Facebook will nicht nur unsere Daten und unser Privatleben ausspionieren – jetzt will Mark Zuckerberg auch unsere Organe! Naja, eigentlich will er nur, dass sich möglichst viele Leute bei Facebook als Organspender eintragen. Das ist seit neuestem dort möglich (allerdings noch nicht in allen Ländern) und klingt eigentlich nach einer recht guten Idee. Ich hab von Organspenden allerdings keine Ahnung und kann das nicht beurteilen. Glücklicherweise kennt sich eine Freundin von mir damit sehr gut aus. Birgit Priebe arbeitet bei der Gesundheit Österreich GmbH (ein “nationales Forschungs- und Planungsinstitut für das Gesundheitswesen”) und ist dort für das “Koordinationsbüro für das Transplantationswesen” zuständig (Sie hat aber ursprünglich mal ein Astronomiestudium absolviert – wieder mal ein schönes Beispiel für die verschlungenen Karrierewege der Astronomen 😉 ). Jedenfalls habe ich Birgit gebeten, zu diesem Thema einen Gastbeitrag zu schreiben. Es hat zwar nichts mit Astronomie zu tun – aber wenn sich die sozialen Netzwerke jetzt auch schon in Dinge einmischen, bei denen es um Leben und Tod geht, dann ist doch ziemlich interessant. Also viel Spaß mit dem Artikel von Birgit!
Am 1. Mai hat Mark Zuckerberg dazu aufgerufen, sich bei Facebook als Organspender einzutragen. Die Bereitschaft, Organe zu spenden wird dann als neues Ereignis in der Timeline angezeigt. Diese Idee ist grundsätzlich gut. So werden auch junge Leute, die sich eher selten mit dem Tod und seinen Folgen auseinandersetzen, mit diesem Thema konfrontiert. Diese Idee macht vor allem in Ländern mit der sogenannten „Zustimmungslösung” Sinn. Also dort, wo man explizit sagen muss: „Ja, ich will nach meinem Tod meine Organe spenden”. Das ist in Deutschland der Fall. Hier erfährt man bei Befragungen der Bevölkerung auch oft, dass die Leute grundsätzlich bereit wären Organe zu spenden. Leider setzen dann oft nur sehr wenige diesen Willen in die Realität um und besorgen sich einen Organspendeausweis. Bei Facebook könnte diese Hemmschwelle wesentlich geringer sein.
Aber nicht in allen Ländern gilt diese Zustimmungslösung. Als entgegengesetztes Modell gibt es noch die „Widerspruchslösung”. Hier ist jeder Organspender, solange man nicht explizit widerspricht. Das ist z. B. in Österreich der Fall. Hier kann man sich in das Widerspruchsregister eintragen lassen, den schriftlichen Widerspruch bei sich tragen (zum Beispiel einfach auf einem Zettel) oder diesen Widerspruch bei seinen Angehörigen deponieren, die ihn dann mündlich den Ärzten überbringen können. Man muss sich also als Nicht-Organspender registrieren, was bei der aktuellen Facebook-Initiative nicht als Möglichkeit angeführt wird.
Bei der Facebook-Aktion bleiben allerdings noch einige Fragen offen. Wie ist es mit der Datensicherheit bestellt? Wer hat Zugriff auf diese Entscheidung von mir? Und wie wird im Fall der Fälle, also im Falle meines Todes auf diese Daten zugegriffen, damit die Ärzte meine Entscheidung auch kennen? Es ist vor allem wichtig auch seinen Angehörigen die Entscheidung mitzuteilen und über dieses – sicher nicht leichte – Thema, zu sprechen. Ansonsten könnte es passieren, dass die Familie gar nichts von der Verfügung weiß und dann mitten in ihrer Trauer auch noch mit dieser Tatsache konfrontiert ist.
Ob die Facebook-Initiative etwas an der Organspendepraxis ändern wird, bleibt zweifelhaft. Mehr Organspender wären allerdings auf jeden Fall wünschenswert.
Zur Versorgung der Patienten, die auf Organe warten, wird ein Wert von 30 Organspendern pro Million Einwohnern herangezogen. Gibt es in einem Land so viele Spender, können die Wartelisten, d.h. die Listen mit Personen, die auf ein Organ warten ungefähr konstant gehalten werden. Nichtsdestotrotz sterben immer noch Leute auf der Warteliste, weil nicht schnell genug ein passendes Spenderorgan gefunden werden kann. In Österreich waren es im Jahr 2010 22,8, in Deutschland nur 15,5 Spender pro Million Einwohner. In Deutschland wartet man also viel länger auf ein Spenderorgan und das bedeutet natürlich eine große Belastung für diese Patienten. Mit der anstehenden Gesetzesänderung – von der Zustimmungs- zu einer „Erklärungslösung” bei der alle deutschen Staatsbürger regelmäßig angeschrieben werden sollen, um Ihre Einstellung zur Organspende schriftlich festzuhalten – erwartet man sich in Deutschland eine Verbesserung der Situation. Man ist bei diesem Modell aber weiterhin nicht verpflichtet, sich festzulegen.
Wichtig ist vor allem die Bedeutung dieses Themas auch bei ärztlichem und Pflegepersonal zu verankern und die Abläufe und Strukturen zu unterstützen. In Österreich wurde zur Verbesserung der Strukturen und zur Unterstützung des Ablaufes im Jahr 2001 ein Förderprogramm ins Leben gerufen. Zu den Fördermaßnahmen zählen zum Beispiel regionale Transplantationsreferenten, die als Ansprechperson in der jeweiligen Region zur Verfügung stehen. Ein weiteres Projekt ist die Einrichtung von lokalen Transplantationsbeauftragten (auch gerne als „Inhouse-Koordinatoren” bezeichnet) die in den jeweiligen Krankenhäusern als Kontaktperson zur Verfügung stehen. Um den Angehörigen die schwierige Todesnachricht zu überbringen und sie über eine geplante Organentnahme zu informieren gibt es eigene Kommunikationsseminare, in denen diese Gespräche mit Trainern und Schauspielern geübt werden können. Die Inhouse-Koordinatoren sowie die Kommunikationsseminare gibt es auch in Deutschland.
Ein Spenderorgan könnte jeder von uns einmal benötigen. Niemand von uns möchte dann ewig zittern und warten müssen, ob man auch rechtzeitig ein passendes Organ bekommt. Es ist wichtig, sich über dieses Thema Gedanken zu machen.
Kommentare (37)