Ein wissenschaftliches Forschungprojekt ist erst dann beendet, wenn die Ergebnisse auch ordentlich publiziert worden sind. Forschung ohne Publikation macht keinen Sinn, denn was bringt es, wenn man tolle Dinge herausfindet, dem Rest der Welt aber nichts davon sagt? Früher hatten die wissenschaftlichen Artikel meistens nur einen einzigen Autor. Im Laufe der Zeit ist Wissenschaft aber immer mehr zum Teamsport geworden und es gibt kaum noch Disziplinen wo man alleine arbeitet. Das führt dann natürlich zu Diskussionen: Wer darf die Ergebnisse bekannt geben?
An modernen Forschungsprojekten arbeiten oft dutzende Menschen gleichzeitig. Verschiedene Arbeitsgruppen tragen verschiedene Daten und Methoden bei und jeder Beitrag muss berücksichtigt und dokumentiert werden. Nicht nur aus reiner Höflichkeit. Es ist auch für eine etwaige Überprüfung der Ergebnisse wichtig, genau zu wissen, wer welche Teile der Forschungsarbeit gemacht hat. Also wird am Ende des Projekts ein Artikel veröffentlicht, der auch schon mal ein Dutzend oder mehr Autoren haben kann. Bei wirklich großen Projekten – wie der Arbeit mit Teilchenbeschleunigern oder Satelliten – können es auch schon mal über hundert beteiligte Wissenschaftler sein.
In so einem Fall sind Streit oder aber zumindest Diskussionen vorprogrammiert. Denn die Person, die am meisten zum Projekt beigetragen hat, sollte auch an erster Stelle der Liste der Autoren stehen (Nachtrag: Ich habe gerade erfahren, dass es auch Disziplinen gibt, in denen der Letztautor wichtig ist. So etwas kenne ich aus der Astronomie/Physik überhaupt nicht, also habe ich dieses Thema hier auch nicht angesprochen). Die anderen Mitautoren folgen dann mit absteigender Wichtigkeit der Beiträge. Wieder geht es hier nicht um Höflichkeit oder Eitelkeit. In der Wissenschaft sind Fachartikel die einzig gültige Währung (etwas, das man durchaus kritisieren kann und das ich schon öfter kritisiert habe). Je mehr wissenschaftliche Artikel dem eigenen Namen zuzuordnen sind, desto bessere Chancen hat man, eine gute Karriere zu machen. Wenn man also Monate oder gar Jahre in ein Projekt investiert hat, dann möchte man natürlich – zu Recht! – dass die eigene Leistung entsprechend anerkannt wird. Bei einem Artikel mit einer Autorenliste von z.B. 20 Namen werden vielleicht die ersten drei bis fünf Leute wahrgenommen. Aber wer dort auf Platz 17 oder 18 steht, kann den Artikel nur noch benutzen, um der Publikationsliste einen neuen Eintrag hinzuzufügen aber nicht, um großartig Eindruck zu schinden. Und wenn bei der Erstellung der Autorenliste alles mit rechten Dingen zugegangen ist, dann geht das auch in Ordnung.
Aber leider ist das nicht immer der Fall. Ich spreche jetzt nicht unbedingt von wissenschaftlichen Fehlverhalten. Das gibt es – leider – natürlich auch. Da setzt dann der Chef seinen Namen an die erste Stelle der Artikel seiner Diplomanden oder Doktoranden, obwohl er nicht wirklich was zur Arbeit beigetragen hat. Oder ein prominenter Kollege wird aus “politischen” Gründen mit auf die Autorenliste genommen obwohl er nichts geleistet hat und sein Name nur dazu dient, Sponsoren oder Förderorganisationen zu beeindrucken. Das ist natürlich nicht erlaubt, aber im Einzelfall oft schwer nachzuweisen. Manche Zeitschriften wie z.B. Nature verlangen daher auch, dass am Ende des Artikels explizit aufgelistet wird, welcher Autor welchen Beitrag zur Arbeit geleistet wird. Neben diesen fiesen Täuschungen gibt es aber auch ganz andere Probleme mit der Autorenliste. Das Laborjournal (mit Bezug auf eine Diskussion bei Funk Doctor X) beschreibt eine Situation, die immer wieder einmal auftritt. Es kommt durchaus vor, dass nicht klar und eindeutig gesagt werden kann, wer am meisten beigetragen hat. Oft sind es mehrere Leute, die gleich stark und wichtig beteiligt waren. In so einem Fall kann man das auch im Artikel angeben, in dem man z.B. eine Anmerkung in den Artikel einfügt und die entsprechenden Autoren markiert:
“*These authors contributed equally to this project and should be considered co-first authors.”
