Ich bin immer noch etwas krank, deswegen gibt es auch heute einen Text aus meiner Sammlung an Artikeln, die ich genau für solche Gelegenheiten aufbewahre 😉 Er handelt vom Einfluss der britischen Naturwissenschaftler des 18. Jahrhunderts. Es war eine Zeit, in der viele grundlegende Entdeckungen gemacht wurden. Etwaige mitlesende Historiker möchte ich gleich um Entschuldigung bitten – es handelt sich hier natürlich nicht um eine vernünftige historische Abhandlung. Eigentlich entstand der Text nur als Materialsammlung für ein ganz anderes Projekt. Aber es sind ein paar interessante Geschichten dabei, die euch vielleicht gefallen 😉
Die moderne Naturwissenschaft hat in England, genauso wie im Rest der Welt, im 17. Jahrhundert begonnen. In Italien beobachtete Galileo Galileo als erster Mensch der Welt den Himmel mit einem Teleskop. Die von ihm entdeckten Mondes des Jupiter und die Abfolge der Phasen der Venus stellten die Erde als Zentrum des Universums in Frage. Galileos Beobachtungen gerieten in Konflikt mit der mittelalterlichen Auffassung der Kirche, dass alles Wissen über die Welt schon längst bekannt und in der Bibel bzw. den Texte der griechischen Antike, z.B. denen von Aristoteles, enthalten sei. In England war es der Philosoph Francis Bacon, der diese Auffassung der Scholastiker massiv kritisierte. Neben seiner Überzeugung, dass es noch jede Menge neue Gebiete zu erforschen gibt, formulierte Bacon auch das Falsifikationsprinzip: Es reicht nicht, einfach immer nur weiter nach Belegen für seine Behauptungen zu suchen. Man muss sich auch mit potentiellen Gegenbeispielen auseinandersetzen denn ein einziger Fall, in dem die Hypothese versagt, reicht aus, um sie zu Fall zu bringen. Bacon war von der Bedeutung des Experiments für die Erkenntnis überzeugt. Die Vorgänge in der Welt wurden nicht durch göttliche Eingriffe verursacht, sondern durch physikalische Naturgesetze, die man mit Beobachtung und logischem Denken identifizieren kann. Dieser in Bacons Buch „Novum Organum” (1620) beschriebene „Empirismus” inspirierte viele seiner Landsleute. Im England des 17. Jahrhunderts legten Wissenschaftler wie Christopher Wren, Robert Boyle, Robert Hooke, William Petty oder John Wallis den Grundstein für viele Bereiche der modernen Naturwissenschaften. Viele Mitglieder der Gruppe waren auch Gründungsmitglieder der 1660 gegründeten „Royal Society”, einer Gesellschaft, die sich explizit der Förderung der Naturwissenschaft verschrieben hatte. Als Motto der Gesellschaft wurde „Nullius in Verba” („nach niemandes Worten”) gewählt. Damit wurde noch einmal explizit darauf hin gewiesen, dass man nicht mehr gewillt war, auf irgendwelche Autoritäten zu hören. Man wollte niemandes Wort vertrauen, nur experimentelle Beobachtungen sollten als Grundlage für neues Wissen dienen, so wie es auch heute noch in der Naturwissenschaft üblich ist. Die Royal Society schuf auch einen weiteren Bestandteil der modernen Naturwissenschaft. 1665 gab sie die erste wissenschaftliche Fachzeitschrift heraus. Wer der Welt seine neuesten Erkenntnisse mitteilen wollte, musste nun nicht mehr selbst ein ganzes Buch herausgeben, sondern konnte einen kurzen Aufsatz in den „Philosophical Transactions” veröffentlichen.
