Ich habe mir kürzlich ein Set von UNICEF-Weihnachtskarten gekauft. Darunter auch diese beiden netten Motive. Fällt euch etwas auf?
Wir sehen typisch weihnachtliche Szenen, Kinder, den Weihnachtsmann, eine Winternacht voll Schnee, Weihnachtsbäume, Rentiere – und den Mond. Einmal den zunehmenden Mond, einmal den abnehmenden Mond. Na und?, mag mancher jetzt vielleicht fragen. Der Mond nimmt eben manchmal zu und manchmal nimmt er ab. Was soll daran seltsam sein? Abwarten! Schauen wir uns dazu erst mal die Entstehung der Mondphasen etwas genauer an. Mond und Erde kreisen gemeinsam um die Sonne und je nachdem, wie Sonne, Mond und Erde im Verhältnis zueinander stehen, sehen wir mal mehr, mal weniger von der beleuchteten Mondhälfte. Wie alles in der Natur folgen aber auch die Mondphasen gewissen Regeln. Vor allem kann man verschiedene Mondphasen immer nur zu unterschiedlichen Tages- bzw. Nachtzeiten beobachten. Das kann man an diesem Bild hier erkennen:
Man muss vielleicht ein wenig länger hinschauen und darüber nachdenken, aber dann wird alles schnell klar. Wir sehen Mond und Erde, wie sie sich gemeinsam um die Sonne bewegen. Beide bewegen sich im Bild von links nach rechts und auch die Erde dreht sich im Bild gegen den Uhrzeigersinn (das ist wichtig fürs Verständnis!). Im ersten Bild steht der Mond zwischen Sonne und Erde und die Seite die zur Erde zeigt wird nicht beleuchtet. Es ist Neumond. Der Mond bewegt sich weiter und nimmt zu. Betrachten wir jetzt das dritte Bild, das den zunehmenden Halbmond zeigt. Die rechte Seite ist hell, die linke dunkel (auf der Südhalbkugel ist es umgekehrt). Es zeigt uns, dass der zunehmende Mond immer in der Abenddämmerung bzw. der ersten Nachthälfte zu sehen ist. Das wird klar, wenn wir uns vorstellen, dass wir auf der kleine Erde im Bild genau an der Tag- und Nachtgrenze stehen und den Mond betrachten (also auf der linken Seite der abgebildeten Erde). Ich hab den Ausschnitt mal vergrößert und darauf rumgekritzelt:
Wir befinden uns also beim blauen Kreuz. Da die Erde sich gegen den Uhrzeigersinn dreht, hat hier die Nacht für uns gerade erst angefangen. Wir haben uns mit der Erde gerade erst aus dem Sonnenlicht gedreht und die ganze Nacht noch vor uns. Für die Leute, die sich beim (deformierten) blauen Kreis befinden, ist die Nacht schon weit fortgeschritten. Sie sehen den Mond gerade untergehen. Die Leute, die beim blauen Quadrat, auf der rechten Seite der abgebildeten Erde wohnen, stehen kurz davor sich mit der Erde wieder in das Sonnenlicht zu drehen. Bei ihnen geht die Nacht gleich zu Ende. Sie können den Mond aber überhaupt nicht sehen, weil sie sich auf der falschen Seite der Erde befinden. Der zunehmende Halbmond ist also nur in der ersten Hälfte der Nacht zu sehen.
Nach dem zunehmende Mond kommt der Vollmond. Wie man im Bild sehen kann, steht er so, dass er überall zu sehen ist, wo auf der Erde gerade Nacht herrscht. Er ist also von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang zu sehen. Nun nimmt der Mond wieder ab. Steht der Mond im letzten Viertel (drittletztes Bild) ist die Situation genau umgekehrt wie oben beschrieben. Die linke Hälfte ist hell und die rechte dunkel (wieder ist es auf der Südhalbkugel umgekehrt). Und anstatt in der ersten Nachthälfte ist der abnehmende Mond nur in der zweiten Nachthälfte zu sehen. Schließlich sind wir wieder beim Neumond angelangt.
