Kugelsternhaufen sind – wenig überraschend – kugelförmige Haufen von Sternen. In den Haufen können sich einige hunderttausend Sterne zusammenfinden. Sie stehen dort dichter zusammen als die Sterne es normalerweise in einer Galaxie wie der Milchstraße tun. Die Verhältnisse in den Kugelsternhaufen entsprechen in etwa denen, die im sogenannten Bulge herrschen, also der dicht gepackten, kugelförmigen Zentralregion jeder Spiralgalaxie. Man findet die Kugelsternhaufen meistens als Begleiter von Galaxien. So gut wie jede Galaxie ist von einer großen Sammlung an Kugelsternhaufen umgeben, sie bilden den Halo. Bei unserer Milchstraße kennen wir etwa 150, die etwas größere Andromedagalaxie hat knapp 500 Kugelsternhaufen und noch größere Galaxien können einigen zehntausend Haufen haben, die sie wie Satelliten umschwirren.
Kugelsternhaufen gehören zum kosmologischen Standardinventar und abgesehen davon, dass sie äußerst interessant sind, bieten sie auch einen wunderbaren Anblick am Himmel. Trotzdem haben wir viele Dinge noch nicht verstanden. Wir wissen zum Beispiel immer noch nicht, wo die Kugelsternhaufen her kommen.
Der erste Kugelsternhaufen wurde schon im Jahr 1665 beobachtet – übrigens von Johann Abraham Ihle, einem Postbeamten aus Leipzig der nur in seiner Freizeit durch das Teleskop blickte. Das Objekt, das er damals entdeckte nennen wir heute Messier 22. M22 besteht aus etwa 80000 Sternen. So sieht er aus:
Der Haufen hat einen Durchmesser von knapp 100 Lichtjahren und ist etwa 10000 Lichtjahre von uns entfernt. Kugelsternhaufen sind alte Objekte. Die Sterne aus denen sie bestehen enthalten nur wenig schwere Elemente – das bedeutet, dass sie schon sehr früh entstanden sein mussten und zur einer der ersten Generation von Sternen gehören, die sich im Universum bildeten. Denn die schweren Elemente entstanden ja erst durch Kernfusion im Inneren der Sterne und wurden dann bei Supernova-Explosionen ins All gepustet. Das Gas aus dem sich die nächsten Sterne bildeten enthielt dann viel mehr schwere Elemente. Junge Sterne wie unsere Sonne unterscheiden sich daher in ihrer Zusammensetzung deutlich von den alten, die man in Kugelsternhaufen finden kann. Kugelsternhaufen sind fast so alt wie das Universum selbst, ihr Durchschnittsalter liegt bei fast 13 Milliarden Jahren. Ihre Entstehungsgeschichte sollte uns also auch etwas über die Zustände im jungen Universum und die Entstehung der ersten Galaxien verraten. Leider wissen wir noch nicht viel darüber, wo die Kugelsternhaufen her kommen.
Ein Team aus Astronomen aus Holland und Deutschland haben nun zumindest ein paar grundlegende Eigenschaften der Entwicklung von Kugelsternhaufen untersucht. Diederik Kruijssen vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching und seine Kollegen haben sich angesehen, was passiert, wenn zwei Galaxien miteinander zusammenstoßen. Ok, das stimmt nicht ganz. Bei der Kollision von Galaxien kann man nicht zusehen, weil so ein Prozess Milliarden von Jahren dauert. Und genaugenommen stößt da auch nichts zusammen, denn Galaxien bestehen hauptsächlich aus Nichts, aufgelockert durch ein paar Sterne. Sie durchdringen einander eher, als zu kollidieren (über die Details von galaktischen Kollisionen gibts übrigens ein eigenes Kapitel in meinem Buch). Kruijssen et al. haben also am Computer simuliert, wie zwei Galaxien miteinander interagieren und untersucht, was dabei mit den Kugelsternhaufen passiert (“Formation versus destruction: the evolution of the star cluster population in galaxy mergers”).