Der größte in der durch Bacon inspirierten Gruppe von Wissenschaftlern, ebenfalls ein Mitglied der Royal Society und von 1703 bis 1727 sogar ihr Präsident war Isaac Newton. Newtons Einfluss auf die moderne Naturwissenschaft kann kaum überschätzt werden. Er hat Physik und Mathematik in fast allen Disziplinen maßgeblich beeinflusst. Er erkannte, dass Sonnenlicht aus verschiedenen Farben zusammengesetzt ist. Er zeigte, das Licht, das durch ein Prisma fällt, in verschiedene Farben aufgespalten wird und das diese mehrfarbige Licht sich beim Durchlauf durch ein weiteres Prisma wieder zu weißem Licht zusammensetzt. Damit konnte er auch gleichzeitig erklären wie ein Regenbogen entsteht: Hier spielen die Wassertropfen in der Luft die Rolle des Prismas und spalten das Sonnenlicht auf. Newton untersuchte die Linsen und optischen Fähigkeiten des menschlichen Auges und schreckte dabei auch nicht vor Selbstversuchen zurück. In seinem Tagebuch beschreibt Newton detailliert, wie er sich eine dicke Nadel zwischen Auge und Schädelknochen eingeführt hat, um damit von hinten auf seinen Augapfel drücken zu können. So wollte er erforschen, wie die Farbwahrnehmung von der Krümmung der Linse abhängt. Newton beschäftigte sich auch mit künstlichen optischen Instrumenten und erfand das Spiegelteleskop. Im Vergleich zum bisher verwendeten Linsenteleskop war es hier einfacher, größere Teleskope zu bauen. In der modernen Astronomie werden heute nur noch Spiegelteleskope verwendet, den Linsen aus Glas können nicht beliebig groß gebaut werden. Newtons Idee, einen Spiegel zum Sammeln des Lichts zu verwenden erlaubt es aber, viele kleinere Spiegel zu einem großen zusammenzusetzen und so die gewaltigen Teleskope zu bauen, an denen die Astronomen heute arbeiten.
Die drei newtonschen Grundgesetze der Bewegung – 1) Ein Körper bleibt in Ruhe bzw. im Zustand gleichförmiger Bewegung solange keine äußere Kraft auf ihn einwirkt. 2) Eine Kraft ist proportional zur Änderung der Bewegung einer Masse. 3) Jede Kraft ruft eine gleichgroße, entgegen gerichtete Kraft hervor – bilden heute noch die Grundlage der klassischen Mechanik. Newtons Vorstellungen über einen absoluten Raum und eine absolute Zeit prägten die Wissenschaft bis im 20. Jahrhundert Albert Einstein seine Relativitätstheorien veröffentlichte. Am berühmtesten ist Newton für die Formulierung des Gravitationsgesetzes. Damit war es das erste Mal möglich, die Bewegung der Himmelskörper nicht nur zu beobachten und aufzuzeichnen, sondern auch mathematisch zu beschreiben und vorherzusagen. Newton hatte damit auch gezeigt, dass die Vorgänge am Himmel und die Vorgänge auf der Erde durch die selbe mathematische Formel beschrieben werden können. Damit hatte er den Prozess der „Vereinheitlichung” gestartet, der in der Wissenschaft bis heute fortdauert. Mit immer weniger, immer fundamentaleren Naturgesetzen versucht man immer mehr der gesamten physikalischen Welt zu beschreiben, bis am Ende dieser von Newton inspirierten Suche die „Theorie von Allem” stehen soll, die alle Aspekte des physikalischen Universums in einer einheitlichen Theorie zusammenfasst. Newtons Gravitationsgesetz wurde zwar 1915 von Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie korrigiert und abgelöst, für sehr viele physikalische und astronomische Disziplinen ist Newtons Theorie aber immer noch ausreichend genau und seine Formeln werden weiterhin überall in der modernen Naturwissenschaft angewendet. Weniger bekannt aber von all seinen wissenschaftlichen Leistungen am einflussreichsten und fundamentalsten sind Newtons Arbeiten in der Mathematik. Er erfand die Technik der Infinitesimalrechnung (Differential- und Integralrechnung). Ohne diesen revolutionäre mathematische Leistung wäre Newton nicht nur nicht in der Lage gewesen, seine eigenen wissenschaftlichen Entdeckungen zu machen. Auch die komplette moderne Wissenschaft (nicht nur die Naturwissenschaft, auch Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften) wäre ohne diese mathematischen Techniken undenkbar. Diese fundamentale Leistung (unabhängig von Newton aber etwas später hatte auch der Deutsche Gottfried Wilhelm Leibnitz die Infinitesimalrechnung entwickelt) ist in seiner Bedeutung für den weiteren Verlauf der Geschichte mit der Entwicklung der modernen Naturwissenschaft selbst vergleichbar.
