Es war schon immer der Traum der Alchemisten, ein Element in ein anderes zu verwandeln. Geschafft haben sie es nie, aber aus ihren Versuchen hat sich immerhin die ernsthafte Wissenschaft der Chemie entwickelt. Heute wissen wir, wie man Elemente in andere Elemente umwandeln kann. Wir könnten sogar Blei zu Gold machen, so wie es der Wunsch der Alchemisten war. Es wäre nur nicht sonderlich rentabel, weil man dazu einen gewaltigen Teilchenbeschleuniger braucht und immer nur einzelne Atome umwandeln kann. Die Natur dagegen ist effizienter. Sie transformiert Elemente in großem Stil. Wir können dabei sogar live zusehen.
Es hat ein bisschen gedauert, bis die Menschen herausgefunden hatten, wie die verschiedenen Elemente entstanden sind, aus denen unser Universum entsteht. Zuerst musste man die Idee entwickeln, dass alles aus Atomen besteht und dann verstehen, dass es verschiedene Sorten von Atomen gibt. Als man dann am Anfang des 20. Jahrhunderts auch die innere Struktur der Atome einigermaßen verstanden hatte, war der Weg frei für die Suche nach dem Ursprung der Elemente. Es stellte sich heraus, dass es zwei verschiedene Prozesse gab. Die leichten Elemente Wasserstoff und Helium (und in geringen Mengen noch ein paar andere) entstanden direkt nach dem Urknall. Die schwereren Elemente wie zum Beispiel Kohlenstoff, Sauerstoff oder Silizium (also die Elemente, aus denen wir Menschen und unsere Erde bestehen), wurden erst später in den Sternen produziert. In ihrem heißen Inneren finden Kernreaktionen statt, bei denen die leichten Elemente zu schwereren fusioniert werden. Am Ende ihres Lebens, wenn die Sterne explodieren, werden all diese Elemente ins All verstreut. Im Inneren eines Sternes kann man allerdings nichts machen, was schwerer als Eisen ist. Eisen lässt sich nicht mehr weiter fusionieren. Dabei würde keine Energie mehr frei werden; man müsste noch extra Energie zuführen. Der Ursprung der ganz schweren Elemente war daher noch lange unklar. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erhielt man ein klares Bild. Schwere Elemente wie zum Beispiel Gold entstehen während der gigantischen Supernova-Explosionen. Wenn ein Stern am Ende seines Lebens in sich zusammenfällt und explodiert, dann sind die Temperaturen kurzfristig hoch genug, um auch noch das Eisen in andere Elemente umzuwandeln.
Dass Supernovae etwas mit der Umwandlung von Elementen zu tun haben müssen, hatten die Astronomen schon länger vermutet. Bei einer Supernova beginnt ein normaler Stern plötzlich so hell zu strahlen wie eine ganze Galaxie. Diese Phase dauert allerdings nur kurz. Schon wenige Tage nach dem Helligkeitsmaximum wird sie wieder dunkler. Der Helligkeitsabfall verlief allerdings nicht ganz so stark, wie man es erwartet hätte. Irgendetwas musste auch nach der Explosion noch Energie liefern und die Supernova heller leuchten lassen als erwartet. Als sich der Astronom Geoffrey Burbridge in den 1950ern die Lichtkurve einer Supernova ansah, stellte er fest, dass sie nach 55 Tagen nur noch halb so hell war wie zu Beginn. Weitere 55 Tage später hatte sich die Helligkeit nochmal halbiert. Ebenso nach den nächsten 55 Tagen. Das Verhalten erinnerte Burbridge an die Halbwertszeit einer radioaktiven Substanz. Auch hier zerfällt nach einer bestimmten Zeit immer die Hälfte des Materials. Radioaktivität ist aber nichts, was nur in bösen Atomreaktoren vorkommt, sondern ein Phänomen, dass auch ganz natürlich auftritt (auch wenn es manche nicht wahrhaben wollen). Radioaktivität ist nichts anderes, als die natürliche Transformation eines Elements in ein anderes. Manche Atome sind instabil und sie zerfallen daher in andere Atome, solange bis am Ende ein stabiler Atomkern entstanden ist. Dieser radioaktive Zerfall und die Verwandlung der Elemente schien also, so dachte Burbridge, irgendeinen Zusammenhang mit den Supernovae-Explosionen zu haben. Er hatte recht.
Die meisten Supernovae finden in anderen Galaxien statt. Nur selten gibt es welche in unserer kosmischen Nachbarschaft. Das letzte Mal war das im Jahr 1987 der Fall. Die Supernova 1987A explodierte in der Großen Magellanschen Wolke – einer kleinen Galaxie in umittelbarer Nähe der Milchstraße. Sie konnte daher extrem genau untersucht werden. Dabei stellte man wieder fest, dass sie viel heller war, als sie eigentlich sein sollte. Die amerikanischen Astronomen David Arnett und Stan Woosley fanden einen möglichen Grund dafür. Bei einer Supernova sollten die herrschenden Temperaturen eigentlich ausreichen, um aus dem im Stern noch vorhandenen Sauerstoff jede Menge Nickel-56 zu machen. Das ist ein instabiles Nickel-Isotop. Seine Halbwertszeit beträgt nur 6 Tage und es zerfällt schnell zu Cobalt-56. Diese ebenfalls radioaktive Isotop hat eine Halbwertszeit von etwa 77 Tagen und zerfällt zu stabilen Eisen. Die beim radioaktiven Zerfall freigesetzte Wärme ist die Energie, die die Supernova heller macht, als man erwartet hatte. Diese Verwandlung der Elemente konnte man – das erste mal in einem astronomischen Umfeld! – sogar direkt beobachten!
Wissenschaftler aus England und Australien hatten – so wie viele andere Astronomen auch – die Supernova 1987A genau beobachtet. Sie haben aber nicht nur ihre Helligkeit gemessen, sondern auch eine Spektralanalyse durchgeführt. Schickt man das Licht des Sterns durch ein Prisma, dann findet man darin dunkle Linien, die anzeigen, welche Elemente sich in der Supernova befinden. Aus der Stärke der Linie lässt sich die Menge des jeweiligen Elements berechnen. Die Astronomen nahmen nun Spektren zu verschiedenen Zeitpunkten auf, und konnten quasi live dabei zusehen, wie die Cobalt-56-Linien immer schwächer wurden, während die Eisen-Linie immer stärker zu sehen war! Im explodierten Stern wandelte sich das eine Element in das andere um.
Die Punkte mit den senkrechten Linien (Fehlerbalken) zeigen die Messwerte die man im Lauf der Zeit (x-Achse) gewonnen hatte. Sie geben das Verhältnis von Cobalt zu Eisen an (y-Achse). Die verschiedenen Linien (a, b, c, d) sind unterschiedliche Modelle zur Beschreibung der Kernreaktionen. Man sieht deutlich, wie sich das Verhältnis ändert und sich immer mehr Cobalt in Eisen umwandelt.
Der Urknall und die Sterne sind die Schmelztiegel, in denen alle Elemente entstanden sind. Und auch heute noch laufen die Öfen auch Hochtouren. Bei jeder Supernovaexplosion werden frische Elemente im All verstreut aus denen später vielleicht Planeten entstehen können. Oder sogar Lebewesen…
Übrigens: Wer die ganze faszinierende Geschichte der Elemententstehung nachlesen will, dem kann ich das Buch “Die Suche nach dem Ursprung der Atome” von Marcus Chown empfehlen (im Original “The Magic Furnace”).
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