Wer öffentlich verkündet, an und mit gentechnisch modifizierten Organismen zu forschen, hat mittlerweile kein leichtes Leben mehr. Genauso gut könnte man bekannt geben, dass man Pornofilme dreht oder dass man Sweatshops in Entwicklungsländern betreibt. Gentechnik ist böse und niemand hat sich damit zu beschäftigen. Gentechnik ist böse, keiner will Gene in seinem Essen und haben und darum muss diesen Kram auch niemand erforschen. Die Gentechnik-Gegner sind erfolgreich. Die Forschungsbetriebe verlassen Deutschland und es gibt immer mehr Versuche, Deutschland “gentechnikfrei” zu machen. Klingt doch gut, oder?
Naja, höchstens dann, wenn man sich von der allgemeinen Hysterie anstecken lässt und aufhört zu denken. Seit es Menschen gibt verändern und beeinflussen sie die Pflanzen und Tiere in ihrer Umgebung. Mal zum Guten, mal zum Schlechten. Die Pflanzen die auf unseren Feldern wachsen, sind alles andere als “natürlich”. Sie wurden in den Jahrhunderten und Jahrtausenden vom Menschen gezielt geformt und verändert. Gleiches gilt für unsere Nutz- und Haustiere. “Gentechnik” ist erstmal nichts Neues. Die Veränderung der Pflanzen erfolgt mittlerweile wesentlich gezielter und effektiver als früher; man muss nicht mühsam Generation um Generation züchten. Seltsamerweise hat es die Menschen nie gestört, wenn Bauern die Pflanzen ihren Ansprüchen angepasst haben. Erst als sich die Modifikation vom Feld ins Labor verlagert hat, begann man zu protestieren.
Heute wird vor Labors demonstriert und es werden Felder zerstört, auf denen Versuchspflanzen wachsen. Gentechnik ist böse und darf nicht stattfindet. Ein oft gehörtes Argument für den Protest lautet “Monsanto!!”. Firmen forschen an und mit gentechnisch veränderten Organismen und sind an Gewinn interessiert und nicht an Erkenntnis oder Risikoabschätzungen. Sie wollen Saatgut patentieren und die Bauern abhängig machen. Und so weiter. Unabhängig davon ob das alles tatsächlich so ist oder nicht wären Proteste gegen die Gentechnik insgesamt aber wenig zielführend. Man demonstriert ja auch nicht gegen die Informatik, nur weil mit Computern überall auf der Welt Unmengen an Verbrechen angestellt werden. Wenn Firmen wie Monsanto die Gentechnik benutzen, um zu tun, was sie tun, dann nutzt es nichts, wenn man die gentechnische Forschung boykottiert. Das wird die großen Firmen wenig stören. Die werden sich dann einfach ein Land suchen, wo sie ungestört arbeiten können. Und unkontrolliert. Wenn man aber kontrollieren will, was die Wissenschaftler machen; wenn man über die Ergebnisse informiert werden will, dann gibt es kaum etwas dümmeres, als pauschal gegen die gentechnische Forschung zu protestieren. Politische Parteien wie die Grünen fordern, dass die wissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet nicht mehr gefördert werden soll. Wenn die öffentlichen Universitäten nicht mehr forschen dürfen, dann wird die Forschung bei privaten Firmen durchgeführt werden. Dann hat aber die Öffentlichkeit auch keine Kontrolle mehr darüber.
Gleiches gilt für die Gruppen, die Versuchsfelder zerstören. Wenn sie die Arbeit der Wissenschaftler an öffentlichen Universitäten vernichten, dann fördern sie damit indirekt die großen privaten Firmen wie Monsanto und Co.
Niemand (und auch ich nicht) behauptet, dass man sich keine Gedanken über die Risiken der Gentechnik machen muss. Ganz im Gegenteil! Aber genau deswegen braucht man die Forschung! Natürlich kann man sich auch eine ganz radikale Wissenschaftsfeindlichkeit zu eigen machen: “Gentechnik ist eventuell gefährlich und wir sind bisher ohne ausgekommen, also brauchen wir sie auch jetzt nicht.” Dieses Argument lässt sich allerdings auf alles anwenden. Alles, was der Mensch im Laufe seiner Existenz geschaffen hat, ist potentiell gefährlich. Und wir haben auch ganz gut überlebt, als wir noch ohne Feuer in dunklen Höhlen gesessen sind. Wir hätten uns also problemlos die ganze Zivilisation sparen können. Abgesehen davon ist das Argument auch ein klein wenig privilegiert. Uns hier in Europa, in Amerika, in der “ersten” Welt – uns geht es gut. Wir könnten auch gut so weiter leben, ganz ohne Gentechnik, sicher. Aber es gibt da noch ein paar mehr Leute auf der Welt. Menschen, denen es nicht so gut geht. Und mit der konventionellen Landwirtschaft wird es nicht möglich sein, allen Menschen auf der Welt den gleichen Lebensstandard zu bieten. Wir können also weiterhin auf Kosten der ärmeren Mehrheit der Menschen unser Leben führen. Oder wir probieren, neue Wege und Möglichkeiten zu finden. Dazu müssen wir forschen. Und diese Forschung sollte nach Möglichkeit öffentlich stattfinden und öffentlich kontrolliert werden. Damit dass passiert, müssen wir es den öffentlichen Universitäten aber auch ermöglichen. Ansonsten wird die Forschung in private und weniger gut kontrollierbare Einrichtungen abwandern.
Am Agrarforschungsinstitut Rothamsted Research sehen sich die Wissenschaftler gerade mit der Zerstörung ihrer Forschung konfrontiert. Die Anti-Gentechnik-Gruppe Take The Flour Back hat angekündigt, am 27. Mai die Felder der Einrichtung zu zerstören. Dabei sind nicht nur die gentechnischen Versuchspflanzen in Gefahr, sondern auch die angrenzenden Felder, auf denen seit bald 200 Jahren kontinuierliche Untersuchungsreihen laufen. Die Wissenschaftler von Rothamsted Research haben sich nun per Video an die Gentechnik-Gegner gewandt. Sie bitten sie darin, ihre Forschung nicht zu zerstören:
“As scientists we know only too well that we do not have all the answers. That is why we need to conduct experiments. And that is why you in turn must not destroy them.”
Den Aufruf “Don’t destroy research” haben auch schon viele andere Menschen unterstützt. Ich kann dem Wissenschaftsautor Simon Singh nur zustimmen, wenn er sagt:
“Destroying research is worse than burning books. These protesters appear to want a return to the Garden of Eden, but in reality they are taking a step towards the Dark Ages. They should let this research continue to completion and then we can decide democratically what to do with the results.”
Es gibt viele gute Gründe, der Gentechnik kritisch gegenüber zu stehen. Es gibt viele gute Methoden, die Kritik auszudrücken. Forschung zu zerstören ist keine davon.
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