Einen der bis jetzt sehenswertesten Vorträge des 6. World Skeptics Congress wurde heute von Samantha Stein gehalten. Er trug den simplen Titel: “Engaging Children in Science”, behandelt aber ein enorm wichtiges Thema: Wie kann man Kindern beibringen, dass Wissenschaft nicht öde und langweilig sondern spannend, faszinierend und wichtig ist?
Samantha Stein berichtete zuerst von Erfahrungen, die sicher jeder von uns schon mal gemacht hat. In der Schule wird Wissenschaft unterrichte. Physik, Biologie oder Chemie. Und es ist laaaaangweilig. Der Lehrer schreibt Fakt um Fakt an die Tafel, die Schüler kopieren Fakt um Fakt in ihre Hefte und alle wünschen sich, dass die Stunde schnell vorbei ist. Und wenn es Experimente gibt, die vielleicht spannend sein könnten, dann kommt so etwas, wie das Kartoffelexperiment, von dem Stein berichtet:
Ja, das klingt wirklich nicht besonders fetzig, besonders wenn die Aufgabenstellung so formuliert ist wie in Steins Beispiel – das aber typisch ist für das, was in vielen Unterrichtsstunden passiert. Das Experiment bei dem man eventuell etwas lernen könnte wird zu einer Abfolge von Handgriffen an deren Ende ein vorformuliertes Ergebnis steht. Auf diese Art und Weise lernt man, wie man Prüfungen besteht. Aber mehr auch nicht. Dabei wäre es einfach, die Aufgabenstellung ein wenig abzuändern. Man könnte die Kinder zum Beispiel fragen, was man mit dem Kartoffelexperiment über Wissenschaft lernen kann.
Stein selbst bemüht sich seit einigen Jahren, neue Wege zu finden, um die Faszination der Wissenschaft an Kinder zu vermitteln. Dafür hat sie das “Camp Quest” ins Leben gerufen. Das ist ein Sommercamp für Kinder in Großbritannien. Sommerferienlager gibt es bei ins Deutschland ja (meines Wissens nach) nicht so häufig wie in den USA oder England und wenn, dann sind sie oft kirchlich organisiert bzw. von den Kirchen nahestehenden Organisationen wie z.B. den Pfadfindern. Camp Quest ist aber anders. Hier steht jedes Jahr ein anderes wissenschaftliches Thema im Vordergrund, das die Kinder im Ferienlager kennen lernen können. Zum Beispiel “Evolution” oder “Das Gehirn”. Im Jahr 2011 war das Thema “Die wissenschaftliche Methode”. Die Kinder sollten nicht nur wissenschaftliche Fakten lernen, sondern verstehen, wie Wissenschaft überhaupt funktioniert. Und hier kommt die schwimmenden Giraffe ins Spiel. Eine der Frage, über die die Kinder diskutierten, lautete: “Wer schwimmt schneller? Eine Giraffe oder ein Mensch?”
Eine simple Frage, könnte man denken. Und die Kinder haben auch gleich mit “Der Mensch!” geantwortet. Richtig spannend wurde es aber danach. Denn nun wurden sie gefragt: “Bist du sicher? Wie würdest du probieren herauszufinden, ob du Recht hast?”. Die darauf folgenden Diskussionen müssen äußerst interessant gewesen sein. Samantha Stein hat ein bisschen davon erzählt. Die Kinder machten sich Gedanken, ob man das einfach mit einer Giraffe und einem Menschen im Wasser testen könnte. Ob man das in einem Pool machen sollte oder lieber in der Wildnis. Ob es unfair wäre, wenn Menschen Badeanzüge tragen oder ob sie nackt sein solle, wie die Giraffe. Oder – Steins Favorit bei den Diskussionspunkten – ob ein Anreiz nötig wäre, um Mensch/Giraffe so schnell wie möglich schwimmen zu lassen und ob man noch ein Krokodil ins Wasser setzen sollte.
Eine andere Diskussion drehte sich darum, wie bestimmte Themen auf einer Linie angeordnet werden sollen, an deren einen Ende sich die “Wissenschaft” befindet und am anderen die “Pseudowissenschaft”. Die Kinder sollten z.B. “Kochen”, “Archäologie”, “Geografie”, “SETI”, “Jura” oder “Philosophie” einordnen. Stein meinte, dass die Kinder hier gar nicht mehr aufhören wollten zu diskutieren und noch lange danach darüber stritten, ob etwas nun wissenschaftlich ist oder nicht. Und es ist tatsächlich eine wunderbare Frage! Alle aufgeführten Aktivitäten haben wissenschaftliche und potentiell unwissenschaftliche Elemente und ich bin überzeugt das man bei der Diskussion über ihre Einordung eine Menge darüber lernt, was Wissenschaft ist und wie sie funktioniert.
Aktionen wie das “Camp Quest” können den Schulunterricht natürlich nicht ersetzen. Und egal was man hier in Zukunft noch verändert, man wird nicht umhin kommen, auch weiterhin einige grundlegende Fakten zu vermitteln, die die Kinder schlicht und einfach lernen müssen. Aber man kann sich bemühen, ein paar Dinge anders zu kommunizieren. Zum Beispiel, dass Wissenschaft etwas ist, was passiert. Etwas, bei dem man auch Fehler macht und das Wissenschaftler weder alles wissen noch gottgleich “Die Wahrheit™” verkünden. Wissenschaft ist ein Prozess, eine Art zu denken und wie das funktioniert wird viel zu selten erklärt.
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