Astronomen machen ja manchmal seltsame Sachen. Über ein paar dieser Geschichten habe ich schon einmal berichtet. Aber wenn man viele Bücher über die Geschichte der Astronomie liest, dann stößt man auf immer mehr solcher seltsamen biografischen Fakten. In einem Nebensatz eines Buches, dass eigentlich ein ganz anderes Thema hatte, wurde zum Beispiel erwähnt, dass Jérôme Lalande gerne mal Spinnen gegessen hat. Das fand ich dann doch interessant und habe mal ein wenig recherchiert.
Jérôme Lalande ist ein relativ bekannter französischer Astronom. Zumindest die Himmelsmechaniker werden ihn kennen, denn auf diesem Gebiet hat er am längsten gearbeitet. Lalande wurde 1732 geboren, starb 1802 und dazwischen hat er sich mit Sternen und Planeten beschäftigt. Obwohl er ja eigentlich als Jurist begann. Aber die Astronomie ließ ihn nicht los, er führte weiter astronomische Berechnungen durch, korrespondierte mit Kollegen – unter anderem dem großen Leonard Euler – und gab die juristische Arbeit dann doch zugunsten der astronomischen auf. 1752 wurde er dann sogar Direkter der Sternwarte in Berlin, kam aber bald wieder zurück nach Frankreich.
Dort untersuchte er die Bewegung des Kometen Halley. Anfang des 18. Jahrhunderts nutzte Edmund Halley das erst kürzlich gefundene Gravitationsgesetz von Isaac Newton um vorherzusagen, dass ein Komet, der 1682 sichtbar war, 1759 wiederkehren würde. Das stimmte, und der Komet wurde nach Halley benannt. Lalande war auch damit beschäftigt zu berechnen, wann genau Komet Halley denn nun wieder kommen würde. Dabei verwendete er die Störungsrechnung um auch die Störungen berücksichtigen zu können, die die anderen Planeten auf Halley ausübten. So gelang es ihm, die Bahn wesentlich genauer zu bestimmen und den Zeitpunkt der Wiederkehr wesentlich besser angeben zu können als die restlichen Astronomen. Bei seiner Berechnungen wurde er von Nicole-Reine Lepaute, einer Astronomin, unterstützt. Dass Frauen Mathematik betrieben, kam damals selten vor, war aber auch nicht allzu unüblich. Sehr unüblich war aber die Tatsache, dass Lalande den Beitrag von Lepaute in der Öffentlichkeit nicht verschwieg, sondern sich – im Gegensatz zu seinen Kollegen – sehr lobend über ihre Arbeit äußerte und erklärte, dass er seine Berechnungen nicht ohne ihre Mitarbeit durchführen hätte können.
1773 veröffentlichte Lalande seine Arbeit “Réflexions sur les comètes qui peuvent approcher de la Terre”; ein Werk, in dem er die Kometen untersuchte, die in die Nähe der Erde gelangen konnten. Und obwohl darin nichts von einer drohenden Gefahr zu lesen war, verbreiteten sich doch Gerüchte, dass am 20. Mai 1773 ein Komet auf die Erde stürzen und sie zerstören würde. Lalande probierte die Menschen zu beruhigen, was aber nicht viel nutzte, die Geschichte verselbständigte sich und es gab eine regelrechte Massenpanik. Seit damals hat sich wohl nicht viel geändert…
Auf die erfolgreiche Arbeit am Kometen Halley folgte eine große Karriere. Lalande wurde Professor für Astronomie am Collège Royale, 1791 dann sogar Rektor des Collège de France und sorgte dafür, dass dort auch Frauen zugelassen wurden. 1795 wurde er Direktor der Pariser Sternwarte. Außer dieser Zeit stammt auch ein Sternkatalog mit über 50000 Einträgen. Science-Fiction-Fans werden daraus vielleicht den Stern Lalande 21185 kennen, der in vielen Büchern bzw. Filmen auftaucht. Auch der Stern VY Canis Majoris, der größte bisher bekannten Stern, tauchte das erste Mal in Lalandes Katalog auf.
Aber was war denn nun mit den Spinnen? Lalande war auch ein überzeugter Atheist, hat 1799 sogar ein “Wörterbuch für Atheisten” veröffentlicht. Er hatte auch keine Hemmungen, öffentlich über Atheismus zu sprechen und Religion mit dem ganz normalen Aberglauben zu vergleichen:
“Man glaubt an Wunder, Zauberer, Geister; man fürchtet sich vor Donner, Spinnen, Mäusen und in stärkerem Ausmaß glaubt man an Gott” (“Jérôme Lalande, Diary of a Trip to England, 1763” von Richard Watkins)
Dass man weder an Gott glauben muss, noch vor Spinnen Angst zu haben braucht, demonstrierte er dann auch immer wieder bereitwillig. Der Journalist Charles Joseph Colnet Du Ravel schreibt:
“Er hatte oft eine Schachtel voll mit Spinnen in seiner Tasche aus der er in Gesellschaft gerne eine herausholte, sie in seine Finger nahm, an ihr lutschte und sie dann herunter schluckte, während er versicherte, dass es kein besseres oder schmackhafteres Fleisch gäbe.” (“Jérôme Lalande, Diary of a Trip to England, 1763″ von Richard Watkins)”
Das war also die Geschichte, über den Astronom der Spinnen aß. Und ich denke, ich muss mir mal eine ausführliche Biografie von Lalande besorgen. Der Mann war definitiv interessant!
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