Newton und die anderen Pioniere der Naturwissenschaft haben im 17. Jahrhundert die Grundlage geschaffen. Im 18. Jahrhundert konnten sich die Wissenschaftler nun daran machen, immer mehr Einzelheiten über die Natur herauszufinden. Das betraf aber nicht nur die Physik. Auch in der Medizin begann man sich vom alten Denken abzuwenden. Auch hier wollte man nicht mehr nur auf Autoritäten hören, sondern den Körper, seine Krankheiten und ihre Heilung neu verstehen und vor allem auf Basis von konkreten Beobachtungen und Experimenten verstehen lernen. Einer der Vorreiter war der 1728 geborene Anatom John Hunter. Hunter arbeitete als Militärarzt in Portugal und Frankreich, danach als Zahnarzt in London. Und wann immer sich die Gelegenheit ergab, nutzte er sie um eigene Forschung anzustellen. Bei der Behandlung von Schusswunden in Frankreich untersuchte er die Selbstheilungskräfte des Körpers. In Portugal feuerte Pistolenschüsse auf Teiche ab, um den Gehörsinn von Fischen zu testen; deren Gehörorgan hatte er vorher schon am Seziertisch entdeckt. Er sezierte im Laufe seines Lebens viele Tiere und präparierte sie auch. Am Ende seines Lebens hinterließ er mehr als 13000 Tiere die heute noch in der Hunterian Collection in London besichtigt werden können. Seine Untersuchungen an Fischen und Amphibien sorgten auch dafür, dass Hunter in die Royal Society aufgenommen wurde. Kurz danach, 1768, erhielt Hunter eine Anstellung als Chirurg am Londoner St. George’s Hospital. Auch bei dieser Tätigkeit hielt er sich an das Motto der Royal Society – „Nullius in Verba” – und beharrte auf der Bedeutung von systematischer Beobachtung und Experiment. In seinen Vorlesungen über Chirugie unterrichte er bis zu seinem Tod über 1000 Schüler und gilt damit heute als Begründer der modernen, wissenschaftlichen Chirugie. Seine Schüler trugen seine Lehren weiter.
Einer von ihnen war Edward Jenner und je nach Betrachtungsweise kann man ihn als den einflussreichsten Forscher aller Zeiten bezeichnen. Nach seinem Studium unter Hunter kehrte er zurück in seinen Geburtsort Berkeley um dort eine Praxis als Landarzt zu veröffentlichen. Jenner begann damit, die kursierende Behauptung zu untersuchen, dass mit Kuhpocken infizierte Melkerinnen nicht an den eigentlich Pocken erkrankten. Zu Jenners Zeit waren die Pocken immer noch eine schwere Krankheit. Über 10 Prozent der Kinder starben vor ihrem 10. Lebensjahr daran. Pockenepidemien hatten in Nord- und Südamerika Millionen von Toten gefordert. In Europa starben jedes Jahr etwa 400000 Menschen daran. Jenner fand heraus, dass man sich gegen diese Krankheit durch eine Impfung bzw. „Vakzination”, auf englisch: vaccination, schützen konnte. Dieses Wort kommt vom lateinischen „vacca” für Kuh, denn die Infektion mit den harmlosen Kuhpocken konnte tatsächlich eine Ansteckung mit den gefährlichen Pocken verhindern. Allerdings glaubte man Jenner nicht, als er seine Ergebnisse veröffentlichte und machte ihn lächerlich. Glücklicherweise für den Rest der Menschheit setzte sich sein Konzept der „Schutzimpfung” aber durch und hat bis heute vermutlich mehr Menschen das Leben gerettet als jede andere wissenschaftliche Entdeckung oder Erfindung
Nicht nur die Medizin machten Fortschritte, auch die restlichen Wissenschaften entwickelten sich. Einer der typischen Wissenschaftler der neuen Zeit war Henry Cavendish. (Er war generell ein typischer Wissenschaftler, fast schon klischeeschaft zurückgezogen und schüchtern gegenüber Frauen, mit denen er es nach Möglichkeit vermied zu sprechen). Dank der Erbschaft eines großen Vermögens finanziell ungebunden war er in der Lage, sich in seiner Villa ein großes Labor einzurichten, in dem er auf den verschiedensten Gebieten Experimente durchführte. Dabei entdeckte er 1766 den Wasserstoff und fand später heraus, dass