“New Planet Found in Our Solar System?” titelte National Geographic kürzlich. Und für den Fall, dass diese Schlagzeile aus Amerika hier zu uns herüberschwappen möchte ich sicherheitshalber ein paar Worte dazu sagen. Die Kurzfassung lautet: Unser Sonnensystem hat derzeit immer noch 8 bekannte Planeten. Niemand hat irgendwas entdeckt. Aber es gibt interessante wissenschaftliche Ergebnisse!
Diese Ergebnisse wurden von Rodney Gomes auf einer Astronomie-Tagung in den USA präsentiert. Er hat die Bahnen der Asteroiden im Kuipergürtel untersucht. Das ist ein Asteroidengürtel, der hinter der Bahn des Neptun beginnt. Pluto, als großer Zwergplanet bzw. Asteroid ist Teil dieses Gürtels. Manche Objekte im Gürtel haben keine kreisförmigen Bahnen sondern Orbits, die stark elliptisch sind. Der Asteroid Sedna ist dafür ein gutes Beispiel:
Oben links ist das innere Sonnensystem zu sehen; bis zur Bahn des Jupiters und mit dem klassischen Asteroidengürtel. Oben rechts sieht man auch das äußere Sonnensystem mit dem Kuipergürtel rund herum. Unten rechts ist die Bahn des Asteroiden Sedna eingezeichnet, die weit über den Kuipergürtel hinaus reicht. Unten links schließlich sieht man Sednas Bahn im Verhältnis zur Oortschen Wolke (eine weitere große Ansammlung von Asteroiden und Kometen, die sich weit hinter dem Kuipergürtel befindet).
Gomes hat sich nun 92 Kuipergürtel-Asteroiden angesehen und ihre Bahnen untersucht. Sechs davon hatten so stark elliptische Bahnen, das er sich nicht erklären konnte, wie sie zustande kommen können. Denn elliptische Bahnen sind instabil. Objekte mit so einer Bahn überleben nicht lange; kosmisch gesehen zumindest. Nach ein paar hunderttausend Jahren kollidieren sie mit anderen Himmelskörpern oder werden aus dem Sonnensystem geworfen. Denn je elliptischer ihre Bahn, desto größer ist die Chance, dass sie die Bahn eines anderen Objekts kreuzen. Wenn wir heute noch Asteroiden auf elliptischen Bahnen sehen, dann braucht es einen Mechanismus, der immer wieder welche nachliefert. Das kann zum Beispiel durch gravitative Störungen geschehen. Wir kennen das aus dem Hauptgürtel der Asteroiden zwischen den Bahnen von Jupiter und Mars. Die Asteroiden dort bewegen sich alle auf fast kreisförmigen Bahnen. Aber ab und zu kollidieren zwei davon und können so in spezielle Bereiche geschleudert werden. Dort wirken Resonanzen mit Jupiter. Das bedeutet, dass die Gravitationskraft von Jupiter in diesen Bereichen periodisch mit immer der gleichen Kraft auf den Asteroiden wirkt. Die Störungen können sich so verstärken und die Bahn des Asteroiden wird immer elliptischer.
Natürlich gibt es auch noch andere Möglichkeiten, um die Bahn eines Asteroiden elliptisch zu machen. Aber Gomes meinte, seine Computersimulationen hätten nur dann ein brauchbares Ergebnis geliefert, wenn er von der Existenz eines weiteren Planeten im äußeren Sonnensystem ausgeht. Dieser Planet könnte die Asteroiden dann entsprechend stören und die Bahnen verursachen, die wir heute sehen.
Ich habe leider noch nicht die wissenschaftlichen Arbeit von Gomes zu diesem Thema gelesen (wenn sie jemand findet, falls sie überhaupt schon veröffentlicht ist, dann sagt bitte Bescheid!). Ich kann also noch nicht allzu viel darüber sagen. Aber zwei Dinge sind wichtig.
Ein Planet im äußeren Sonnensystem ist nicht so außergewöhnlich wie es klingen mag. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass sich hinter dem Kuipergürtel und in der Oortschen Wolke noch größere Objekte befinden. Es ist nur äußerst unwahrscheinlich, dass wir sie direkt entdecken können. Dafür sind sie zu klein, zu dunkel und zu weit weg. Die Astronomen haben sich natürlich auch früher schon Gedanken darüber gemacht, wie man sie finden kann. Und es gibt immer wieder mal Astronomen, die meinen, ein paar indirekte Hinweise auf so einen Planeten gefunden zu haben.
Aber, und das ist der zweite wichtige Punkt, die Arbeit von Gomes ist alles andere als eine “Entdeckung!”. Das meinen auch die Kollegen, die National Geographic in ihrem Artikel zitieren. Die Wissenschaftler sind der Ansicht, dass die Arbeit interessant ist und wichtig, weil sie uns zeigt, wie man Hinweise auf so einen unbekannten Planeten sammeln kann. Aber die Daten sind alles andere als eindeutig und daraus auf die Existenz eines Planeten zu schließen sei nicht zulässig. Solange ich die Arbeit von Gomes nicht gelesen habe, kann ich nicht sagen, ob das richtig ist oder nicht. Aber ich kenne die Leute, die da zu Wort gekommen sind und die wissen normalerweise wovon sie reden und sind Experten auf diesem Gebiet.
Vielleicht sollte man sicherheitshalber noch einen dritten Punkt erwähnen. Selbst wenn es diesen Planet gibt, dann ist er nicht gefährlich! Er kann es nicht sein, denn er muss sich ja immer in den äußersten Bereichen des Sonnensystems befinden (sonst hätten wir ihn ja schon längst entdeckt). Gomes spricht von einem Planeten, der 1500 Mal weiter von der Sonne entfernt ist, als die Erde (zum Vergleich: Neptun, der am weitesten entfernte bekannte Planet ist nur 30 Mal weiter von der Sonne entfernt als die Erde). Er kommt der Erde also nicht nahe und hat daher auch nichts mit dem Planet X bzw. Nibiru der Weltuntergangsspinner zu tun (den es ebenfalls nicht gibt).
Ich bezweifle nicht, dass es in den äußeren Bereichen des Sonnensystems noch weitere Planeten geben kann. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass es sie zumindest in der Oortschen Wolke gibt (das folgt schon aus der Theorie der Planetenentstehung). Aber ich bin skeptisch, ob es so einfach sein wird, ihn zu entdecken. Bis man hier ausreichend indirekte Beweise (direkt wird man ihn sowieso so schnell nicht sehen können) gesammelt hat, wird noch viel Zeit vergehen…
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