Die Sonne und mit ihr die Erde ist Teil einer großen Galaxie. Diese Galaxie trägt den poetischen Namen “Milchstraße”. Der stammt noch aus einer Zeit, als man von Galaxien nicht viel wusste. Als sich die alten Griechen, inspiriert von ihrer Mythologie, die Sternbilder am Himmel benannten, haben sie das helle, milchige, weiß leuchtende Band, das man in klaren Nächten sehen kann, “Milchstraße” genannt (auf altgriechisch heißt das “galaxias”). Der Sage nach handelt es sich dabei um die Milch der Göttin Hera. Zeus hat ihr seinen mit einer anderen Frau gezeugten Sohn Herakles heimlich an die Brust gelegt. Als Hera das merkte riss sie in weg und ihre Milch spritze über den ganzen Himmel. Tja, die Griechen… Erst später fanden die Wissenschaftler heraus, dass die Milchstraße aus Milliarden von Sternen besteht und wir ein Teil davon sind. Und kürzlich haben Astronomen von der Uni Pittsburgh herausgefunden, welche exakte Farbe unsere Galaxie hat.
Farben spielen in der Astronomie eine wichtige Rolle. Man kann aus ihnen viel lernen. Ein Stern zum Beispiel ist ein fast perfekter Schwarzer Strahler. Das hat nichts mit schwarzen Löchern zu tun, sondern bedeutet nur, dass das Spektrum des Stern ausschließlich von seiner Temperatur abhängt. Es gibt das berühmte Wiensche Verschiebungsgesetz, dass genau angibt, wie sich das Maximum der abgestrahlten Strahlungsleistung in Abhängigkeit von der Temperatur verschiebt:
Je höher die Temperatur ist, desto weiter nach links, also in den Bereich kleinerer Wellenlängen, verschiebt sich das Maximum. Darum leuchten heiße Sterne auch eher blau-weißlich und kühle Sterne rötlich. Bei Sternen wie unserer Sonne mit einer Temperatur von knapp 5800 Kelvin liegt das Maximum ziemlich genau im grünen Bereich des Spektrums. Das die Sonne trotzdem nicht grün leuchtet, liegt an der Mischung der Farben. Das Maximum ist zwar im grünen Bereich, aber auch links und rechts davon sendet die Sonne viel Strahlung aus (das eigentliche Spektrum ist auch viel symmetrischer als in dem logarithmischen Diagramm oben) und in der Mischung ergibt sich dann ein gelb-weißliches Licht. Die Analyse des Zusammenhangs zwischen Farbe/Temperatur und Leuchtkraft eines Sterns führt uns direkt zum Hertzsprung-Rusell-Diagramm, dem wohl wichtigsten Diagramm der Astronomie.
Es ist kein Wunder, dass Astronomen immer von roten Riesen oder weißen Zwergen sprechen. Oder von blauen Nachzüglern oder braunen Zwergen. Die Farbe eines Sterns spielt eine wichtige Rolle bei der Untersuchung eines Sternenlebens. Ein junger Stern ist heiß und blau, ein alter Stern dagegen kühl und rot. Am Ende seines Lebens ändert sich alles nochmal, der Stern kann zuerst wieder heißer werden, danach noch stärker abkühlen und immer ändert sich die Farbe.
Die Farbe eines Sterns zu bestimmen, ist nicht all zu schwer. Dafür gibt es die Spektroskopie. Auch bei ganzen Galaxien ist die Farbe kein unlösbares Problem. Die Farbe einer Galaxie ergibt sich aus der Farbe der einzelnen Sterne und dem interstellaren Material, das zum Leuchten angeregt wird. Junge Galaxien, in denen noch viele Sterne entstehen, sind eher bläulich. Alte Galaxien, in denen die Sternentstehung schon abgeschlossen ist, haben ein rötliches Licht. Und unsere Milchstraße? Schwer zu sagen. Denn wir sitzen mitten drin. Das ist für manche Beobachtungen recht gut. Für manche aber auch sehr unpraktisch. Es hat zum Beispiel überraschend lange gedauert, bis wir herausgefunden haben, welche Form die Milchstraße eigentlich hat. Erst seit wenigen Jahren wissen wir, dass es sich um eine Balkenspiralgalaxie handelt (und was Anzahl und Lage der Spiralarme angeht, sind wir uns immer noch nicht ganz im Klaren). Ähnlich ist es mit der Farbe. Wir sitzen mitten drin und sie lässt sich daher schwer bestimmen. Vom All aus ist es sehr einfach, die Erde als den “blauen” Planeten zu erkenne. Wenn ich hier in Jena aus dem Fenster schaue, dann sieht die Erde hier momentan eher grau-bräunlich aus und hundert andere Menschen werden hundert andere Farben sehen. Uns fehlt einfach die Distanz, um die Farbe der Erde bzw. die Farbe der Milchstraße vernünftig zu bestimmen.
