“Man kann nicht beweisen dass es Gott gibt und man kann nicht beweisen, dass es Gott nicht gibt. Will man also wissenschaftlich korrekt handeln, dann muss man anerkennen, dass sich die Frage nach Gott nicht beantworten lässt und man muss Agnostiker sein.” Dieses und verwandte Argumente bekomme ich oft zu hören, wenn wieder mal über Atheismus diskutiert wird. Aus meiner Sicht handelt es sich um ein unzulässiges Argument. Der leichteren Referenz wegen und um nicht immer alles wiederholen zu müssen (und weil heute Sonntag ist 😉 ) möchte ich ein paar Worte dazu sagen.
Eigentlich klingt das Argument vernünftig. Die Nichtexistenz von Etwas lässt sich sowieso nicht beweisen und die Existent von Gott schon gar nicht. Als Wissenschaftler sollte man daher kein Problem haben zu sagen: “Ich weiß es nicht!”. Das ist korrekt. Und in vielen anderen ähnlichen Fällen auch völlig zutreffend. Zum Beispiel wenn es um die Frage nach außerirdischen Leben geht. Da haben wir – noch! – keine ausreichenden Daten um mit Sicherheit sagen zu können, ob es irgendwo Aliens gibt oder nicht. Also sollte die wissenschaftlich korrekte Einstellung eine Art “Alien-Agnostizismus” sein. Vielleicht gibt es außerirdisches Leben, vielleicht nicht – und hoffentlich finden wir es irgendwann einmal raus.
Warum also nicht auch bei der Religion? Das Problem liegt bei den Worten. Denn wenn wir wissenschaftlich sein wollen, dann müssen wir uns zuerst sicher sein, wovon wir reden. Bei den Aliens ist das halbwegs klar. Die Biologen haben eine (wenn auch teilweise umstrittene) Definition von “Leben” aufgestellt und wenn wir “außerirdisches Leben” suchen, dann suchen wir Leben, dass sich an diese Definition hält, aber nicht auf der Erde stattfindet. Die Frage “Gibt es außerirdisches Leben?” ist also einigermaßen klar definiert; ganz im Gegensatz zur Frage “Gibt es Gott?”.
Wir alle haben zwar eine bestimmte Vorstellung von dem, was das Wort “Gott” bedeutet. Aber es fehlt eine klare und allgemeingültige Definition. “Gott” kann der alte Mann mit weißem Bart sein, der im Himmel wohnt und uns alle vor knapp 6000 Jahren geschaffen hat. “Gott” kann die abstrakte Dreieinigkeit aus Vater/Sohn/Heiliger Geist bezeichnen. “Gott” kann die Stimme aus dem Feuer sein, die mit Begeisterung ganze Völker vernichtet. “Gott” kann irgendein “Prinzip” sein, dass die Welt durchdringt. “Gott” kann alles mögliche bedeuten und darum greift hier die Argumentation mit dem Agnostizismus nicht. Welche Definition des Wortes “Gott” ist gemeint, wenn man sagt “Man kann nicht beweisen ob es Gott gibt oder ob es Gott nicht gibt”? Wenn mit “Gott” der kreationistische Schöpfer gemeint ist, der das Universum vor 6000 Jahren erschaffen hat, dann kann man sehr wohl zeigen, dass es ihn nicht gibt. Wenn “Gott” allmächtiges, allwissendes, allgütiges Irgendwas sein soll, dann ist das ein logischer Widerspruch. Und so weiter. Man kann nur dann tatsächlich konkrete Aussagen über die Existenz oder Nicht-Existenz von “Gott” machen, wenn man vorher genau festlegt, was das Wort “Gott” bedeuten soll.
Das geschieht aber nicht. Die wenigsten Gläubigen haben klar definierte Vorstellungen von “Gott” (und wenn, dann sind es meistens irgendwelche Fundamentalisten deren Aussagen sich leicht widerlegen lassen). Man kann bei Bedarf auch leicht zwischen verschiedenen Vorstellungen hin und her springen; die Übergänge sind fließend. Das lässt den Agnostizismus ins Leere laufen; er macht keinen Sinn, wenn nicht klar ist, was es ist von dem man nicht weiß, ob es existiert oder nicht.
Agnostizismus ist also nicht zwingend die “korrekte” wissenschaftliche Haltung gegenüber der Religion. Will man trotzdem wissenschaftlich und objektiv an die Sache herangehen, dann muss man das machen, was man in der Wissenschaft immer macht: Die Welt beobachten. Und darüber nachdenken. Tut man das, dann zeigt sich, dass für keines der beobachteten Phänomen ein “Gott” nötig ist. Manche Leute sind natürlich anderer Ansicht und meinen, dass man einen “Gott” braucht, um zu erklären, wie das Universum entstand oder wo der Urknall her kommt. Aber es gilt natürlich wieder: Solange nicht klar gesagt wird, was “Gott” sein soll, kann “er” nicht als Erklärung für irgendwas dienen. Wenn wir fragen, was vor dem Urknall war, dann wäre die korrekte Antwort “Wir wissen es (noch) nicht!” (obwohl die Wissenschaft da schon auf einem guten Weg ist). “Gott” als Erklärung bringt uns hier nicht weiter, weil dann die Frage nach dem Ursprung nur verlagert wird.
Ich persönlich bin bei meiner Beschäftigung mit der Welt noch nie auf Phänomen gestoßen, dass Existenz eines “Gottes” (wie auch immer definiert) zwingend erforderlich machen würde. Andererseits haben sich im Laufe der Zeit sehr viele Aussagen der Religionen über die Welt als falsch herausgestellt. Wenn wir es ganz wissenschaftlichen formulieren wollen: Es gibt keine Beobachtungsdaten, die das Phänomen “Gott” belegen und viele Aussagen der Theorie “Gott” sind bis jetzt falsifiziert worden. Ich sehe daher keinen Grund, von der Existenz eines “Gottes” auszugehen (Ich will nicht ausschließen, dass andere zu anderen Schlussfolgerungen kommen). Deswegen bin ich Atheist und kein Agnostiker. (Und falls jemand fragt: Nein, ich bin in meiner “Vollausbildung als Mensch” nicht beeinträchtigt, auch wenn überhebliche katholische Schriftsteller das behaupten – )
Nachtrag: Ich habe es offensichtlich im Text nicht klar genug machen können. Daher hier nochmal: Zweck dieses Artikels ist es NICHT, die Existenz von “Gott” zu widerlegen. Genausowenig ist es der Zweck dieses Artikels, den Atheismus zu rechtfertigen. Es ging mir nur darum zu erklären, warum das Argument “Als Wissenschaftler musst du doch eigentlich Agnostiker sein”, das ich sehr oft höre, meiner Meinung nach nicht stimmt.
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