An den Universitäten laufen jede Menge Dinge nicht so, wie sie laufen sollen. Ich habe die Bildungspolitik in Österreich und Deutschland hier schon sehr oft kritisiert. Es überrascht mich daher überhaupt nicht, dass die Studentinnen und Studenten weiterhin unzufrieden sind. Und dass sie etwas gegen die Missstände unternehmen wollen. Nur warum fällt den Leuten seit Jahrzehnten nichts besseres ein, als Hörsäle zu besetzen? Was bringt die Besetzung von Hörsälen und Universitätsgebäuden? Nichts!
Ich habe über dieses Thema schon früher geschrieben, als 2009 überall in Österreich und Deutschland der Bildungsstreik stattfand. Auch da wurden Unis besetzt. Und auch da habe ich schon gesagt, dass ich diese Form des Protests für nicht sehr wirksam halte. Und mich darüber geärgert, dass die Studenten so unkreativ sind und immer wieder zu Besetzungen greifen, wenn sie ihre Unzufriedenheit äußern wollen.
Gestern haben Studenten des Studiengangs “Internationale Entwicklung” in Wien – wenig überraschend – den großen Hörsaal der Universität besetzt. Das ist deswegen wenig überraschend, weil das Bachelorstudium “Internationale Entwicklung” nur vier Jahre nach seiner Einführung wieder abgeschafft werden soll. Natürlich sind die Studenten darüber verärgert und wollen protestieren. Sie haben das Rektorat gestürmt und danach das Audimax besetzt. Natürlich kam, was kommen musste: die Polizei hat das Audimax wieder geräumt.
Was bringt das? Es bringt natürlich Aufmerksamkeit. Eine Besetzung von Unigebäuden ist trotz ihrer mangelnden Originalität in den Medien immer noch für einen Bericht gut. Aber ist es die Aufmerksamkeit, die man haben will? Denn ich vermute, dass diese Art von Protest bei der breiten Bevölkerung eher negative Gefühle weckt. Nicht bei den Studenten natürlich! Aber die wissen sowieso schon über die Missstände bescheid! Die muss man nicht mehr überzeugen. Es wäre allerdings enorm wichtig, auch den Rest der Bevölkerung auf seiner Seite zu wissen. Als Student (und ich spreche aus eigener Erfahrung) neigt man dazu, die Bedeutung der Universität zu überschätzen. Wer jahrelang an einer Hochschule studiert und dort im wesentlichen sein Leben verbringt, seine Freunde hat und findet, dem fällt es oft schwer zu realisieren, dass es da draußen ganz viele Menschen gibt, die die Universität bestenfalls von außen kennen und mit dem ganzen universitären Mikrokosmos nichts am Hut haben. Diese Leute haben keine Ahnung von dem, was dort passiert und den Problemen der Studenten (und auch den Problemen der Hochschulmitarbeiter). Diese Leute erreicht man weder mit Demonstrationen und schon gar nicht mit Besetzungen. Ganz im Gegenteil. Da erzeugt man nur Antipathie: “Faules Studentenpack! Die sollen lieber was lernen anstatt Hörsäle zu besetzen und in der Gegend herum zu demonstrieren!”
Aber warum muss man unbedingt die Öffentlichkeit überzeugen? Reicht es nicht, wenn man auf der Uni ordentlich Wirbel macht und dem Rektor auf die Nerven geht? Nein, das reicht nicht – denn Studenten haben keine Lobby! Studenten können streiken, so viel sie wollen. Es interessiert niemanden, weil es keine Auswirkungen außerhalb der Universität hat. Wenn die Lokführer, die Fluglotsen oder die Müllabfuhr streikt, dann merkt das jeder. Dann ist jeder betroffen und jeder muss sich dann auch eine Meinung zu der Thematik bilden. Streikende Studenten sind dem Großteil der Bevölkerung völlig egal. Ob die jungen Leute in der Uni sitzen und lernen, auf der Straße demonstrieren oder im besetzen Hörsaal mit der Polizei Verstecken spielen interessiert niemanden außerhalb der Uni. Solange die Studenten aber keine Lobby haben, ist es enorm schwer, ihre Forderungen auch durchzusetzen. Wenn die Müllabfuhr streikt und sich den Städten wochenlang der Müll auf den Straßen stapelt, dann kann die Politik das nicht ignorieren. Und wenn sie es doch tut, dann wird sie von der unzufriedenen Bevölkerung sehr schnell auf diesen Fehler hingewiesen. Streikende Studenten kann die Politik aber sehr wohl ignorieren – weil sich außer den Studenten niemand dafür interessiert.
Daher ist es enorm wichtig, dass die Studenten endlich mal ein bisschen einfallsreicher werden, wenn es darum geht, ihre berechtigte Unzufriedenheit mit dem Status Quo zu äußern! Wenn der Studiengang “Internationale Entwicklung” abgeschafft werden soll, dann stürmt keine Rektorate und Hörsääle – sondern geht in die Fußgängerzonen oder zu den Medien und erklärt dort, warum es für die Gesellschaft wichtig ist, dass Leute weiterhin diese Ausbildung bekommen können! Warum soll sich irgendwer dafür interessieren, ob ein Studiengang bleibt oder abgeschafft wird, wenn niemand eine Ahnung hat, wozu dieses Studium überhaupt gut ist? Der Wissenschaftsanalphabetismus ist weit verbreitet. Die Menschen haben oft keine Ahnung, was an den Unis passiert und warum es wichtig ist, dass es Wissenschaftler und Studenten gibt. Das Bild vom Forscher im Elfenbeinturm, der sich mit irgendwelchen obskuren Dingen beschäftigt, die mit dem normalen Leben nichts zu tun haben, ist immer noch weit verbreitet. Ebenso das Bild des faulen Studenten, der erst Mittags auf der Uni auftaucht und dort mit seinen Kommilitonen nur Bier trinkt und dumm rum labert. Beide Bilder sind natürlich dumme Vorurteile. Aber Studenten, die Hörsäle besetzen tun nicht viel, um dieses Bild zu ändern.
Man muss die Unzufriedenheit mit den Bedingungen auch außerhalb der Hochschule kommunizieren. Man muss die Universität zu den Menschen bringen. Ihnen zeigen, dass das, was dort passiert, wichtig für alle ist! Macht öffentliche Vorlesungen (das geht auch gut ohne Professoren, falls die keine Lust dazu haben)! Macht Öffentlichkeitsarbeit! Das lohnt sich auch, wenn gerade keine Protestaktionen anstehen… Wartet nicht darauf, bis die Uni mal wieder eine Lange Nacht der Forschung oder einen Tag der offenen Tür organisiert, sondern denkt euch selbst ein paar Projekte zur Öffentlichkeitsarbeit aus. Erklärt den Leuten, warum eure Forschung wichtig ist! Dann verstehen die Menschen vielleicht auch besser, warum ihr unzufrieden mit den Bedingungen an der Uni seid. Warum sich etwas ändern muss. Und warum sie diesen Protest unterstützen sollten!
Die Besetzung eines Hörsaals ist unzweifelhaft ein schönes Abenteuer und eine interessante Auflockerung des Studienalltags. Aber ich bezweifle stark, dass dadurch irgendwas verändert werden kann. Liebe Studenten: Seid in Zukunft doch mal ein wenig kreativer!
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