Wasser aus Wasserstoff und Sauerstoff zusammengesetzt ist. Er war auch der erste, dem es gelang, den numerischen Wert der Gravitationskonstante zu bestimmen. Diese Naturkonstante tauchte in Newtons berühmter Formel auf, ihr Wert war aber unbekannt. Erst Cavendish konnte 1797 ein Experiment durchführen, dass exakt genug war, um ihn zu bestimmen. Damit war es nun möglich, aus der Bewegung der Himmelskörper auf ihre Masse zu schließen. Cavendish konnte so das Gewicht und die Dichte der Erde bestimmen und so Hinweise auf ihre Zusammensetzung finden. In der Chemie setzten John Dalton und Humphrey Davy die Arbeit von Cavendish fort. Beide wurden in der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts geboren – Dalton 1766 und Davy 1778 – und beide leisteten wichtige Beiträge zum Verständnis der Materie und der chemischen Elemente. Dalton beschäftigte sich vor allem mit den Gasen. Er bestimmte die Zusammensetzung der Luft und konnte bei seinen Experimenten das Atomgewicht verschiedener Elemente bestimmen. Seine Tabellen lieferten die Grundlage für das später entwickelte Periodensystem der Elemente, ohne das die moderne Chemie nicht möglich geworden wäre. Dalton war auch dafür verantwortlich, den Atombegriff wieder in die Naturwissenschaft einzuführen und ihn auf eine physikalische Grundlage zu stellen.
Humphry Davy gab der neuen Wissenschaft der Chemie, deren Trennung von der mittelalterlichen Alchemie noch nicht lange zurück lag (selbst Newton stellte in seiner Freizeit noch alchemistische „Forschungen” an), durch seine Ergebnisse neue Impulse. Er entdeckte die chemischen Elemente Natrium, Kalium und Calzium und war der erste, der Magnesium, Barium, Strontium und Bor isolieren konnte. Er war der erste, der die Auswirkungen von elektrischen Strom auf chemische Experimente untersuchte und seine zahlreichen öffentlichen Vorträge brachten den Buchbinder Michael Faraday dazu, sich der Wissenschaft zu widmen. Der am Ende des 18. Jahrhunderts – 1791 – geborene Faraday wurde zuerst Davys Assistent und später einer der größten Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts; einer der größten Wissenschaftler überhaupt ohne dessen Erkenntnisse über Elektrizität und Magnetismus die moderne Technik nicht denkbar gewesen wäre
Auch die Astronomen kamen im England des 18. Jahrhunderts zu revolutionären Erkenntnissen. Der 1693 geborene, englische Theologe James Bradley interessierte sich auch für Astronomie und beobachtete in seiner Freizeit immer wieder die Sterne. Er war besonders daran interessiert, die Position der Sterne so genau wie möglich zu bestimmen. Dabei entdeckte er 1725 die Aberration des Sternenlichts. Damit bezeichnete man eine scheinbare Positionsveränderung der Sterne, die durch die endliche Lichtgeschwindigkeit hervorgerufen wird. Das sich Licht nicht unendlich schnell bewegt, hatte der Däne Ole Römer schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts herausgefunden. Bradley konnte mit der Entdeckung der Aberration des Lichts allerdings auch eine andere alte Fragen beantworten. Die von ihm entdeckte scheinbare Positionsveränderung belegte zweifelsfrei, dass sich die Erde tatsächlich bewegt (ansonsten würde man keine Aberration messen). Die Erde konnte also nicht das Zentrum des Universums bzw. des Sonnensystems sein. Sie musste sich um die Sonne bewegen, ganz so wie es Kopernikus und nach ihm Galileo Galilei behauptet hatten. Im 18. Jahrhundert zweifelten zwar nur noch wenige daran, dass sich die Erde um die Sonne bewegt. Aber die bisherigen Beobachtungen waren alle nicht eindeutig und hätten sich unter sehr speziellen Umständen auch mit einer Erde erklären lassen, die sich nicht um die Sonne bewegt. Bradleys Messungen aber klärten die Sache endgültig: Die Erde bewegt sich. Galileo hatte recht gehabt!