Wenn wir also die beiden UNICEF-Karten vom Anfang mit diesen Informationen nochmal neu betrachten, dann sehen wir, dass eine davon eine Szene zeigen muss, die am Abend spielt und die andere am Morgen. Oder beiden zeigen die erste Nachthälfte, eine spielt aber auf der Nordhalbkugel, die andere auf der Südhalbkugel. Da aber auf beiden Bildern Schnee liegt gehen wir mal davon aus, dass es sich um einen normalen, weihnachtlichen Nordhalbkugelwinter handelt und keinen überraschenden Schneeschauer im sommerlichen Australien. Typisch (Vor)Weihnachtliche Aktivitäten finden ja normalerweise immer am Abend statt. Insofern sollte man also davon ausgehen, dass auf allen Weihnachtsmotiven der Mond, sofern vorhanden, entweder in der zunehmenden Phase oder voll ist. Schaut man sich die typischen Bilder auf Weihnachtskarten, in Büchern oder auf Geschenkspapier aber genau an, findet man erstaunlich viele, auf denen zum Beispiel ein Haufen Kinder noch erstaunlich munter unter einem abnehmenden Mond in der frühen Morgendämmerung im Schnee spielen 😉
Nur damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich habe jetzt nicht wirklich die Absicht, Weihnachtskarten u.Ä. wegen ihrer astronomischen Inkorrektheit zu kritisieren! Es gibt wesentlich wichtigere Fragen, als die nach der korrekten Mondphase auf dem Geschenkspapier. Diese Motive werden nach künstlerischen und ästhetischen Maßstäben entworfen und nicht nach wissenschaftlichen Regeln (Es würde mich übrigens interessieren, ob der Mensch eine gewisse ästhetische Vorliebe für eine bestimmte Mondphase hat – gibt es solche Untersuchungen?). Aber sie sind ein guter Anlass, sich mit der Entstehung der Mondphasen zu beschäftigen 😉
Das meint auch Peter Barthel vom astronomischen Institut der Universität in Groningen. In seiner Arbeit “Santa and the Moon” hat er Geschenkspapier und Bücher aus den Niederlanden und den USA untersucht und eine Statistik über die abgebildeten Mondphasen erstellt. So sieht es bei Büchern (oben) und Geschenkspapier (unten) in Holland aus:
In den Büchern ist in 40 Prozent der Fälle die falsche Mondphase abgebildet; beim Geschenkspapier sind es sogar 65 Prozent! Wesentlich korrekter sind die Abbildungen in amerikanischen Bücher. Hier stimmt die Mondphase nur in 15 Prozent der Fälle nicht:
Auch Barthel betont noch einmal extra, dass es hier nicht darum geht, Kritik an den Weihnachtsillustratoren zu üben:
“Naturally, the question arises: so what, who cares? The errors are innocent, somewhat comparable to incorrectly drawn rainbows, with the red colour at the inside of the arc. Now, watching beautiful natural phenomena like rainbows and moon crescents is one thing, but understanding them makes them all the lot more interesting. Moreover, understanding leads to knowledge which lasts.”
“Man fragt sich natürlich sofort: Und? Wen kümmert das? Die Fehler sind unschuldig, vergleichbar mit falsch gezeichneten Regenbogen bei denen das rote Band sich in der Mitte des Bogens befindet. Es ist eine Sache, wunderschöne Naturphänomene wie Regenbogen oder die Mondsichel zu beobachten. Sie zu verstehen macht sie aber noch viel interessanter. Zudem führt Verständnis zu dauerhaftem Wissen.”
Allerdings! Ein Phänomen zu verstehen nimmt nichts von seiner Schönheit. “Es kommt immer nur Schönheit hinzu!”, wie der Nobelpreisträger Richard Feynman festgestellt hat. Wenn ihr heute Abend also Weihnachten feiert und auf eurem Geschenkspapier oder den Karten eine falsche Mondphase seht, dann beschwert euch nicht beim Schenkenden sondern nutzt die Gelegenheit, ein bisschen über die Mondphasen nachzudenken! Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern frohe Weihnachten!
Peter Barthel (2011). Santa and the moon, Communicating Astronomy to the Public Journal, 12, arXiv: 1111.5489v3
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