Lange Zeit konnte man Nachrichten nicht schneller von A nach B bringen als ein Pferd zu laufen imstande war. Im 18. Jahrhundert kamen die Menschen auf die Idee, optische Telegraphen zu bauen: Große Türme, die in Sichtweite zueinander standen und die Signale durch mechanische Vorrichtungen übermitteln konnten. Schließlich entdeckte man, dass elektrische Signale schneller und einfach zu verbreiten sind und erfand den elektrischen Telegraphen. Mittlerweile können wir auf die Kabel verzichten und schicken unsere Nachrichten mit Rundfunkwellen direkt durch die Luft. Damit haben wir zwar die theoretische Maximalgeschwindigkeit erreicht – die Signale bewegen sich so schnell wie das Licht. Es sind aber immer noch normale elektromagnetische Wellen und die haben ein paar Nachteile. Sie werden beispielsweise leicht blockiert. Wer Nachrichten unter Wasser verschicken will oder auf die andere Seite der Erde, der muss sie über Umwege und Satelliten senden. Denn im Wasser breiten sich die Signale schlecht aus und sie können sich auch nicht direkt durch die Erde bewegen. Ein paar Forscher von der Universität in Rochester wollen das ändern. Sie haben die Möglichkeit untersucht, Nachrichten mit Neutrinos zu übermitteln.
Neutrinos sind Elementarteilchen. Sie haben eine verschwindend geringe Masse und reagieren so gut wie gar nicht mit dem Rest der Welt. Bei den Kernfusionsprozessen in der Sonnen werde jede Sekunde Unmengen davon produziert und gemeinsam mit der elektromagnetischen Strahlung ins All geschickt. Im Gegensatz zu den Photonen des Elektromagnetismus kann die Neutrinos aber so gut wie nichts aufhalten. Sie rasen durch die Erde hindurch, durch uns Menschen – durch Alles. Da sie so schwach mit normaler Materie reagieren, sind wir für sie quasi unsichtbar.
Das macht sie zum idealen Träger für die Kommunikation. Da die Erde kein Hindernis darstellt, könnte man Nachrichten mit Neutrinos einfach mitten durch schicken. Oder durchs Wasser. Oder auf die Rückseite des Mondes. Egal wohin: die Neutrinos kann nichts aufhalten. Das macht sie dann aber auch zum schlechtest möglichsten Träger für die Kommunikation. Denn wenn nichts sie aufhalten kann, wie soll man sie dann empfangen?
Die Neutrinodetektoren der Wissenschaftler sind gigantische Teile! Beim MINERvA-Experiment des amerikanischen Fermilabs hat der Detektor eine Masse von fünf Tonnen! Nur mit diesen riesigen und massiven Geräten ist es möglich, zumindest eine Handvoll der Billiarden Neutrinos zu registrieren, die ständig durch die Welt rauschen. Detektoren dieser Art neigen außerdem dazu, jede Menge andere Dinge zu registrieren; kosmische Strahlung beispielsweise. Darum verlegt man die Neutrinoexperimente tief unter die Erde, wo sie vom Rest der Strahlung abgeschirmt sind und wirklich nur die Neutrinos durchkommen.
Mit dem MINERvA-Detektor haben auch die Wissenschaftler von der Uni Rochester ihre ersten Kommunikationsversuche durchgeführt (Demonstration of Communication using Neutrinos). Zuerst wurde eine Botschaft kodiert, ganz simpel mit ASCII und Binärcode. Für jede “1” des Codes hat man ein Neutrinopaket am Teilchenbeschleunigerzentrum Fermilab erzeugt (mit dem NuMi-Projekt); keine Neutrinos entsprachen einer “0”. Die Abfolge aus Nullen und Einsen wurde dann in Richtung des 100 Meter tief unter der Erde gelegenen MINERvA-Detektors. Dort versucht man, die Folge aus Neutrinopaketen zu empfangen und die Botschaft zu entschlüsseln. Im ersten Test hat man das Wort “neutrino” auf diese Art und Weise erfolgreich verschickt und empfangen.
Steht uns nun also der nächste Schritt in Sachen Kommunikation bevor? Sind Neutrinos die Zukunft? Eher nein. Um mit Neutrinos zu kommunizieren braucht man Teilchenbeschleuniger und tonnenschwere Detektoren. Der Mensch hat zwar den Drang, technische Dinge immer kleiner und kleiner zu machen. Aber einen Neutrinodetektor im Taschenformat wird es so schnell nicht geben. Der Versuch der Wissenschaftler ist eine nette Spielerei und man hat dabei sicherlich ein paar interessante Dinge über Neutrinodetektion gelernt. Mit “Kommunikation” in dem Sinne wie wir das Wort normalerweise verstehen hat das aber nicht zu tun. Ja – man kann mit Neutrinos Nachrichten übermitteln. Man braucht dazu aber gigantische Maschinen, die tief in der Erde vergraben werden müssen. Und die Übertragungsrate beträgt derzeit ganze 0,1 Bits pro Sekunde…
P.S. Und selbst wenn das ganze in ferner Zukunft mal besser funktionieren sollte. Überlichtschnelle Kommunikation wird auch mit Neutrinos nicht möglich sein. Die Geschichte mit den angeblich überlichtschnellen Neutrinos hat sich mittlerweile längst geklärt.
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