Noch dramatischer war die Entdeckung, die der ausgebildete Musiker und Amateurastronom Wilhelm Herschel 1781 bei seinen Himmelsbeobachtungen im südenglischen Bath machte. Als erster Mensch der Neuzeit entdeckte er einen neuen Planeten des Sonnensystems. Seit der Antike kannten die Menschen nur Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter und Saturn und niemand hatte damit gerechnet, dass die Sonne noch von weiteren Planeten umkreist würde. Herschels Planet, der später den Namen „Uranus” bekam, verdoppelte schlagartig die Größe des bekannten Sonnensystems und machte den Wissenschaftlern klar wie nie zuvor, dass sie noch längst nicht alles erforscht hatten, dass das Universum noch voller unentdeckter Objekte und Phänomene war.
Neben den reinen Wissenschaften machten im 18. Jahrhundert aber auch viele englische Erfinder Entdeckungen, die die Welt noch heute beeinflussen. Es war auch immer noch die Zeit der großen Entdecker. James Cook absolvierte zwischen 1768 und 1780 seine drei berühmten Südseereisen. Auf der zweiten Reise hatte er ein ganz besonderes, neues wissenschaftliches Instrument mit dabei. Die H4-Uhr des Uhrmachers John Harrison. Auf der Reise sollte ihre Tauglichkeit für die geografische Längenbestimmung geprüft werden. Seeleute konnten zwar mit simplen astronomischen Beobachtungen jederzeit ihre geografische Breite feststellen. Eine Möglichkeit, auch die Länge und damit die exakte Position zu bestimmen, fehlte aber. Damit war es keiner der seefahrenden Nationen möglich, ihre Schiffe sicher über das Meer zu bewegen. Immer wieder starben ganzen Besatzungen, weil sie wegen schlechter Positionsbestimmungen auf Grund liefen oder auf See verhungerten bzw. verdursteten. Wem es als erstem gelingen würde, das Problem der Längenbestimmung zu lösen, würde sich gegenüber den anderen Nationen einen entscheidenden taktischen Vorteil verschaffen. Um die Länge zu bestimmen, muss man die genaue lokale Uhrzeit kennen um sie mit der Zeit eines Bezugspunktes zu vergleichen. Die lokale Zeit konnte leicht astronomisch bestimmt werden. Aber es gab keine Uhren, die geeignet waren, die Bezugszeit zu transportieren. Es gab nur Pendeluhren, die auf einem Schiff nicht funktionierten. Die britische Krone setzte einen hohen Geldpreis auf die Lösung des Problems aus. Astronomen versuchten, lange Tabellen mit Himmelsereignissen und Mondpositionen anzulegen, die auf der See zur Bestimmung der Bezugszeit dienen konnten. Das aber erwies sich nie als praktikabel; ganz im Gegensatz zu den revolutionären, neuen Uhren von John Harrison. Seine ersten Uhren waren noch ziemlich groß, aber schon genau und vor allem robust genug um das Längenproblem lösen zu können. Die H4 war sein Meisterstück und so klein, dass sie jeder Offizier bequem in der Tasche tragen konnte. Die genaue Positionsbestimmung auf hoher See war nun kein Problem mehr.
