Wissenschaft ist eigentlich ein Beruf wie jeder andere auch. Manche Dinge sind allerdings anders. Man kann einfach nicht auf Kommando neue Dinge entdecken. Im Zuge der wissenschaftlichen Arbeit gibt es daher immer auch Phasen, in denen die Kreativität Pause macht und einem schlicht und einfach nichts einfällt. Die Experimente wollen nicht gelingen, die Ideen führen alle in Sackgassen und man geht jeden Abend von der Universität nach Hause, ohne etwas Vernünftiges geschafft zu haben. Das passiert jedem, selbst der große Richard Feynman hatte diese Phasen und meinte, dass er zu dieser Zeit glücklich darüber war, Lehrveranstaltungen halten zu können. So kam er sich nicht völlig nutzlos vor. Solche Zeiten, in denen nichts klappen will, sind deprimierend. Aber man muss trotzdem dran bleiben. Wenn man nicht aufgibt, dann wird es wieder besser.
Ich habe vor kurzem in den Tagebüchern von Heinrich Hertz gelesen (gibt es hier online). Hertz war einer der bedeutendsten Physiker des 19. Jahrhunderts. Es gelang ihm, die Existenz elektromagnetischer Wellen nachzuweisen. Ohne ihn gäbe es heute kein Radio, kein Fernsehen – die gesamte moderne Technik beruht auf der drahtlosen Übertragung elektromagnetischer Signale. Und trotzdem hatten auch Genies wie Hertz Phasen, in denen nichts klappen wollte.
Die Tagebücher von Hertz sind richtig packend (und ich muss David Bodanis und seinem Buch “Das Universum des Lichts” für den Hinweis darauf danken). Die Geschichte, wie Hertz nach langen Phasen ohne Erfolg am Ende doch mit seinen Experimenten erfolgreich war, erzählt er daher am besten selbst!
1884
10. Januar. Hydrodynamik getrieben.
11. Januar. Problem der Hydrodynamik aufgegeben
27. Januar. Über elektromagnetische Strahlen nachgedacht
13. Mai. Ausschließlich Elektrodynamik.
16. Mai. Den ganzen Tag Elektrodynamik gearbeitet.
26. Juni. Elektrodynamik bis aufs Abschreiben fertig.
3. Juli. Elektrodynamik nachgedacht.
4. Juli. Elektrodynamik immer noch ohne Erfolg.
11. Juli. Meistenteils vergeblich Elektrodynamik nachgedacht.
14. Juli. Ausschließlich Elektrodynamik getrieben.
17. Juli. In schlechter Stimmung und nichts angreifen können.
24. Juli. Unlustig zur Arbeit.
7. August. In Ries Reibungselektrizität gesehen, daß das bisher Gefundene meist schon bekannt.
16. September. Hydrodynamik wieder aufgenommen.
18. September. Wieder einmal ohne Erfolg Hydrodynamik getrieben.
24. Oktober. Wieder zur Elektrodynamik gewendet.
25. Oktober. Elektrodynamik nachgedacht.
29. Oktober. Sehr schlechte Laune.
30. Oktober. Hydrodynamisches Problem wieder angegriffen.
6. November. Heftig gerechnet an der Hydrodynamik.
7. November. Wiederum intensiv gerechnet. Abends hoffte Erfolg zu haben, aber das Result wieder nichts!
11. November. Nichts getan und ganz mutlos wegen des Mißglückens des hydrodynamischen Problems.
1885
12. Dezember. Wieder mit unnützen Gedanken mich geplagt.
22. Dezember. Alle diese Zeit schwer mit Mißmut und Hoffnungslosigkeit gekämpft.
31. Dezember. Froh, daß dies Jahr herum und hoffend, daß kein solches folgt.
1886
19. März. Theorie der elektrodynamischen Maschine studiert.
7. April. Geärgert über das Nichtfortrücken der Arbeiten im Laboratorium und Lärm gemacht.
16. September. Unschlüssig, welche Arbeit zu beginnen.
26. Oktober. Versuche gemacht über Funken in kurzen Metallkreisen.
12. November. Interessante Wirkung der Induktion dargestellt.
6. Dezember Versuche über die Fernwirkung des Funkens gemacht.
1887
31. Januar. Täglich niedergeschrieben an der Arbeit.
14. März. Weiter an der Arbeit über die elektrischen Schwingungen gearbeitet.
7. September. Im Laboratorium die Arbeit begonnen, über schnelle Schwingungen.
10. September. Experimentiert und mit Erfolg.
17. September. Die Versuche geben sehr schöne und sich zusammenfügende Resultate.
7. November. Stehende elektrische Schwingungen in geradlinig gespannten Drähten aufgefunden von 3 m Wellenlänge.
17. Dezember. Mit Erfolg experimentiert.
28. Dezember. Experimentiert und die Wirkung der elektrodynamischen Wellen auf 14 m hin wahrgenommen.
31. Dezember. Gern auf das Jahr zurückgesehen.
1888
28. März. Beschlossen, zuerst die Versuche über die Wellen aufzuschreiben und angefangen.
7. April. Gerechnet und nachgedacht über elektrodynamische Dinge.
13. Oktober. Versuche über das Eindringen der elektrischen Kraft in das Innere festgeschlossener Räume.
9. Dezember. Einige Nachversuche und niedergeschrieben für die Akademieberichte. Spazierengegangen.
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