Ich komme gerade von der Auftaktveranstaltung der Langen Nacht der Wissenschaft in Jena. Die wurde als “Bunte Wissensshow zur Eröffnung der Langen Nacht. Mit Live-Experimenten und vielen Gästen.” angekündigt. Moderiert wurde sie von Ralph Caspers, allen bekannt als Moderator bei der “Sendung mit der Maus” und “Wissen macht Ah!”. Ich fand es wirklich toll, das Jena so eine ideale Besetzung für die Eröffnungsshow gefunden hat. Caspers gehört zu den wenigen Menschen im deutschen Fernsehen, die Erwachsene und Kinder für die Wissenschaft begeistern können. Dementsprechend viel habe ich mir von der Show erwartet. Nicht erwartet habe ich allerdings, dass die Veranstaltung so absolut miserabel organisiert war.
In einer großen Menschentraube voller Leute, die sich ganz offensichtlich ebenso auf Ralph Caspers und die Eröffnung gefreut haben, sind wir zum Institut für Photonische Technologien (IPHT) marschiert, wo alles stattfinden sollte. Warum auch nicht – die Optik hat in Jena traditionell einen sehr hohen Stellenwert, das IPHT ist also durchaus ein geeigneter Platz für den Auftakt einer Langen Nacht der Wissenschaft. Habe ich jedenfalls gedacht.
Zusammen mit den anderen Besuchern haben wir auf den Einlass gewartet. Als es dann endlich los ging, habe ich eigentlich damit gerechnet, einen großen Hörsaal zu betreten. Oder einen Veranstaltungsraum. Oder eine sonst irgendwie geeignete Lokalität, in der man eine Show dieser Größenordnung durchführen kann. Gelandet sind wir dann im Foyer des IPHT – ein langer, schmaler Raum mit einer kleinen Bühne am Ende. Die hunderten Menschen drängten sich nach vorne, klar man will ja etwas sehen. Es war nämlich sofort klar: Man sieht nur von ganz vorne etwas. Wir hatten Glück und landeten ziemlich nahe an der Bühne. Wer weiter hinten stand, hatte Pech. Vor allem die Kinder waren in der Menschenmenge eingezwängt und konnten nichts sehen. Es gab zwar ein paar Bildschirme, auf denen man die Veranstaltung verfolgen konnte. Aber ich bin mir sicher, dass die vielen Leute, die Ralph Caspers “Bunte Wissensshow” sehen wollten, nicht wirklich Lust hatten, sie eingezwängt in einer Menschenmenge auf einem Monitor anzusehen.
Es war wirklich äußerst ärgerlich. In warmer Winterkleidung (Garderobe gab es keine) musste man nun erstmal 30 Minuten, dicht an dicht an andere Leute gedrängt, darauf warten, dass die Show losging. Die Kinder quängelten (bis auf die wenigen, die es geschafft hatten, einen Platz direkt an der Bühne zu ergattern), ich habe einige heulen sehen, weil ihnen das Gedränge und die Hitze zu viel wurden. Irgendwann ging es dann doch los. Ralph Caspers betrat die Bühne und war wie üblich hervorragend. Er hat probiert, das Beste aus der Situation herauszuholen, die Organisation der Veranstaltung hat es ihm nicht leicht gemacht. Das unnötige Gespräch mit dem Oberbürgermeister von Jena(inklusive dessen peinliche Versuche, Werbung für Rot-Grün zu machen) hat er geschickt über die Runden gebracht (Ernsthaft: Ich warte immer noch auf den Tag, an dem ein Politiker bei einer unpolitischen Veranstaltung auftritt und es auf die Reihe kriegt, einfach mal normal zu sein und auf die üblichen politischen Platitüden und die Wahlwerbung verzichtet). Das Laserexperiment mit dem Jürgen Popp, dem Direktor des IPHT, war spannend und in Ordnung. Die folgende Vorführung – über einen die “Jenaer Biochip Initiative” – war vom rein wissenschaftlichen Standpunkt auch interessant. Es ging um einen speziellen Chip, mit dem man in wenigen Minuten Krankheitserreger nachweisen kann. Eine gute Sache – aber nichts, was man mal eben so vernünftig auf