt und ausführlich die Probleme erklärt, die sich beim Einsatz von Placebos in der Therapie ergeben.
Abgesehen von den praktischen Problemen gibt es natürlich auch ein ethisches Problem. Will ein Arzt ein Placebo einsetzen, dann muss er den Patienten anlügen. Er muss behaupten, ihm ein echtes Medikament zu verabreichen, obwohl dem nicht so ist. Er muss dem Patienten ein Präparat ohne Wirkstoff verschreiben, obwohl es für die Krankheit mit ziemlicher Sicherheit auch ein echtes Medikament mit nachgewiesener Wirkung gibt. Ich weiß nicht, wie es dem Rest der Menschen geht. Aber ich möchte, dass mein Arzt ehrlich mir gegenüber ist, mich nicht anlügt und mir die bestmöglichen Medikamente verabreicht. Vom Placeboeffekt profititieren kann man ja trotzdem immer noch. Das die Menschen sich nach einem Besuch beim Homöopathen oft viel besser fühlen, liegt nicht nur an den Placebo-Globulis, die sie bekommen haben, sondern auch an dem langen und ausführlichen Gespräch, das ebenfalls als Placebo wirkt. Das klappt natürlich auch beim echten Arzt, nur hat der meistens nicht so viel Zeit für seine Patienten. Das liegt aber am Gesundheitssystem, und hat nichts mit der Medizin selbst zu tun.
Placeboeffekt und Pseudomedzin (ich hab mich entschlossen, das Wort “Alternativmedizin” nicht mehr zu verwenden, denn bei dem was es beschreibt handelt es sich weder um Medizin noch um eine Alternative) werden von den Medizinern nicht deswegen abgelehnt, um den den Patienten zu entmündigen, wie man oft lesen kann, sondern weil sich der Placeboeffekt schlicht und einfach nicht für eine gezielte und vernünftige Therapie eignet…
Übrigens: Es gibt eine ePetition, die ihr unterschreiben könnt, die thematisch hier dazu passt. Es geht um eine Dokumentationspflicht auch für Heilpraktiker. Wenn es schon Leute geben muss, die abseits von echter Medizin kranke Menschen behandeln, dann sollten sie zumindest verpflichtet werden, ihre “Behandlungen” zu dokumentieren.
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