Es gibt jede Menge tolle Spielsachen, mit denen man Kindern die Wissenschaft näher bringen kann. Am besten ist es natürlich, man baut selber etwas zusammen. Aber auch fertige Experimentierkästen, die im Spielzeughandel erhältlich sind, können viel Spaß machen. Bei manchen Einfällen der Spielzeugindustrie frage ich mich aber, was das noch mit Wissenschaft zu tun haben soll. Zum Beispiel beim Experimentierset “Sternenschweif – Magische Kräfte” von Kosmos.
So sieht das rosafarbene Ungetüm aus, das mir heute im Spielzeugladen entgegengesprungen ist:
Ok – Pferde, Einhörner, Magie, Glitzerkram und alles rosa. Der typische Kram eben, der alle Mädchen-Klischees bedient. Soweit nichts außergewöhnliches, das findet man in den Spielzeugläden leider überall. Interessant wird erst die Rückseite. Dort wird erklärt, worum es sich handelt: Ein Spielzeug, mit dem man Wissenschaft kennenlernen kann:
Man kann also “Sternenschweifs magische Kräfte erwecken” und aus einem “Geheimbuch” “in 20 Experimenten all die zauberhaften Phänomene dieser Welt” kennenlernen. Und was sind das für Phänomene?
“Schmetterlinge, die auf deiner Fingerspitze schweben, Freundschaftsbänder, die niemals entzweit werden (…) und Einhörner, die bis zu den Sternen fliegen.”
Also versteht mich jetzt nicht falsch. Ich bin unbedingt dafür, so vielen Menschen wie möglich etwas über Wissenschaft beizubringen. Das gilt ganz besonders für Kinder und noch mehr bei Mädchen, die durch die diversen Geschlechterklischees sowieso ständig Gefahr laufen, von einer Beschäftigung mit den Naturwissenschaften abgebracht zu werden. Wenn man sich also Gedanken darüber macht, wie man interessantes und zielgruppengerechtes Wissenschaftsspielzeug produziert, dann ist das prinzipiell in Ordnung. Aber dieser Rosa-Einhorn-Glitzer-Wahnsinn erscheint mir dafür absolut unbrauchbar. Da werden die Klischees und Geschlechterrollen erst recht wieder zelebriert und zementiert. Und auch wenn es völlig in Ordnung ist, auf die Faszination hinzuweisen, die Wissenschaft ausübt und auf all die wunderbaren Phänomene, die es in unserer Welt zu beobachten und zu verstehen gibt: Mit “magischen Kräften” zu hantieren ist für ein vernünftiges Verständnis der Natur ziemlich kontraproduktiv.
Wirklich grauenhaft ist dann noch diese Aussage:
Dort steht tatsächlich:
“Mit diesem einzigartigen Experimentierkasten erleben Mädchen eine traumhafte Welt und entdecken ganz nebenbei, dass sich hinter Naturgesetzen sehr geheimnisvolle Dinge verbergen!”
Eine “traumhafte Welt”. Und “geheimnisvolle Dinge”. Gehts noch? Wie wäre es, wenn die Mädchen statt einer Traumwelt die echte Welt erleben könnten? Und anstatt ihnen beizubringen, dass Naturgesetze “geheimnisvoll” sind, könnte man ihnen zeigen, wie man die Naturgesetze verstehen kann!
Ich bezweifle nicht, dass sich Kinder mit diesem Experimentierkasten amüsieren können. Es ist Spielzeug. Aber dieses Spielzeug mit dem Anspruch verkaufen zu wollen, es handle sich dabei um eine Möglichkeit, Mädchen die Naturwissenschaft zu vermitteln, halte ich für absurd. Naturwissenschaft hat nichts mit “Zaubersprüchen” oder “magischen Kräften” zu tun. Ganz im Gegenteil! Ich verstehe nicht, woher der Drang kommt, alles in rosa Glitzerwölkchen zu hüllen, was mit Mädchen zu tun hat. Wer braucht rosa Teleskope oder Mikroskope (zu diesem Thema hat übrigens Ludmila einen hervorragenden Artikel geschrieben). Aber mir geht es hier gar nicht so sehr um den Pink-Aspekt. Ich finde es zwar bedenklich, dass es anscheinend nicht möglich ist, Kinder ohne diese ganzen Quatsch von wegen “Mädchen spielen mit rosa Puppenkram, Jungs mit Autos und anderem Technikzeugs” groß zu ziehen. Aber was ich an diesem Spielzeug wirklich kritisiere, ist der Versuch, Wissenschaft zu einer mystischen Zauberwelt zu erklären. Genau das ist das große Problem bei der Wissenschaftsvermittlung! Es geht darum, den Menschen (egal ob sie Erwachsene oder Kinder sind, Jungen oder Mädchen) zu vermitteln, dass unsere Welt keine geheimnisvolle Zauberwelt ist, sondern eine Welt, die wir verstehen können. Wissenschaft ist nichts, vor dem man Angst haben muss. Man muss das “Ach, das versteh ich ja alles sowieso nicht” irgendwie überwinden. Den Kindern einzureden, dass Naturgesetze geheimnisvoll sind und Wissenschaft dazu dient “magische Kräfte” zu erwecken, bewirkt genau das Gegenteil. Schenkt euren Kindern was Vernünftiges zu Weihnachten! Mein Tipp: Dauerkarten fürs Planetarium. Das ist enorm faszinierend, man lernt jede Menge über die Welt und dort ist definitiv nichts rosa.
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