einer Bühne erklären kann. Man sah einen Wissenschaftler, der an einer komischen Maschine einen Haufen Knöpfe drückte. Wer Ahnung vom Thema hatte, wusste was vor sich ging, wer keine Ahnung hatte, hat dadurch nicht viel gelernt. Caspers hat zwar versucht, das alles möglichst anschaulich und lustig zu erklären – aber vor allem das junge Publikum hatte schnell das Interesse verloren. Noch weniger interessierte die Kinder der folgende Auftritt von zwei Vertreterinnen der Deutschen Bank und der “Land der Ideen-Initiative. Jetzt erfuhren wir nämlich den Grund, warum man sich für die Show gerade dieses ungeeignete Experiment ausgesucht hatte: Der Biochip-Initiative wurde die Auszeichnung “Ausgewählter Ort im Land der Ideen” verliehen. Prinzipiell eine tolle Sache (wie gesagt, der Chip war ein wirklich gutes wissenschaftliches Projekt). Aber in einer “Bunte Wissensshow” will man nicht unbedingt Vertreter der Deutschen Bank die üblichen Platitüden über Wirtschaft, Zukunft und Arbeitsplätze wiederholen hören. Vor allem dann nicht, wenn das Publikum hauptsächlich aus Kindern und jungen Leuten besteht, die, angelockt durch Ralph Caspers, gekommen sind, um verständliche Wissenschaft zu sehen.
Ich kann ja verstehen, dass das IPHT stolz darauf, diese Auszeichnung erhalten zu haben. Aber sowohl Publikum als auch die Preisträger wären besser dran gewesen, wenn man die Preisverleihung von der Eröffnungsshow getrennt hätte. Wenn man schon Ralph Caspers einlädt (und die Show im Programm auch noch extra als “für Kinder” kennzeichnet), dann muss man auch damit rechnet, dass vor allem junge Leute kommen. Darauf muss man sich entsprechend einstellen und keine langweilige Preisverleihung veranstalten, die ein Projekt betrifft, dass man in der kurzen Zeit kaum vernünftig erklären kann. Und vor allem: Wenn man eine Eröffnungsshow für eine große Veranstaltung wie die Lange Nacht der Wissenschaft veranstaltet und dazu einen Publikummagneten wie Caspers engagiert, dann soll man sich dafür einen vernünftigen Ort besorgen und die Leute nicht in ein absolut unpassendes Institutsfoyer quetschen! Es ist ja nicht so, dass es in Jena keine besseren Plätze geben würde. In verschiedensten Instituten der Uni gibt es Hörsäle, die ein paar hundert Leute fassen. Es gibt Veranstaltungsräume, wie das Volksbad in Jena. Dort wurde 2009 die Eröffnungsshow abgehalten. Damals war es das Team der Sendung “Kopfball”, die die Veranstaltung durchgeführt hat und sie war wirklich hervorragend. Es ist mir völlig unverständlich, was man sich dabei gedacht hat, die Eröffnung der Langen Nacht der Wissenschaft auf diese Art und Weise zu organisieren. Oder besser: nicht zu organisieren. Das war ein völliger Flop und selbst Ralph Caspers, der wirklich sehr gut war, konnte nichts dagegen ausrichten, dass man am Ende verärgert, unzufrieden (und völlig überhitzt und durchgeschwitzt) das IPHT verlassen hat. Und wenn ich dem folge, was die Menschen um mich herum erzählt haben, dann war ich bei weitem nicht der Einzige, dem es so ging. “Das ist wieder typisch für die Wissenschaftler. Kein Wunder, dass die das nicht auf die Reihe gebracht haben”, sagte die Frau neben mir. Nicht gerade die Botschaft, die man von einer Langen Nacht der Wissenschaften mitnehmen möchte…
Wir sind dann nach diesem Reinfall erstmal nach Hause gegangen, das Kind wollte ein wenig Erholung nach dem Stress dort und hatte keine wirkliche Lust mehr auf weitere Wissenschaftsaktivitäten. Ich hoffe aber sehr, dass der Rest der Langen Nacht genauso hervorragend war, wie in den letzten Jahren!
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