Manchmal hat auch das Universum gutes Timing. Am ersten Weihnachtsfeiertag im Jahr 2010 beobachtete das Weltraumteleskop SWIFT wie ein Stern plötzlich enorm hell aufleuchtete. Nein, es war nicht der Stern von Bethlehem und das “Leuchten” war uns Menschen auch nicht sichtbar. Es handelte sich um einen sogenannten “Gammablitz” (“Gamma-Ray-Burst (GRB)”). Über diese dramatischen Ereignisse habe ich hier und hier schon ausführlich geschrieben. Man hat diese Ereignisse in den 1970er Jahren entdeckt. Eigentlich hatte man vor, nach den charakteristischen Gammastrahlenausbrüchen zu suchen, die Atomwaffentests verursachen. Das man dabei gewaltige Explosionen in fernen Galaxien entdeckt, hat alle überrascht. Heute weiß man, dass sehr große Sterne ihr Leben in einer gewaltigen Explosion – einer Hypernova – beenden und dabei kurzfristig gewaltige Mengen an Strahlung ins All senden. Eine zweite Art von Gammablitz entsteht, wenn zwei Neutronensterne miteinander kollidieren. Der Gammablitz am Weihnachtstag 2010 (GRB 101225A) stellte die Astronomen aber vor ein Rätsel. Mit den bekannten Modellen ließ er sich nicht erklären.
Zum einen dauerte er deutlich länger, als es bei einem typischen Gammablitz der Fall ist. Und auch sein “Nachglühen”, also die Strahlung, die man nach dem Gammablitz noch messen kann, entsprach nicht dem, was man erwartet hatte. Anstatt der typischen energierreichen Synchrotronstrahlung beobachtete man hier normale thermische Strahlung. Zwei internationale Wissenschaftlerteams haben nun zwei Theorien veröffentlicht, die das erklären können. Beide sind äußerst cool.
Christina Thöne vom Astrophysikalischen Institut Andalusiens hat das eine Team geleitet (mit dabei übrigens auch Alexander Kann von der Thüringer Landessternwarte in Tautenburg bei Jena). Sie meint, dass der Weihnachtsblitz die Folge eines “helium star-neutron star merger with a common envelope phase” war. In astronomischen Jargon klingt das aber längst nicht so beeindruckend wie es wirklich ist. Man geht davon aus, dass es sich ursprünglich um ein Doppelsternsystem in einer anderen Galaxie gehandelt hat. Die beiden Sterne waren einander sehr nahe. Einer von ihnen wurde am Ende seines Lebens ein Neutronenstern. Das ist ein nur wenige Kilometer großes Objekt, das aber trotzdem noch so viel Masse wie ein ganzer Stern hat! Dieser extrem dichte Himmelskörper teilte sich das System nun mit dem anderen Stern. Der ist ebenfalls nicht mehr der jüngste. In seinem Kern wurde der Wasserstoff schon fast vollständig zu Helium umgewandelt. Er brennt nun heißer als vorher und seine äußere Hülle dehnt sich aus. Irgendwann hat der Riesenstern den Neutronenstern verschluckt. Gas aus der Sternatmosphäre fällt nun auf die Oberfläche des Neutronensterns. Der Neutronenstern bewegt sich immer näher an das Zentrum des Riesensterns. Das geht recht schnell. Die Modelle zeigen, dass der Neutronenstern gerade mal 5 Umrundungen (das dauert etwa 18 Monate) des Heliumkerns schafft, bevor er mit ihm kollidiert. Wenn beide miteinander verschmelzen, entsteht ein “Jet”. Das ist Material, dass mit annähernd Lichtgeschwindigkeit davon geschleudert wird. Es trifft auf die äußeren Hüllenreste des Riesensterns und erzeugt dabei einen Gammablitz mit genau den Eigenschaften, die man am 25. Dezember 2010 (übrigens der Geburtstag von Christina Thöne) beobachtet hat.