Jeffrey Newman und Timothy Licquia von der Uni Pittsburgh haben sich aber einen netten Trick ausgedacht. Wenn wir die Farbe nicht direkt beobachten können, dann schauen wir uns eben die Farbe von Objekten an, die unserer Milchstraße so ähnlich sind, dass auch die Farbe ähnlich sein muss. Newman vergleicht es mit der Bestimmung des Wetters. Wenn ich im Zimmer sitze und wissen will, wie die Temperatur draußen vor der Tür ist, dann kann ich in einer Onlinedatenbank nach Orten suchen, an denen die Temperatur vergleichbar ist. Zum Beispiel an der Wetterstation, die meinem Haus am nächsten liegt. Vielleicht sucht man sich sogar mehrere Stationen und berechnet einen Durchschnittswert. Genau das haben Newman und Licquia getan. Sie haben sich einen ganzen Haufen Galaxien aus dem Sloan Digital Sky Survey gesucht, einem der umfangreichsten astronomischen Kataloge. Dort haben sie speziell Galaxien ausgewählt, die der Milchstraße in der Anzahl der Sterne, im Alter oder der Sternentstehungsrate sehr ähnlich sind – alles Größen, die Einfluss auf die Farbe haben. Die Farbe dieser weit entfernten Galaxien ließ sich gut messen und daraus konnte dann berechnet werden, welche Farbe die Milchstraße haben muss.
Weiß!, lautet die Antwort. Gut, das mag vorerst niemanden überraschen. Immerhin waren die alten Griechen auch schon mal so weit und haben die Galaxie Milchstraße genannt und nicht Tomatensaftstraße. Jetzt wissen wir aber exakt, wie weiß die Milchstraße ist. Unsere Heimatgalaxie hat eine Farbtemperatur von 4840 Kelvin. Auf der RGB-Skala lautet die Farbe (249, 241, 255); in hexadezimaler Schreibweise wäre es #F9F1FF und auf der Seite der Forscher finden sich noch mehr gängige Definitionen. Newman selbst drückt es noch etwas poetischer aus: “Weiß, wie frisch gefallener Schnee an einem Frühlingsmorgen”!
Frühling haben wir leider noch nicht, Schnee liegt auch keiner. Darum müsst ihr euch mit diesem Bild zufrieden geben. So weiß ist unsere Milchstraße:
Solche Berechnungen sind übrigens nicht nur eine Spielerei der Astronomen. Wie ich schon erklärt habe, verrät die Farbe viel über die Vorgänge in einer Galaxie. Newmans Ergebnis zeigt, dass die Milchstraße so langsam auf dem absteigenden Ast ist. Es entstehen zwar noch ein paar Sterne (gerade mal eine Handvoll pro Jahr), aber im Wesentlichen ist die Sternentstehung abgeschlossen und die Milchstraße bereitet sich so langsam auf den Ruhestand vor. Irgendwann wird sich ihre Farbe dann auch zum roten hin wandeln. Noch aber ist sie weiß wie frischer Schnee!
Und da sieht man mal wieder, dass sich ein bisschen Engagement in der Öffentlichkeitsarbeit durchaus auszahlt. Ohne Newmans Zitat über den frisch gefallenen Schnee hätte sicher kaum ein Medium die Story von der Farbe der Milchstraße übernommen…
Kommentare (18)