Hier ist ein Beispiel dafür. Lei Yin und Bryan Swanson sind beide “Erstautoren” dieser Arbeit. Trotzdem muss man die Autoren irgendwie reihen und einer der Beteiligten muss an erster Stelle stehen. In diesem Fall ist das Yin. Und ob das jetzt gewollt ist oder nicht: Yin wird zwangsläufig als DER Autor des Artikels angesehen werden; als die Person, die am meisten zum Projekt beigetragen hat. Denn wenn der Artikel irgendwie zitiert wird, dann nennt man eben meistens nur den ersten Autor und man schreibt im Zitat nicht extra dazu, dass da vielleicht noch drei andere waren, die ebenfalls “Ko-Erstautoren” sind (bei so gut wie allen wissenschaftlichen Journalen ist diese Art des Zitats auch formattechnisch gar nicht vorgesehen). Nein, meistens wird dort etwas in der Art von “siehe Yin et al. (2010)”. Und man wird über “das Paper von Yin” reden und der arme Bryan Swanson hat das nachsehen, obwohl er doch genauso viel beigetragen hat.
Bei Funk Doctor X hat man nun über die Frage diskutiert, ob man im Lebenslauf in so einem Fall die Autorenreihenfolge einfach umdrehen darf, immer IST man ja auch ein Erstautor. Nein, keine gute Idee, ist die einhellige Meinung. Denn das sieht so aus, als hätte man nachträglich an der Quellenangabe rumgepfuscht um sich besser zu stellen. Es ist ein schwieriges Problem. Irgendwie muss man die Autoren angeben und irgendeine Reihenfolge müssen die Namen haben. Und man muss auch kenntlich machen, wer was zum Paper beigetragen hat. Und am Ende wird so ein Artikel immer auf die Form “Erstgenannter Autor et al” reduziert werden. Aber ich wüsste jetzt nicht, wie man die Problem mit der Autorenliste umgehen könnte, ohne eine völlig neue Art und Weise des Zitierens einzuführen (was vermutlich eher unrealistisch ist).
Habt ihr Vorschläge? Habt ihr vielleicht schon Erfahrungen mit Diskussionen über die Autorenliste gehabt? Mir selbst ist so etwas ja bisher immer erspart geblieben. Bei den Projekten in der Himmelsmechanik waren nie so viele Leute beteiligt und es war immer klar, wer am meisten gemacht und ganz vorne stehen soll. Nur einer meiner Artikel ärgert mich nachträglich ein wenig; es war eine Arbeit die gemeinsam mit ~40 Studenten und meinem Chef entstanden ist. Und da alle Studenten in etwa gleich viel beigetragen haben, haben wir uns darauf geeinigt, einfach alle Namen alphabetisch aufzulisten obwohl die ganze Arbeit mit dem Paper – Daten zusammenstellen, auswerten, interpretieren, den Text schreiben, etc – größtenteils an mir hängen geblieben ist. Gehabt habe ich davon aber wenig, weil ich nun nur Autor Nummer 8 von 40 bin. Naja – wie gesagt: So läuft es eben nun mal. Und es ist ein Problem, das sich schwer lösen lässt…
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