Gammablitze bzw. Gamma-Ray-Bursts (GRBs) sind die gewaltigsten Explosionen, die das Universum kennt. Ich habe sie in zwei früheren Artikeln schon detailliert beschrieben. Sollte die Erde einmal das Pech haben, dass so ein Gammablitz in ihrer unmittelbaren Umgebung (d.h. ein paar tausend Lichtjahre) stattfindet, dann hätte durchaus dramatische Folgen. Wenn uns die Strahlung der Explosion trifft, dann hätte das Auswirkungen auf die Erdatmosphäre. Die Ozonschicht könnte geschwächt werden und vermehrt UV-Strahlung auf die Erde treffen. Gemeinsam mit der verstärkt auftretenden kosmischen Strahlung kann das Mutationsrate der lebenden Organismen erhöhen. Zum Glück müssen wir davor keine allzu große Angst haben. Nur bestimmte Sterne können GRBs erzeugen und davon befindet sich keiner in gefährlicher Nähe. Aber vielleicht war das früher einmal anders?
Wir wissen, dass es in der Vergangenheit der Erde immer wieder zu großen Massensterben gekommen ist. Einige davon, wie das vor 65 Millionen Jahren das u.a. das Ende der Dinos war, wurden durch Asteroideneinschläge verursacht. Bei anderen war ein Klimawandel schuld. Und vielleicht hat irgendwann auch mal ein Gammablitz eine Rolle gespielt. Zum Beispiel vor 440 Millionen Jahren, als im Ordovizium 50 Prozent aller Arten ausgestorben sind.
Gammablitze können auf zwei Arten entstehen. Einmal durch sogenannte Hypernovae. Die gibt es, wenn ein sehr, sehr großer Stern am Ende seines Lebens explodiert. So wie eine Supernova, nur eben hyper 😉 Eine zweite Art von Gammablitz wird durch die Kollision von Neutronensternen (extrem dichte Sternenreste, die entstehen, wenn ein Stern am Ende seines Lebens explodiert) verursacht. So etwas passiert natürlich vor allem dort, wo sehr viele Sterne auf vergleichsweise engem Raum zusammengedrängt sind. Zum Beispiel in Kugelsternhaufen. Diese – wie der Name schon sagt – kugelförmigen Ansammlungen von einigen zehn- bis hunderttausend Sternen umgeben jede größere Galaxie. Wie Monde einen Planeten oder Planeten einen Stern umkreisen dutzende bis hunderte Kugelsternhaufen eine Galaxie. Natürlich auch unsere Milchstraße. Auch die Sonne und mit ihr die Erde bewegt sich um das Zentrum der Galaxie. Der Abstand zwischen Erde und den diversen Kugelsternhaufen ändert sich also und es kann gut sein, dass er in der Vergangenheit viel kleiner war. So klein, dass ein zufälliger Gammablitz in so einem Haufen Auswirkungen auf die Erde haben hätte können.
Wie gut die Chancen für so ein Szenario wirklich stehen, hat sich Willi Domainko vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in seiner Arbeit “Occurrence of potentially hazardous GRBs launched in globular clusters” untersucht. Das Problem an der Angelegenheit sind ungenaue Beobachtungsdaten. Theoretisch können wir die Bahnen von Kugelsternhaufen berechnen und so auch herausfinden, wo sie sich in der Vergangenheit befunden haben. In der Praxis kennen wir ihre Koordinaten und Eigengeschwindigkeiten nicht genau genug um verlässliche Ergebnisse für mehr als 50 Millionen Jahre ihrer vergangenen Bewegung zu erhalten. Willi Domainko hat sich daher für einen statistischen Ansatz entschieden. Er hat abgeschätzt, wie nahe Kugelsternhaufen der Erde in der Vergangenheit kommen und wie viele GRBs in solchen Kugelsternhaufen zu erwarten sind. Das Ergebnis: Innerhalb der letzten Milliarde Jahre hätte zumindest ein Gammablitz in gefährlicher Entfernung stattfinden können. “Hätte” und “können”! Die Arbeit zeigt nur, dass es prinzipiell möglich ist; nicht, das es auch tatsächlich geschehen ist. Wie gesagt: wir kennen die Bahnen der Kugelsternhaufen nicht genau genug, um wirklich sagen zu können, wo sie in der Vergangenheit waren. Das wird sich erst dann ändern, wenn neue Kartografiemissionen wie GAIA demnächst ins Alls starten und die Position und Geschwindigkeit der Sterne so genau wie nie zuvor vermessen. Man könnte zwar auch versuchen, vergangene GRBs durch Anomalien der radioaktiven Isotope verschiedener Gesteine nachzuweisen (so ähnlich, wie das ja auch bei vergangenen Supernovae funktioniert. Aber Willi Domainko erklärt in seiner Arbeit, dass es äußerst unwahrscheinlich ist, solche Spuren zu finden. Es wird also noch ein wenig dauern, bis wir herausfinden, ob ein Gammablitz tatsächlich für ein Massensterben in der Vergangenheit der Erde verantwortlich war. Aber eines bleibt klar: Gammablitze sind nichts, was uns Sorgen machte müsste! Es besteht keine akute Gefahr für die Erde.
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