In unserer Welt gibt es tolle Dinge zu sehen. Das ist ganz offensichtlich, jeder hat schon mal eine schöne Landschaft bewundert, ein faszinierendes Tier oder einen dramatischen Sonnenuntergang. Wenn man aber nicht nur nur schaut, sondern auch nachdenkt, dann wird die Welt noch großartiger. Leider sind wir mit unserer Wahrnehmung in menschlichen Maßstäben gefangen. Dadurch entgeht uns einiges…
Wir können nach oben schauen, und dort die Wolken über den Himmel ziehen sehen. Wir sehen die Vögel durch die Luft flitzen. Aber wenn wir zu den Sternen blicken, dann stehen sie still. Der Himmel ist aus unserer Sicht weitestgehend statisch; immer gleich und unveränderlich. Erst als die Wissenschaftler etwas genauer hingesehen haben, entdeckten sie, dass sich dort doch was tut. Die Planeten und mit ihnen die Erde bewegen sich um die Sonne. Die Sonne ist ein Stern und so wie alle Sterne verändert sie sich im Lauf der Zeit. Aber enorm langsam, aus unserer menschlichen Sicht zumindest. Die Sonne lebt 10 Milliarden Jahre lang; das ist ein Zeitraum, den wir nicht erfassen oder verstehen können. Wenn wir es aber doch könnten, wenn wir unsere menschliche Wahrnehmung verlassen und die Welt mit anderen Maßstäben messen und sehen könnten, dann würde sich uns ein ganz anderes Bild des Sonnensystems bieten.
Die Planeten würden so schnell um die Sonne sausen, dass wir sie gar nicht mehr als einzelne Objekte sehen. Wir sehen stattdessen ihre Bahn. Aber auch die ändert sich! Die Ellipsen, die die Planeten um die Sonne beschreiben werden mal größer und mal kleiner. Mal sind sie langgestreckt, mal kreisförmig. Sie drehen sich in allen drei Dimensionen des Raums und wackeln ständig hin und her. Nichts an unserem Sonnensystem ist statisch oder unveränderlich! Auch die Sonne selbst verändert sich. Ihre Temperatur steigt an, sie bläht sich auf. Irgendwann verschluckt sie sogar ein paar der Planeten(bahnen) bevor ihr schließlich der Brennstoff ausgeht. Sie fällt in sich zusammen, bildet eine kleine Kugel – nicht größer als ein Planet – kühlt langsam ab und erlischt schließlich.
Das Sonnensystem auf diese Art und Weise wirklich wahrnehmen zu können, muss faszinierend sein. Noch faszinierender wären aber die Dinge, die wir anderswo im Universum beobachten können. Zum Beispiel beim Stern KIC 05807616. Auch hier sehen wir vorerst nur ein ganz normales Planetensystem. Einen Stern und die Bahn eines großen Planeten. Und auch hier bläht sich der Stern immer weiter auf. Er verschluckt die Bahn des Planeten. Aber als er der Stern dann die äußeren Schichten seiner Atmosphäre ins All schleudert, ziehen da plötzlich zwei neue Planeten ihre Bahnen! Der Planet scheint sich im Inneren des Sterns geteilt zu haben. Der Stern hat einen Planeten verschluckt und dafür zwei neue ausgespuckt!
Zu diesem Schluss kommen jedenfalls die beiden Wissenschaftler Ealeal Bear und Noam Soker. Die sind zwar auch nur Menschen und können die Welt nur aus menschlicher Sicht betrachten. Aber der Geist sieht immer mehr als unsere Augen und wir können über die Dinge nachdenken, die wir sehen. Bear und Soker dachten über die beiden Planeten von KIC 05807616 nach, die 2011 entdeckt wurden. Ihre Masse ist jeweils nur knapp halb so groß wie der Erde (einer ist ein bisschen schwerer, der andere ein bisschen leichter). Beide Planeten befinden sich äußerst nahe am Stern und in der Zeit, in der der eine Planet den Stern dreimal umrundet, schafft der andere fast genau zwei Umrundungen (die Umlaufzeiten der beiden Himmelskörper stehen in einer 3:2 Resonanz). Das alles ist ein wenig außergewöhnlich. Ursprünglich dachte man, die Planeten wären früher eigentlich größer gewesen: Gasriesen, so wie Jupiter. Als der Stern sich dann aufgebläht hatte, hat er dabei die äußeren Gasschichten der Planeten zerstört so dass nur die inneren kompakten Planetenkerne übrig geblieben sind. Aber das Modell hat Probleme. Selbst wenn die Planeten auch früher schon in einer 3:2 Resonanz waren ist es äußerst unwahrscheinlich, dass sie das auch nach der Begegnung mit dem Stern sind. Da zwingend einer von beiden zuerst verschluckt und abgebremst wird, sollte die Resonanz das nicht überleben. Es ist schwer zu erklären, wie zwei Planeten nach ihrem Ausflug in den Stern einerseits in so engen Orbits und andererseits so nahe beieinander überleben.
Bear und Soker haben ein plausibleres Modell entwickelt. Hier gab es nur einen sehr großen Planeten. Ungefähr fünfmal so massereich wie Jupiter. Er wurde vom Stern verschluckt und kam seinem Zentrum immer näher. Die Gashülle des Planeten wurde fortgerissen. Irgendwann wurden die Gezeitenkräfte so groß, dass auch der Kern des Planeten auseinanderbrach. Manche der Bruchstücke fielen in das Zentrum des Sterns, andere blieben auf Bahnen um den Stern zurück. Um das Zentrum des Sterns bildete sich auch eine Scheibe aus den Planetentrümmern; aus Gas und Staub. Die Planetenbruchstücke mussten sich durch diese Scheibe bewegen und die gravitative Interaktion beeinflusste ihre Bahnen. Dieses Phänomen nennt man Migration. Die Planeten wandern langsam nach außen und landen schließlich auf ihren heutigen Bahnen. Der Stern hat einen Planeten verschluckt, aber zwei neue ausgespuckt! Das Universum ist wirklich ein enorm faszinierender Ort!
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