Ich habe vor zwei Tagen schon darüber geschrieben: Im Internet kocht die Gerüchteküche. In einem Seminar am Kernforschungszentrum CERN (heute um 14 Uhr) soll angeblich die Entdeckung des Higgs-Bosons bekannt gegeben werden, das letzte noch unentdeckte Teilchen des Standardmodells der Teilchenphysik; das Teilchen, das alle seit Jahrzehnten suchen, weil es erklären kann, wie die Dinge zu ihrer Masse kommen. Manche bezeichnen diesen Tag jetzt schon als “historischen Tag”. Nur das es leider mit ziemlicher Sicherheit keine Entdeckung geben wird. Ich habe das schon in meinem anderen Artikel gesagt: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Physiker tatsächlich verkünden, dass sie das Higgs-Teilchen entdeckt haben, ist gering. Das bestätigen nun auch immer Teilchenphysiker selbst.
Wissenschaftler Sean Caroll schreibt in seinem Blog ganz explizit:
“All I’m here to tell you is: you should not expect to hear anyone announcing that we have discovered the Higgs boson.”
Was seiner Meinung nach passieren wird, ist folgendes:
“[N]ot only are we being updated on the status of the search, there are believable rumors that the searches are actually seeing something — hints of a Higgs near 125 GeV, with better than 3-sigma significance from ATLAS and better than 2-sigma significance from CMS.”
Man wird also in den erstmals zusammengeführten Daten der beiden großen Teilchendetektoren ATLAS und CMS deutliche Hinweise auf die Existenz des Higgs-Bosons sehen. Hinweise, die noch nicht ausreichen, um tatsächlich von einer Entdeckung zu sprechen, die aber äußerst vielversprechend sind.
Genau das sagt auch das CERN selbst in einer Pressemitteilung:
“A seminar will be held at CERN on 13 December at which the ATLAS and CMS experiments will present the status of their searches for the Standard Model Higgs boson. These results will be based on the analysis of considerably more data than those presented at the summer conferences, sufficient to make significant progress in the search for the Higgs boson, but not enough to make any conclusive statement on the existence or non-existence of the Higgs.”
Die jahrzehntelange Suche wird also nicht zu Ende gehen. Noch nicht! Denn wenn heute tatsächlich gute Hinweise auf die Existenz des Higgs geliefert werden, dann kann man im Laufe des nächsten Jahres auf jeden Fall mit einer Entdeckung rechnen (vorausgesetzt, das Teilchen existiert tatsächlich). Heute dagegen wird es wohl erst mal nur darum gehen, die bisher gesammelten Daten auszuwerten und nachzusehen, wo man steht. Das große Fest wird erst nächstes Jahr gefeiert. Das Seminar heute sollte trotzdem interessant werden. Man kann es live im Internet, per Liveblog oder via Twitter verfolgen. Und wenn ihr dort irgendwelche komischen grün-gelben Diagramme seht, auf die alle Wissenschaftler begeistert blicken, dann empfehle ich euch diesen Artikel, der erklärt, was dort zu sehen ist.
CERN-Physiker Flip Tanedo hat die ganze Aufregung um das heutige Higgs-Seminar in Gedichtsform gefasst, basierend auf dem englischen Weihnachtsgedicht “Twas the Night Before Christmas”. Ich verabschiede mich also mit ein paar physikalisch-festlichen Zeilen:
“‘Twas the night before Higgsmas, when all through the lab,
not a student was stirring–except some undergrad.
The data were analyzed with lots of great care
in hopes that the Higgs boson soon would be there.(…)
The introduction recapped the latest CERN run,
and gave the impression of more fun to come.
When, what to my wondering eyes should I see,
but a miniature bump… in Higgs to ZZ?And with all of the press and media bigwigs
I knew in a moment that it must be the Higgs.
From ATLAS and CMS the results were the same,
and we whistled, and shouted, and called them by name:Now Higgs! Now Englert! Now Guralnik and Hagen!
On Kibble! On Brout! On, Goldstone and Anderson!
To Stockholm in December, the Nobel prize,
But a prize that only three could realize.
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