Noch einflussreicher als Harrisons Uhr erwies sich die Arbeit des schottischen Erfindes James Watt. Es gelang ihm, die damals schon bekannte Dampfmaschine so zu verbessern, dass sie einen wesentlich höheren Wirkungsgrad hatte als alle bisherigen Modelle und legte damit die Grundlage für die im nächsten Jahrhundert folgende industrielle Revolution. Sein Gedenkstein in der Westminster Abbey trägt die Inschrift:
„(…) TO JAMES WATT
WHO DIRECTING THE FORCE OF AN ORIGINAL GENIUS
EARLY EXERCISED IN PHILOSOPHIC RESEARCH
TO THE IMPROVEMENT OF
THE STEAM-ENGINE
ENLARGED THE RESOURCES OF HIS COUNTRY
INCREASED THE POWER OF MAN
AND ROSE TO AN EMINENT PLACE
AMONG THE MOST ILLUSTRIOUS FOLLOWERS OP SCIENCE
AND THE REAL BENEFACTORS OF THE WORLD”
Neben großen Namen wie Harrison und Watt gab es aber auch viele heute weniger bekannte Erfinder, die mit ihren kleinen oder großen Entdeckungen die Welt geprägt haben. Der 1748 geborene Joseph Bramah ist heute wahrscheinlich nur noch Hydraulik-Experten ein Begriff. Trotzdem gelang es ihm, die damals eingesetzten Toilettenspülungen zu verbessern und die von ihm erfundene Bierzapfanlage wird heute noch in jedem britischen Pub eingesetzt. Sein Zeitgenosse, der Schotte William Murdoch erfand nicht nur jede Menge Verbesserungen für Dampfmaschine, Lokomotive und Raddampfer, sondern auch die Gasbeleuchtung, die bald überall das Straßenbild der Städte prägte. Sein schottischer Landsmann John Loudon McAdam revolutionierte derweil den Straßenbau selbst und erfand einen neuartigen und stabilen Straßenbelag aus unterschiedlichen Lagen von Schotter der seinen Namen trägt: Makadam.
All die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse und Maschinen der Erfinder beeinflussten natürlich auch das Leben der normalen Bevölkerung und zwar in einem viel stärkeren Maß, als wir uns das heute in unserer von Wissenschaft und Technik durch und durch geprägten Welt vorstellen können. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass die Menschen von den neuen Erkenntnissen höchst fasziniert waren. Öffentliche Vorträge wie die des Chemikers Humphry Davy oder des Chirugen Joseph Hunter waren regelrechte Publikumsmagnete – etwas, was man sich heute bei wissenschaftlichen Vorträgen kaum mehr erwartet. Wissenschaftler, die keiner offiziellen Organisation wie der Royal Society angehörten, versuchten im 18. Jahrhundert durch öffentliche Vorträge zu Bekanntheit und Reputation zu kommen und dementsprechend groß war auch das Angebot, dass den interessierten Laien zur Verfügung stand. Vor allem Frauen, denen der Zugang zu den Universitäten und anderen Gelehrtenorganisationen versperrt war, nutzen die Möglichkeit, auf diese Weise Wissen zu erlangen. Im 18. Jahrhundert erschienen auch die ersten populärwissenschaftlichen Werke. Auch waren es die Frauen, die besonders interessiert waren und für die das Angebot speziell zugeschnitten wurde. 1782 erschien aber auch eines der ersten populärwissenschaftlichen Bücher speziell für Kinder: Sarah Trimmers „The Easy Introduction to the Knowledge of Nature”.
Im 18. Jahrhundert war Wissenschaft noch frisch und neu und aufregend für Wissenschaftler UND die Öffentlichkeit. Das ist heute immer noch der Fall, nur hat sie unser Leben heute so komplett durchdrungen, dass die Öffentlichkeit schon etwas abgestumpft ist. Es ist nicht mehr so leicht, die Menschen für die Wissenschaft zu begeistern, wie es noch vor knapp 300 Jahren der Fall war. Es ist auch nicht mehr so einfach, fundamental neue Entdeckungen zu machen. Beides Gründe, warum sich Wissenschaftler vielleicht doch manchmal in die „gute alte Zeit” zurückwünschen…
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