Gestern und heute Nacht wurde die Erde von einem starken Sonnensturm getroffen. Die mediale Aufregung war wie üblich groß (Die BILD-Zeitung schrieb schön panisch: “Es wurde oft befürchtet. Es wurde oft gewarnt. Jetzt ist es wohl so weit: Heute trifft ein gigantischer Sonnensturm auf die Erde!” und legt noch nach mit “Droht der Erde ein Mega-Chaos? Wissenschaftler haben das Jahr 2013 im Visier. Dann sollen gewaltige Plasmaströme der Sonne für Tumulte auf unserem Planeten sorgen.”). Aber in Wahrheit war alles halb so schlimm; und bis auf ein paar Flugzeuge, die ihre Flugrouten änderten (um so der kurzfristig erhöhten Strahlenbelastung in der oberen Atmosphäre in der Nähe der Pole zu entgehen) gab es keine sonderlich dramatischen Folgen. Sehr viele Leute haben sich die Nacht um die Ohren geschlagen, um eventuell ein paar Polarlichter zu beobachten und sind heute vielleicht etwas unausgeschlafen – aber ansonsten haben wir den Sonnensturm (so wie auch alle bisherigen Sonnenstürme) gut und ohne große Katastrophen überstanden. Ganz ordinäre Schneestürme dagegen haben in den letzten Tagen größeren Schaden angerichtet…
Im Nordwesten der USA gab es letzte Woche eine großen Wintersturm. Straßen waren vereist, Lawinen gingen ab und Stromleitungen wurden durch das Eis beschädigt. 250000 Menschen waren ohne Strom. Und wenn der ganze Schnee schmilzt, dann ist mit Überschwemmungen zu rechnen. Aus dem All betrachtet sieht man von all diesen Problemen aber nichts, von dort aus sieht die Szenerie äußerst schön aus:
Das Bild zeigt den Nordwesten Amerikas; so wie ihn der Erdbeobachtungssatellit Terra der NASA am 23. Januar 2012 gesehen hat. Die Farben entsprechen denen, die man auch mit freiem Auge sehen würde. Da sich hier Eis, Schnee und Wolken schlecht unterscheiden lassen, gibt es auch noch eine Falschfarbenaufnahme der Gegend. Denn die unterschiedlichen Oberflächen reflektieren das Licht auf unterschiedliche Art und Weise und deswegen kann der Satellit sie unterscheiden:
Eis und Schnee sind rot eingefärbt; normale Wolken aus Wasser sind weiß; Wolken aus Eis sind orange und die Vegetation ist grün.
Ich bin immer wieder beeindruckt, wie viel man über die Welt lernen kann, wenn man einfach nur mal einen Schritt (oder ein paar Millionen Schritte wie in diesem Fall) zurück tritt, und sie sich aus neuer Perspektive ansieht. Aus dem All betrachtet ist die Erde nicht nur wunderschön. In Kombination mit der modernen Technik die uns zur Verfügung steht, können wir auch Dinge erkennen, die wir vom Boden aus in dieser Form gar nicht sehen könnten. Wetter war früher etwas, das man nur erleben konnte. Wenn es stürmte, dann stürmte es, wenn es schneite, dann schneite es, und wenn es sonnig war, dann schien die Sonne. Möglichkeiten, das Wetter großräumig zu sehen, zu analysieren oder gar vorherzusagen existierten quasi nicht. Erst als wir Satelliten in eine Umlaufbahn um die Erde gebracht hatten, konnten wir das Gesamtbild sehen. Hochdruckgebiete, Tiefdruckwirbel, Stürme, Regenwolken, Gewitterblitze, usw. Wir können heute live beobachten, wie sich die Atmosphäre verändert und das Wetter passiert. Wir können das Wetter in gewissen Grenzen sogar vorhersagen. Wir wissen dank der Erdbeobachtung aus dem All wahnsinnig viel besser Bescheid als noch vor wenigen Jahrzehnten.
Dank der Wetterberichte im Fernsehen sind Satellitenbilder dieser Art mittlerweile jedem Menschen vertraut. Auch die Fachsprache der Meteorologie ist – zumindest zum Teil – jedem bekannt, der regelmäßig Wetterberichte konsumiert; Hoch- und Tiefdruckgebiete erkennen die meisten. Dieses Wissen über die Meteorologie trägt vermutlich auch dazu bei, dass uns das Wetter – trotz der schweren Katastrophen die es regelmäßig verursacht – vergleichsweise wenig Angst macht. Ein Schneesturm ist uns allen vertraut; wir haben Schnee und Stürme alle schon selbst erlebt und wissen zumindest ansatzweise, was hier passiert und warum. Ein Sonnensturm dagegen ist – bis auf die wenigen Leute die Ahnung von Astronomie haben – etwas sehr mysteriöses, unverständliches und daher auch unheimliches. Weit entfernt auf der Sonne passieren irgendwelche Dinge, die Sonne schleudert uns dann Sachen entgegen, unter denen sich viele nichts vorstellen können: Plasma, Protonen, geladene Teilchen, usw, die dann mysteriöse Sachen mit dem für uns Menschen unsichtbaren und unfühlbaren Magnetfeld der Erde anstellen.
Auf gleichem Niveau über Sonnenstürme Bescheid zu wissen, wie der Durchschnittsmensch über Meteorologie Bescheid weiß, ist eigentlich nicht weiter schwer. Die grundlegenden Erklärungen sind nicht schwer zu verstehen. Ich habe hier das hier im Blog schon öfter erklärt (erst gestern wieder). Aber im Gegensatz zu Biologie, Physik, Geschichte, Geografie, Chemie, etc gehört Astronomie nicht zum Grundlagenwissen, das den Menschen typischerweise vermittelt wird. Als Pflichtfach an den Schulen existiert Astronomie nur in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen – und dort auch nur für ein Jahr in der 10. Klasse. Im Rahmen des Physikunterrichts ist eine detaillierte Betrachtung astronomischer Zusammenhänge meistens nicht möglich; immerhin muss man dort auch die komplette Physik unterbringen. Von Astronomie haben daher sehr viele Menschen sehr wenig Ahnung. Und vor dem Unbekannten fürchten wir uns. Das ganz normale Wetter ist wesentlich gefährlicher als jeder Sonnensturm. Aber das Unbekannte macht uns viel leichter Angst…
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