Eine spektakuläre Erklärung. Fast noch besser (sage zumindest ich als jemand, der sich viel mit kollidierenden Asteroiden beschäftigt hat) ist die Theorie von Sergio Campana vom Osservatorio Astronomico di Brera und seinen Kollegen. Im Gegensatz zu Thöne und ihren Kollegen gehen sie davon aus, dass der Gammablitz nicht in einer fernen Galaxie stattfand, sondern unserer eigenen Milchstraße. Aber auch hier ist ein Neutronenstern der Ausgangspunkt. Anstatt mit einem Riesenstern zu kollidieren, soll nun aber ein Asteroid der Grund für den Gammablitz sein! Wie oben schon erwähnt, ist ein Neutronenstern extrem dicht. Die Masse unserer gesamten Sonne ist hier auf einen Raum von knapp 20 Kilometern komprimiert. Die Gravitationskraft, die der Neutronenstern ausübt, ist zwar immer noch die selbe, die auch unsere Sonne ausüben würde (die Masse ist ja identisch). Die Masse ist aber in einem kleinen Bereich konzentriert und diesem Bereich kann man sich viel weiter nähern. Das bedeutet, dass einerseits die Gezeitenkräfte in der Nähe des Neutronensterns enorm stark sind. Andererseits kann ein Asteroid in der Umgebung eines so dichten Objekts auch auf relativistische Geschwindigkeiten beschleunigt werden. Das führt zu folgender Situation: Der Neutronenstern hat – vielleicht beim Vorbeiflug an einem anderen Stern – einen Asteroiden eingefangen, der etwa halb so schwer ist wie Ceres (der größte Asteroid im Hauptgürtel des Sonnensystems). Dieser Asteroid kommt auf seiner Bahn dem Neutronenstern sehr nahe. So nahe, dass er durch die Gezeitenkräfte auseinander gerissen wird. Die Bruchstücke fallen dann mit annähernd Lichtgeschwindigkeit auf die Oberfläche des Neutronensterns und erzeugen dabei gigantische Explosionen. Ein Gammablitz entsteht, der ebenfalls genau die am 25. Dezember 2010 beobachteten Eigenschaften hat.
Ein Phänomen, zwei Erklärungen. Eine davon ist auf jeden Fall falsch, vielleicht auch alle beide. Noch hat man nicht genügend Daten, um definitiv sagen zu können, wie der Weihnachtsblitz entstanden ist. Eines aber ist klar: In unserem Universum passieren immer wieder Dinge, die einen sprachlos und zutiefst beeindruckt zurück lassen!
Thöne, C., de Ugarte Postigo, A., Fryer, C., Page, K., Gorosabel, J., Aloy, M., Perley, D., Kouveliotou, C., Janka, H., Mimica, P., Racusin, J., Krimm, H., Cummings, J., Oates, S., Holland, S., Siegel, M., De Pasquale, M., Sonbas, E., Im, M., Park, W., Kann, D., Guziy, S., García, L., Llorente, A., Bundy, K., Choi, C., Jeong, H., Korhonen, H., Kubànek, P., Lim, J., Moskvitin, A., Muñoz-Darias, T., Pak, S., & Parrish, I. (2011). The unusual γ-ray burst GRB 101225A from a helium star/neutron star merger at redshift 0.33, Nature, 480 (7375), 72-74 DOI: 10.1038/nature10611
Campana, S., Lodato, G., D’Avanzo, P., Panagia, N., Rossi, E., Valle, M., Tagliaferri, G., Antonelli, L., Covino, S., Ghirlanda, G., Ghisellini, G., Melandri, A., Pian, E., Salvaterra, R., Cusumano, G., D’Elia, V., Fugazza, D., Palazzi, E., Sbarufatti, B., & D.Vergani, S. (2011). The unusual gamma-ray burst GRB 101225A explained as a minor body falling onto a neutron star, Nature, 480 (7375), 69-71 DOI: 10.1038/nature10592
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