Dass nicht alle Menschen sich gleich verhalten, ist eine triviale Erkenntnis. Manche Menschen sind das, was man als “extrovertiert” bezeichnet. Sie leben ihr Leben nach außen gerichtet und sind sehr an der Interaktion mit anderen Leuten interessiert. Andere sind “introvertiert”, nach innen gerichtet, und beschäftigen sich lieber mit sich selbst. Gut, die Psychologie (die beiden Begriffe stammen von C.G. Jung) ist keine exakte Wissenschaft und ich bezweifle, dass sich jeder Mensch so leicht einer bestimmten Gruppe zuordnen lässt. Ich selbst verdiene mein Geld damit, jeden Tag Texte zu veröffentlichen und über diese Texte mit anderen zu diskutieren. Also eine doch eher extrovertierte Tätigkeit. Das ist aber nur mein Beruf und nicht zwingend auch meine gesamte Persönlichkeit. Die würde ich eher als introvertiert einschätzen. Menschen können in verschiedenen Bereichen ihres Leben verschieden stark extrovertiert und introvertiert (übrigens nicht mit “schüchtern” verwechseln) sein. Thesen, die auf der Klassifizierung der Menschen in solchen Gruppen basieren, sollte man also generell etwas skeptisch betrachten. Aber das, was Susan Cain hier in ihrem TED-Talk erzählt, finde ich trotzdem sehr interessant.
Cain spricht darüber, dass unsere Gesellschaft eher für extrovertierte Menschen gemacht zu sein scheint. Wer nicht mit Begeisterung mit anderen Menschen interagiert und manche Sachen lieber alleine macht, fällt auf und das oft auch negativ. Gerade bei den Kindern macht man sich oft Sorgen, wenn sie lieber mal alleine spielen, anstatt sich mit anderen Kindern zu beschäftigen. Wer in der Schule einfach nur für sich arbeitet und sich “nicht einbringt”, bekommt schlechtere Noten. Wer als Jugendlicher lieber zuhause bleibt um zum Beispiel Bücher zu lesen, anstatt am Wochenende in Bars rumzuhängen, fällt ebenfalls negativ auf. Zumindest unter Gleichaltrigen, die Eltern werden so ein Verhalten wohl eher positiv sehen 😉
Schaut euch das Video am besten selbst an:
Es wäre interessant, wenn man noch die ganzen Quellen zu Cains Aussagen hätte. Ist unsere Gesellschaft wirklich eine, die auf die Bedürfnisse von extrovertierten Menschen zugeschnitten ist? Sollte man auf die introvertierten Leute besondere Rücksicht nehmen? Oder sollen sie sich einfach nur mal zusammenreißen und unter Leute gehen? Ich denke, dass Susan Cain in ihrem Vortrag viele wichtige Punkte angesprochen hat. Introvertierte Menschen, die beispielsweise lieber alleine arbeiten, haben es dabei oft schwer, weil sie am Arbeitsplatz so schnell zu Außenseitern werden oder als Sonderlinge gelten. “Teamwork” gilt ja heute als besonders wichtig – obwohl es nicht für jeden Job auch tatsächlich wichtig ist. Gerade in der Wissenschaft findet man viele Bereiche, in denen auch introvertierte Menschen in Ruhe arbeiten können, ohne dauernd ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, weil sie nicht ständig den Kontakt zu anderen Menschen suchen. Introvertierte Menschen sind keine “schlechteren” Menschen. Im Gegensatz zu den extrovertierten Leuten “fehlt” ihnen nichts, sie müssen nichts “aufholen”, sind unglücklich oder sich ändern. Sie leben ihr Leben einfach nur anders. Aber das wird leider nicht immer anerkannt.
Ich bin aber skeptisch, ob sich unsere Gesellschaft wirklich von einer extrovertierten zu einer ausgeglichenen ändern kann. Es werden immer vermehrt die extrovertierten Menschen sein, die sie prägen – das liegt in der Natur der Sache…
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