Vor einer Woche hat die Erde Besuch vom Asteroiden 2005 YU55 bekommen. Asteroiden fliegen ja immer wieder mal an der Erde vorbei – diesmal aber war es ein vergleichsweise naher Vorbeiflug eines vergleichsweise großen Objekts. Gefahr für die Erde bestand hier zu keiner Zeit, der Abstand war immer noch groß genug! Die Wissenschaftler allerdings waren begeistert und haben die Gelegenheit genutzt, um jede Menge Beobachtungen anzustellen.
Neben den Wissenschaftlern haben natürlich auch jede Menge Hobby-Astronomen die Chance genutzt und 2005 YU55 beobachtet (hier gibt es einen Überblick über alle Beobachtungen). Aber auch wenn der Asteroid der Erde näher kam als der Mond, konnte man nicht mehr sehen als einen Lichtpunkt. Und selbst dafür brauchte man noch ein Teleskop, Auge oder Fernglas reichten nicht. YU55 hat eben nur einen Durchmesser von etwa 400 Meter. So haben Astronomen vom Starhoo Observatory in Massachusetts den Asteroiden am 8. November 2011 gesehen (das Video zeigt keine Bewegung in Echtzeit):
Etwas genauer konnte der Asteroid mit den großen Radioteleskopen des Goldstone Observatoriums untersucht werden. So richtig “sehen” können wir Objekte mit Radiostrahlung natürlich nicht. Aber wir sind trotzdem in der Lage, etwas über seine Größe und seine Form herauszufinden. Wenn man Radiowellen in Richtung des Asteroiden schickt, dann treffen sie auf ihn auf und werden reflektiert. Dort, wo es auf der Oberfläche Erhebungen gibt, trifft das Signal früher auf, wird früher wieder reflektiert und kehrt daher auch früher wieder zum Radioteleskop zurück. Aus einer sorgfältigen Analyse der Ankunftszeiten der Signale bekommt man also schon ein paar grundlegende Informationen über die Form des Asteroiden.
So wie alle anderen Himmelsobjekte dreht sich 2005 YU55 aber auch um seine eigene Achse (er braucht für eine Umdrehung etwa 18 Stunden). Teile des Signals treffen also auf eine Oberfläche, die sich auf uns zu bewegt, andere Teile treffen auf die andere Hemisphäre, die sich gerade von uns weg dreht. Und genauso wie sich die Frequenz der Schallwellen ändert, die zum Beispiel ein vorbeifahrendes Polizeiauto aussendet (und dabei den typischen Ton erzeugt), können wir auch bei den ankommenden Radiosignalen vom Asteroiden einen Dopplereffekt messen. Der erlaubt es uns, Strukturen auf der Oberfläche zu erkennen. Man kann mit dieser Technik feststellen, von welchem Längengrad das Signal ausgesandt wurde, kann aber nicht unterscheiden, ob es von der nördlichen oder südlichen Hemisphäre stammt. Würden wir diese Technik bei der Erde anwenden, dann könnte man beispielsweise herausfinden, ob ein Signal aus New York oder Madrid kommt, aber nicht, ob es von New York oder Santiago de Chile reflektiert wurde. Die “Bilder”, die man mir den Radarmessungen bekommt, zeigen also kein echtes Abbild des Asteroiden. Man sieht Nord- und Südhälfte des Objekts überlagert. Man sollte sich dieser Aufnahmen eher als Diagramm vorstellen, und weniger als Fotografien.
Wie auch immer: Mit dieser Technik gelang es jedenfalls, 2005 YU55 mit einer Auflösung von 4 Metern pro Pixel zu machen. So sieht das dann aus:
Hier ist das ganze nochmal als Standbild:
Radiowellen hat das Keck-Observatorium auf Hawaii nicht benutzt. Dort hat man probiert, die Infrarotstrahlung zu beobachten, die vom Asteroiden abgegeben wird und dieses schöne Bild erhalten:
Anhand dieser Aufnahme konnte man feststellen, dass 2005 YU55 höchstwahrscheinlich keine größeren “Monde” hat (Doppelasteroiden sind gar nicht so selten – hier ist ein besonders schönes Exemplar). Man hat außerdem gemerkt, dass YU55 womöglich etwas kleiner ist, als man bisher dachte, genaueres werden aber erst weitere Beobachtungen zeigen – wie zum Beispiel die, die mit dem großen Weltraumteleskop Herschel gemacht wurden (die sind aber noch nicht ausgewertet und veröffentlicht).
Die Astronomen haben aber noch viel mehr Augen und haben auch SWIFT auf YU55 angesetzt. Dessen Aufgabe ist es eigentlich nach Gammablitzen im All zu suchen. SWIFT kann aber nicht nur Röntgenstrahlung sehen sondern auch UV-Strahlung. Asteroiden senden zwar weder Röntgen- noch UV-Strahlung aus – 2005 YU55 kann aber die UV-Strahlung der Sonne reflektieren und genau das hat man beobachtet:
Normalerweise sollte sich – während der kurzen Zeit der Aufnahme – der Asteroid ja in einer geraden Linie über den Himmel bewegen (so wie man es im ersten Video vom Starhoo Observatory sieht). Das tut er natürlich auch – aber da SWIFT ein Satellit im Weltall ist und sich selbst recht schnell bewegt (alle 90 Minuten umrundet er die Erde einmal) verändert sich sein Blickwinkel auf den Asteroid und es erscheint so, als würde er einer gekrümmten Bahn folgen.
Messungen wie SWIFT oder das Keck-Teleskop angestellt haben, sind übrigens nicht nur an sich interessant. Sie könnten auch eine Rolle spielen, wenn uns irgendwann mal tatsächlich ein Asteroid zu nahe kommen sollte. Denn dann müssen wir uns etwas ausdenken, um ihn wieder los zu werden (siehe dazu auch meine Serie über Asteroidenabwehr: Asteroidenabwehr: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5). Eine der vielen Möglichkeiten die uns dafür zur Verfügung stehen, ist der Einsatz von Strahlungsdruck oder Jarkowski-Effekt. Damit wird der direkte Einfluss der Sonnenstrahlung auf die Bewegung eines Asteroiden bezeichnet. Die unterschiedliche starke Abstrahlung die von unterschiedlich warmen Hemisphären erfolgt, erzeugt eine winzige Kraft, die unter Umständen aber ausreichen kann, die Bahn eines Asteroiden genügend zu ändern. Damit so etwas klappt, muss man aber genau wissen, wie ein Asteroid zum Beispiel Infrarot- oder eben auch UV-Strahlung reflektiert, genau das, was SWIFT getan hat. Noch besteht keine Gefahr, von den Asteroiden die wir kennen (und wir kennen viele!) befindet sich keiner auf Kollisionkurs. Aber es ist immer gut, wenn man vorbereitet ist…
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