Ein Asteroid wird morgen Nacht an der Erde vorbei fliegen. Das ist an sich nicht wirklich außergewöhnlich. Es gibt da draußen jede Menge Asteroiden und sie kommen der Erde immer wieder nahe. Je kleiner ein Asteroid ist, desto mehr gibt es davon und daher sind die meisten Besucher der Erde auch nicht sonderlich groß. Staubkorngroße “Asteroiden” begegnen uns täglich, es gibt davon so viele, dass die Erde ständig mit ihnen kollidiert und wir schöne Sternschnuppen am Himmel sehen können. Auch größere Brocken kommen immer wieder mal in der Nähe der Erde vorbei, wobei “Nähe” hier ein irreführender Begriff ist. Bei astronomischen Maßstäben betrachtet mag ein Vorbeiflug innerhalb der Mondbahn vielleicht “nah” sein. Was menschliche Maßstäbe angeht, sind das aber immer noch zehntausende bis hunderttausende Kilometer und das ist alles andere als “nah”. Trotzdem ist es ein besonderes Ereignis, wenn ein relativ großer Asteroid wie 2005 YU55 sich der Erde nähert. Das kommt nicht so oft vor und bietet der Wissenschaft großartige Möglichkeiten für die Forschung.
Der Asteroid 2005 YU55 hat einen Durchmesser von etwa 400 Metern und wird die Erde morgen Nacht, am 9. November um 00:28 MEZ in einem Abstand von etwa 325000 Kilometern passieren. Damit ist er uns kurzfristig näher als der Mond, der knapp 400000 Kilometer von der Erde entfernt ist (und an dem 2005 YU55 übrigens ein paar Stunden nach der Begegnung mit der Erde in einer Entfernung von 240000 km vorbei fliegen wird). Für die Erde besteht dabei absolut keine Gefahr; der Asteroid kreuzt die Erdbahn nicht einmal sondern bewegt sich über ihr hinweg.
Die Weltuntergangspropheten mögen also vielleicht enttäuscht sein, die Wissenschaftler allerdings sind begeistert. Denn so ein großer Asteroid kam der Erde schon lange nicht mehr so nahe. Einen ähnlichen Vorbeiflug gab es das letzte Mal 1976, als der etwa 200 Meter große Asteroid 2010 XC15 sich der Erde bis auf 300000 Kilometer näherte. Das hat aber damals niemand bemerkt weil XC15 erst im Dezember 2010 entdeckt wurde. Wir müssen auch einige Zeit warten, bis wir wieder Besuch von einem großen Asteroiden bekommen. Am 26. Juni 2028 wird sich der 700 bis 1500 Meter große Asteroid 2001 WN5 uns bis auf 250000 Kilometer nähern. 2005 YU55 selbst wird erst 2041 wieder vergleichbar nahe kommen. Große Asteroiden kommen uns also selten nahe und wenn es passiert, dann muss man die Gelegenheit nutzen!
Das machen die Astronomen natürlich und haben sich gut auf den Besuch von YU55 vorbereitet. Das Deep Space Network der NASA, mit dem normalerweise der Funkverkehr zwischen Raumsonden und Bodenstationen auf der Erde abgewickelt wird, hat den Asteroiden schon seit 4. November im Visier. Mit der großen Radaranlage des Goldstone Deep Space Communications Complex werden Signale zu YU55 geschickt. Nicht weil man glaubt, dass dort Aliens wohnen denen man etwas erzählen will 😉 Sondern weil die Signale vom Asteroiden reflektiert und wieder am Goldstone Observatorium empfangen werden. Aus der Laufzeit der Signale kann man dann ganz exakt die Position von YU55 bestimmen und so seine Bahn immer besser und besser berechnen. Die ist aber schon ziemlich gut bekannt, denn man hat schon letztes Jahr eine nahe Begegung von YU55 mit der Erde (bei der der Asteroid sich allerdings nur auf 2 Millionen Kilometer näherte) genutzt, um seine Bahn mit Radarsignalen genau zu vermessen – seitdem wissen wir auch, dass keine Gefahr besteht, dass YU55 mit der Erde zusammenstößt. Man kann auf diese Art und Weise aber nicht nur die Bahn bestimmen. Auch die Form des Asteroiden lässt sich so “beobachten”. Denn je nachdem wie die Oberfläche dort aussieht werden manche Bereich des Asteroiden der Erde ein wenig näher sein als andere und die Signal von dort auch ein wenig früher zurück kommen. So kann man ein Bild des Asteroiden bekommen (hier gibt es eine genaue Erklärung der Technik).
Im April 2010 war es das Radioteleskop in Arecibo, das YU55 beobachtet hat. Seitdem weiß man, dass der Asteroid einigermaßen rund ist, knapp 400 Meter durchmisst und 18 Stunden braucht, um sich einmal um seine Achse zu drehen. Und so sieht er aus:
Sieht vielleicht nicht sehr beeindruckend aus, aber wenn man bedenkt, dass wir nur von ganz wenigen Asteroiden echte Bilder haben, ist es ganz in Ordnung. Und nicht vergessen: Damals war YU55 2 Millionen Kilometer entfernt. Jetzt kommt er uns auf 325000 Kilometer nahe! Für die Wissenschaftler ist das in etwa so, als hätte man eine Raumsonde zum Asteroiden geschickt um ihn zu untersuchen – nur das wir hier keine teuren Satelliten und Raketen bauen müssen sondern das Ding ganz freiwillig zu uns kommt und sich komfortabel von der Erde aus beobachten lässt. Am Goldstone Observatorium bereitet man sich als vor und wird demnächst hochauflösende Bilder von YU55 präsentieren können. Man rechnet damit, auf der Oberfläche des Asteroiden Details bis zu einer Größe von 3,75 Metern erkennen zu können!
Etwas schwerer werden es die Beobachter ohne große Radioantennen haben. Auch wenn YU55 der Erde nahe kommt, ist er immer noch weit weg und immer noch vergleichsweise klein. Ohne Teleskop hat man keine Chance, ihn zu sehen, der Asteroid erreicht nur eine Helligkeit von 11 oder 12 Magnituden. Wer ein kleines Teleskop (mit einer Öffnung von mindestens 15 Zentimetern) hat, kann aber einen Versuch wagen.
Aber selbst dann wird man vermutlich nicht viel sehen. Der Asteroid ist vergleichsweise schnell unterwegs und auch im Teleskop nur als Lichtpunkt zu erkennen. Auch wenn es sich hier um eine “nahe” Begegnung handelt: Er ist einfach zu weit entfernt und zu klein. Also definitiv keine Gefahr für die Erde, aber eine tolle Chance für die Wissenschaft!
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