Wenn wir einem Raumschiff immer weiter von der Erde weg fliegen, dann kommen wir zuerst am Mars vorbei, danach folgen Jupiter, Saturn, Uranus und schließlich – nachdem wir den 30fachen Abstand zwischen Sonne und Erde zurück gelegt haben – der Neptun. Aber bei dieser Entfernung von 30 sogenannten Astronomischen Einheiten (AE) ist das Sonnensystem noch lange nicht zu Ende. Weiter hinten folgen noch die Zwergplaneten Pluto, Haumea, Makemake und Eris am Schluß bei 68 AE. Noch weiter hinten folgen weitere Asteroiden des Kuipergürtels. Aber unser Sonnensystem wird nicht nur durch die Planeten, Zwergplaneten und Asteroiden definiert, die die Sonne umkreisen. Die Sonne hat ein großes Magnetfeld, das weit über den Bereich der Planeten hinaus erstreckt. Und sie stößt einen beständigen Strom aus geladenen Teilchen aus, den sogenannten Sonnenwind. Magnetfelder und geladene Teilchen gibt es auch außerhalb des Sonnensystems, im Raum zwischen den Sternen. Der Bereich, der durch Magnetfeld und Teilchen der Sonne dominiert ist, nennt sich Heliosphäre. Man kann sich das in etwa so vorstellen, wie ein große Blase, in der sich das Sonnensystem befindet und die sich mit ihm durch die Milchstraße bewegt. Natürlich interagiert diese Blase mit den interstellaren Magnetfeldern und Teilchen. Diese Interaktion kann uns einiges über die Dynamik in der Milchstraße verraten und darum wird sie seit 2009 vom Satelliten IBEX (Interstellar Boundary Explorer) erforscht. Die neuesten Resultate sind sehr interessant. Das Sonnensystem ist offensichtlich langsamer als gedacht…
Irgendwann haben sich die von der Sonne abgestrahlten Teilchen so weit von ihr entfernt, dass die interstellaren Magnetfelder beginnen, sie abzubremsen. Dabei werden sie aufgeheizt. Die noch schnellen Teilchen von der Sonne treffen auf die schon abgebremsten langsamen Teilchen und die Materiedichte im Raum wird erhöht (so wie ein Stau auf der Autobahn die lokale “Autodichte” erhöht). Diesen Bereich, der sich in einer Entfernung von ungefähr 75 bis 90 AE befindet, nennt man “Termination Shock”. Dahinter folgt das sogenannte “Heliosheath”, die “Sonnenhülle”. Hier bewegen sich die Teilchen des Sonnenwinds langsamer. Irgendwann vermischen sie sich schließlich mit der interstellaren Materie; der Einfluss des solaren Magnetfelds ist nicht mehr spürbar. Diese Grenze ist die Heliopause. Sie liegt irgendwo in der Gegend von 100 AE und umschließt die gesamte Heliosphäre. Die Heliopause bildet keine kugelförmige Grenze sondern ist verformt. Man hat bisher immer angenommen, dass das Sonnensystem in der Heliosphärenblase bei seiner Bewegung durch die interstellare Materie eine Art “Stoßwelle” (“Bow Shock”) vor sich her schiebt. Aktuelle Messungen zeigen aber, dass das wohl nicht der Fall ist.
Der Satellit IBEX befindet sich zwar in der Nähe der Erde, kann aber trotzdem die Grenzen des Sonnensystems erforschen. Er registriert ungeladene Atome, die aus dem interstellaren Raum in Richtung Erde fliegen. Da sie nicht elektrisch geladen sind, können sie ungehindert an den Magnetfeldern vorbei fliegen. Aus ihrer Analyse lassen sich einige interessante Eigenschaften über die Wechselwirkung zwischen Sonnensystem und dem Rest der Galaxie ableiten. Im Oktober 2009 fand IBEX zum Beispiel völlig überraschend eine große “Schleife” von Teilchen, die sich um die gesamte Heliosphäre windet. Es war lange unklar, worum es sich bei dieser “IBEX Ribbon” handelt. Man vermutet, dass es um am galaktischen Magnetfeld reflektierte Teilchen sein könnten.
Dave McComas vom Southwest Research Institute und seine Kollegen haben nun neue IBEX-Daten veröffentlicht. Die von IBEX gemessenen Teilchen der interstellaren Materie sind ein wenig langsamer als die früheren Messungen nahelegten, die mit anderen, nicht ganz so sensitiven Satelliten gemacht wurden. Daraus lässt sich ableiten, dass sich das Sonnensystem um 11000 km/h langsamer als bisher gedacht durch die Milchstraße bewegt. “Langsam” ist hier zwar relativ – das ganze System saust immer noch mit knapp 83000 Kilometern pro Stunde durch die Galaxie – aber die Geschwindigkeit reicht nicht aus, damit sich eine Stoßwelle bilden kann. Es gibt daher wohl nur eine Art kleine “Bugwelle”, so wie bei einem Schiff das langsam durch ruhiges Wasser fährt. Das aktuelle Bild sieht also ungefähr so aus:
Die Heliopause umgibt hier eine Region, die ein wenig wie ein Komet aussieht, mit einem langen “Schwanz” in der linken Bildhäfte. Darin befinden sich die Sonne und der Termination Shock. In rot ist die “IBEX Ribbon” eingezeichnet, die die Heliosphäre umspannt. Die schrägen Linien zeigen die Richtung des interstellaren Magnetfeldes an und der blaue Pfeil die Richtung, aus der die interstellaren Teilchen auf uns zu kommen (mit besagten 83000 km/h was ungefähr 52000 Meilen pro Stunde entspricht). In Flugrichtung gibt es keine Stoßwelle, sondern nur eine schwächere “Bow Wave”.
Die Grenzen des Sonnensystems und die Interaktion mit dem Rest der Milchstraße von der fernen Erde aus zu erforschen ist knifflig. Aber wir kommen langsam voran! Und das ist gut so. Denn die Heliosphäre schützt uns vor den meisten der energiereichen kosmischen Strahlen die aus dem interstellaren Raum aufs Sonnensystem treffen. Zu wissen, wie die Heliosphäre aufgebaut ist und wie sie sich im Laufe der Zeit verändert ist also durchaus relevant!
Kommentare (39)