Die Sterne in einem Kugelsternhaufen sind alle – in etwa – gleich alt. Das ist ein klarer Hinweis darauf, dass sie alle zum gleichen Zeitpunkt entstanden sind. Galaktische Kollisionen sind ein guter Mechanismus, um das zu erreichen. Wenn sich zwei Galaxien näher kommen, dann wird die Gravitationskraft zwischen ihnen stärker. Vor allem die Gezeitenkräfte beginnen, die Sterne und das Gas der Galaxien zu beeinflussen. Die Form der Galaxien ändert sich und die riesigen Gaswolken kollabieren. Es entstehen jede Menge neue Sterne – das nennt man “Starburst”. Wenn zwei Galaxien kollidieren, können also neue Sternhaufen entstehen. In diesem Bild sieht man, wie sich die Sternentstehungsrate im Laufe einer Kollision ändert:
Die x-Achse zeigt die Zeit. Im Bild sind 4 Milliarden Jahre dargestellt. Die beiden grauen vertikalen Linien zeigen die Zeitpunkte, an denen sich die Galaxien das erste bzw. das zweite Mal durchdringen bevor sie dann endgültig beginnen zu verschmelzen (angezeigt durch den grauen Bereich). Man sieht klar, dass während jeder Durchdringung die Zahl der neu entstandenen Sterne (y-Achse) stark. ansteigt.
So weit so gut, dass galaktische Kollisionen Sterne entstehen lassen wusste man schon vorher. Kruijssen und seine Kollegen haben nun aber auch untersucht, wie groß die Überlebenschancen solcher frisch geschaffener Sternhaufen bei galaktischen Kollisionen sind. Denn wenn bei der Annäherung der Galaxien das Gas verstärkt in die Zentralregionen der Galaxien strömt, dann erhöht das wiederum die Gezeitenkräfte, die auf die Sternhaufen wirken. Sie können wieder auseinander gerissen werden. Wie sieht es nun als am Ende aus? Entstehen bei einer Kollision zweier Galaxien mehr Sternhaufen oder werden mehr auseinander gerissen? Dieses Bild zeigt, wie sich die Zahl der Sternhaufen im Zuge der Kollision entwickelt:
Die x-Achse zeigt wieder die Zeit (insgesamt 4 Milliarden Jahre), die y-Achse diesmal die Anzahl der Kugelsternhaufen. Relevant ist hier die rote Linie, sie gibt die Gesamtzahl der Haufen an. Man sieht deutlich, wie sie im Laufe der Zeit sinkt! Würde sich die Galaxie nach dem ersten Starburst ungestört durch die Gezeitenkräfte der anderen Galaxie entwickeln, dann würde die Zahl der Haufen annähernd konstant bleiben (das zeigt die gestrichelte rote Linie). Die gravitativen Störungen während der Kollision zerstören aber mehr Haufen als entstehen können. Die Kugelsternhaufen, die nach dem Verschmelzen der beiden Galaxien übrig geblieben sind, sind also nur die Überlebenden der Kollision. Zusammenstöße zwischen den ersten Galaxien im jungen Universum können die Kugelsternhaufen also entstehen lassen – sie zerstören sie aber auch meistens gleich wieder!
Hier gibt es das ganze auch noch mal als Video. Die bunten Punkte zeigen die Sternhaufen an, die Farbe zeigt, wie alt die Haufen sind.:
Nur die großen Kugelsternhaufen die ausreichend Sterne und damit ausreichend gravitativen Zusammenhalt hatten, konnten die Kollision der Galaxien überstehen. Das erklärt auch, warum die meisten der beobachteten Haufen heute eine ähnliche Anzahl von Sternen haben! Kruijssen und seine Kollegen möchten ihre Computersimulationen nun auch durch echte Beobachtungen bestätigen. Demnächst wollen sie Galaxien unter die Lupe nehmen, in denen vor kurzer Zeit (astronomisch gesehen) ein Starbust stattgefunden hat und nachsehen, ob sich dort vielleicht ein paar in Auflösung befindliche Kugelsternhaufen finden lassen.
Es hat sich auf jeden Fall wieder einmal gezeigt, wie wichtig die Kollisionen für die Entwicklung unseres Universums sind! Wenn es nicht ab und zu mal ein wenig rummst, dann wäre alles ziemlich langweilig…
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