Gestern gab es auf der Sonne einen großen koronalen Massenauswurf. Das bedeutet, dass Material von der Sonne ins All geschleudert wurde. Dieses Material hat die Erde getroffen bzw. ist gerade dabei, die Erde zu treffen. Müssen wir jetzt Angst haben? Nein, müssen wir nicht…
So sah es gestern für das Weltraumteleskop SOHO aus, als die Sonne einmal ordentlich gerülpst hat:
Die Sonne selbst ist hier nicht zu sehen, sie wird vom Teleskop ausgeblendet, um das Bild nicht überzubelichten (die Sonne wäre dort, wo sich der weiße Kreis befindet). Man sieht nur die äußersten Schichten ihrer Atmosphäre, die Korona. Auf der Sonne gibt es immer wieder diverse aktive Regionen. Sie besteht aus einem Plasma, also einem heißen Gas, in dem sich die Elektronen von den Atomen gelöst haben und sich frei bewegen. Elektronen die sich bewegen erzeugen Strom und Magnetfelder. Da sich das Plasma ständig bewegt, bewegen sich auch die Magnetfeldlinien und wenn sie sich auf bestimmte Weise treffen, gibt es etwas, das man am besten mit einem Kurzschluss vergleichen könnte. Dabei wird Energie freigesetzt und die schleudert Material von der Sonne aus ins All. Das ist es, was wir im Video oben beobachten können und es ist völlig normal.
Kleinere Ausbrüche (“Flares”) gibt es bis zu 10 mal pro Tag; koronale Massenauswürfe finden ebenfalls häufig statt. In Zeiten geringer Sonnenaktivität gibt es etwa einen pro Woche, in Zeiten starker Aktivität können auch schon mal mehrere pro Tag auftreten. Die Aktivität der Sonne schwankt zyklisch, etwa alle 11 Jahren gibt es ein Maximum der Aktivität. Das nächste wird im Frühjahr/Sommer 2013 stattfinden und es ist deswegen nicht ungewöhnlich, dass es derzeit mehr koronale Massenauswürfe gibt. Meistens fliegt das Material sowieso an der Erde vorbei und meistens sind es eher kleinere Auswürfe. Ich habe ja schon mal über die Klassifikation von Sonnenstürmen geschrieben. Es gibt die Klassen A, B, C, M oder X, die jeweils wieder in 10 Unterklassen unterteilt sind. Der aktuelle Flare ist als M9 klassifiziert; gehört also zur zweitstärksten Gruppe der Sonnenstürme.
Der koronale Massenauswurf hat auch jede Menge Protonen in Richtung der Erde geschickt. Man kann das in diesem SOHO-Video schön sehen, wo die Protonen auf die Kamera treffen und den Eindruck erwecken, es hätte im All plötzlich angefangen zu schneien:
Ein Sonnensturm und dazu noch ein “Protonensturm”? Müssen wir wirklich keine Angst haben? Nein – wer nicht zufällig Astronaut, Flugzeugkapitän oder der Betreiber eines Satelliten ist, muss sich keine großen Sorgen machen. So wie in den bisherigen 4,5 Milliarden Jahren wird uns auch diesmal die Atmosphäre der Erde und ihr Magnetfeld vor dem koronalen Massenauswurf schützen. Da es sich um einen stärkeren Sonnensturm handelt, besteht die Chance, dass die Polarlichter (die entstehen, wenn Material von der Sonne auf die Erdatmosphäre trifft) auch etwas südlicher als üblich zu sehen sind, vielleicht sogar in Deutschland (allerdings sicher nicht so spektakulär wie man es aus dem hohen Norden kennt). Der “Protonensturm” ist als S3 klassifiziert. Das bedeutet, dass manche Satelliten gestört werden könnten. Die Leute, die die Satelliten steuern wissen aber Bescheid und können das entsprechend berücksichtige. Auch von den Störungen der GPS-Satelliten, von denen heute überall in den Medien zu lesen ist, werden wir nicht viel merken. Nur diejenigen, die ein hochpräzises GPS-Gerät besitzen, könnten die Beeinträchtigungen spüren. Die Astronauten auf der ISS werden sich in ihr speziell abgeschirmtes Modul begeben. Sie befinden sich ja außerhalb der Atmosphäre und das Magnetfeld ist dort auch schon etwas schwächer, also sind sie der Strahlung stärker ausgesetzt. Manche Flugzeuge werden heute vielleicht nicht ganz so hoch fliegen wie sonst und die Routen über die Pole werden gemieden werden, denn dort kommt die Strahlung näher an den Erdboden heran als anderswo (deswegen gibt es die Polarlichter ja auch nur bei den Polen).
Ansonsten werden wir Normalbürger vom Sonnensturm nicht viel mitbekommen. Klar, auf den einschlägigen Esoterik- und Pseudowissenschaftsseiten wird natürlich wieder Panik geschoben und von den gesundheitlichen Beeinträchtigungen für uns Menschen geschrieben. Die gibt es aber nicht. Nur zur Erinnerung: Im August 2011 gab es den stärksten Sonnensturm des aktuellen Zyklus, im Juni 2011 den größten Sonnensturm seit 2006 – und auch das haben wir alle unbeschadet überstanden. Wie gesagt: Sonnenstürme sind normal. Natürlich können Sonnenstürme auch konkrete Schäden anrichten (ich habe hier mehr dazu geschrieben). Ein sehr starker Sturm kann kurzfristige Veränderungen im Erdmagnetfeld hervorrufen die in langen elektrischen Leitern, wie zum Beispiel Stromleitungen, einen Strom induzieren. Dadurch können Transformatoren beschädigt werden und der Strom ausfallen. Horrorgeschichten von weltweiten, monatelangen Stromausfällen die im Internet kursieren, sind allerdings absurd. Sonnenstürme gehören zu den “nettesten” Naturkatastrophen. Im Gegensatz zu zum Beispiel Erdbeben kündigt sich ein Sonnensturm lange vorher an und Satellitenbetreiber, Fluglinien, Astronauten und Stromanbieter können sich darauf einstellen und entsprechende Vorkehrungen treffen. Strom- oder Satellitenausfälle sind das absolute Worst-Case-Szenario und dementsprechend unwahrscheinlich (das merkt man schon daran, dass es in den letzten Jahrzehnten so gut wie keine derartigen Ereignisse gab, obwohl kein Mangel an Sonnenstürmen herrschte).
Also: kein Grund zur Panik! Nutzt lieber die Gelegenheit und haltet heute Nacht nach Polarlichtern Ausschau (oder baut euch ein Magnetometer und stellt ein paar Messungen an).
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