Im Zentrum unserer Milchstraße sitzt ein großes schwarzes Loch. Ein großes schwarzes Loch, mit mehr als der 4-Millionen-fachen Masse der Sonne! Das muss uns allerdings keine großen Sorgen machen. Zum einen ist das Zentrum der Milchstraße von uns aus etwa 25000 Lichtjahre entfernt. Und zum anderen sind schwarze Löcher keine Staubsauger, die alles gnadenlos ansaugen. Nur Objekte, die ihnen zu nahe kommen, verschwinden für immer hinter dem Ereignishorizont. Unser schwarzes Loch ist vergleichsweise ruhig. Im Gegensatz zu den aktiven schwarzen Löchern, in die ständig Materie aus der Umgebung fällt (wobei jede Menge Strahlung entsteht) sitzt unser Loch im wesentlichen nur rum. Das meiste Material in seiner Umgebung hat es schon verschluckt, nur ab und zu kommt ihm noch etwas zu nahe und wird verschluckt. So einen Happen haben Astronomen nun direkt beobachten können!
Die zentrale Region unserer Milchstraße steht schon länger unter Beobachtung. Die Sterne dort bewegen sich – so wie alle andere auch – um das schwarze Loch herum. Da sie näher dran sind, tun sie das aber wesentlich schneller als unsere weit entfernte Sonne, die für eine Umkreisung des Zentrums mehr als 200 Millionen Jahre braucht. Der berühmte Stern S2 umrundet das schwarze Loch in nur 15 Jahren und aus die Vermessung seiner Bahn lieferte die letzten Hinweise, dass wir es hier tatsächlich mit einem schwarzen Loch zu tun haben. Denn für die Sterne gelten die gleichen Gesetze wie für die Planeten, die die Sonne umkreisen. Kennt man die Bahn eines Sterns und seine Umlaufzeit, dann kann man daraus die Masse im Zentrum berechnen; genauso wie man zum Beispiel aus Bahn und Umlaufzeit der Erde die Masse der Sonne berechnen kann. Aus der Form der Bahn die der Stern um das Zentrum nennt, ergeben sich Grenzen für die Ausdehnung des zentralen Objekts. Im Jahr 2002 näherte sich S2 dem Zentrum am stärksten an, der Stern war nur noch 18 Millionen Kilometer entfernt. Man wusste damit also, dass man einerseits enorm viel Masse hatte – das millionenfache der Sonne. Andererseits war diese Masse in einem vergleichsweise kleinen Raum konzentriert, das Objekt konnte höchstens einen Durchmesser von 18 Millionen Kilometer haben. Der einzige Himmelskörper, der diese Bedingungen erfüllt, ist ein schwarzes Loch.
Bewegung der Gaswolke in der Nähe des schwarzen Lochs. Rot ist die Position im Jahr 2004, grün im Jahr 2008 und blau im Jahr 2011 (Bild: Gillessen et al, 2011)
Um mehr über die Eigenschaften des schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße herauszufinden, beobachten die Astronomen die Sterne dort immer noch und untersuchen ihre Bahnen. Stefan Gillessen vom Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik und seine Kollegen haben bei ihren Beobachtungen etwas interessantes entdeckt. In ihrer Arbeit mit dem Titel “A gas cloud on its way toward the super-massive black hole in the Galactic Centre” beschreiben sie die Entdeckung einer Gaswolke, die gerade auf dem Weg ist, in das schwarze Loch zu stürzen. Die Wolke hat etwa die dreifache Masse der Erde, ist mit 280 Grad Celsius relativ kühl (zumindest im Vergleich mit den Sternen der Umgebung) und sie wird immer schneller. 2004 bewegte sie sich noch mit einer Geschwindigkeit von 1200 Kilometern pro Sekunde, 2011 sind es schon 2350 km/s. Kein Wunder, die Wolke bewegt sich auch auf einer enorm exzentrischen (d.h. langgestreckten) Bahn. Die Bahnexzentrizität beträgt 0,94! Eine perfekte kreisförmige Bahn hätte einen Wert von 0, eine maximal langgestreckte Bahn einen Wert von 1 (für Details siehe hier). Je exzentrischer die Bahn, desto näher kommt ein Himmelskörper auch an das Objekt im Zentrum heran. Und wie wir dank der Keplerschen Gesetze wissen, wird ein Himmelskörper umso schneller, je näher er dem zentralen Objekt ist. Die Wolke auf ihrer langgestreckten Bahn kommt dem schwarzen Loch enorm nahe. Im Sommer 2013 wird der Abstand nur noch 36 Lichtstunden betragen (40 Milliarden Kilometer). Im Gegensatz zu den Sternen dort ist die Wolke aber viel weniger dicht, die Anziehungskraft des schwarzen Lochs hat sie schon ein wenig in die Länge gezogen, sie fasert quasi langsam aus. Simulationen zeigen, dass so ein Teil von ihr demnächst in das schwarze Loch stürzen wird und auch der Rest wird im Laufe der Zeit im Loch landen:
Coole Sache! Wo die Wolke herkommt, ist übrigens noch nicht ganz klar. Vermutlich hat sie sich aus dem Sternwind junger, heißer Sterne in der Umgebung gebildet. Aber egal wo sie herkommt – wir wissen wo sie hingeht: in das schwarze Loch! Guten Appetit!
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